Der Kampf gegen Crack
KoBra: Wie lange und wo wart in in Europa?
Iran: Wir waren in Köln, Münster, Karlsruhe, Freiburg und Bayern. Haben ein Interview bei der Deutschen Welle gegeben und haben uns mit Misereor, dem Kindermissionswerk und der Caritas getroffen.
KoBra: Welches waren die am häufigsten gestellten Fragen bei euren Vorträgen?
Iran: Die Menschen haben uns praktisch immer nach der Droge "Crack" gefragt - was es damit auf sich hat. Außerdem war die soziale Ungleichheit in Brasilien ein großes Thema für die Menschen in Deutschland.
KoBra: Habt ihr euch mit Förderern hier getroffen oder neue Fördermöglichkeiten gefunden?
Iran: Es gibt ein Projekt mit "Alife". Ein alternatives Gartenprojekt mit der Stadt Stuttgart. Außerdem haben wir dem Kindermissionswerk ein Projekt vorgeschlagen und werden einen Antrag bei Caritas Schweiz einreichen.
KoBra: Hattet ihr weitere Möglichkeiten, eure Arbeit in den deutschsprachigen Medien zu präsentieren?
Iran: Wir haben der Deutschen Welle ein Interview gegeben, das auch auf deren Website veröffentlicht wurde und mein Kollege "Edson" wurde im Radio Dreyeckland interviewt.
KoBra: Wie würdest du deinen Aufenthalt in Deutschland bewerten?
Iran: Für uns war die Reise ein großer Erfolg. Wir haben viele Freunde zusammengebracht, die sich für unser Projekt interessieren und wir haben es geschafft, unsere Arbeit hier vielen Menschen vorzustellen. Außerdem konnten wir finanzielle Ressourcen mobilisieren, zum Beispiel durch den Fernanda Brandão - Preis, der mit 10.000 € dotiert war.
KoBra: Lass uns auf eure Arbeit in Brasilien eingehen. Könntest du erklären welche Rolle das "Crack" in eurer Arbeit spielt?
Iran: Crack ist kein Abfallprodukt der Kokainproduktion und trotzdem relativ billig. Vor ca. 8 Jahren ist die Droge bei uns aufgetaucht und sie macht sehr, sehr schnell abhängig. Crack kommt nicht aus der Großstadt und verbreitet sich dann in den ländlichen Gebieten. Das Crack kommt aus den Grenzregionen in die Großstädte hinein.
Außerdem betrifft Crack alle Schichten der Gesellschaft. Anfangs dachte man noch, dass es vor allem die marginalisierte Bevölkerung treffen würde, aber mittlerweile ist die Mittelschicht auch in den Crack Konsum eingestiegen. Weil die Droge so schnell abhängig macht, sehen wir sie als eine bedrohliche Epidemie in Brasilien.
Bei den Kindern mit denen wir arbeiten ist es nicht anders. Unsere Kinder werden sehr schnell abhängig und unsere Arbeit mit den Kindern wird daher immer schwieriger. Es ist für uns eine sehr schwere Aufgabe, die Jugendlichen von der Droge wegzubekommen und die Droge von der Straße und damit aus dem Umfeld der Jugendlichen zu verbannen.
Die Jugendlichen können den ganzen Tag an nichts anderes denken. Die Menschen vergessen zu essen und sind den ganzen Tag damit beschäftigt, Geld zu organisieren, um sich Drogen kaufen zu können - ob durch Arbeit oder Kriminalität.
KoBra: Gibt es Statistiken zum Gebrauch von Crack in Recife?
Iran: Von 500 Jugendlichen mit denen wir arbeiten sind 90 % Crack abhängig und die anderen sind in der Gefahr dorthin abzurutschen. Generell sind Menschen, die bereits Drogen nehmen, sei es Alkohol, Marihuana oder Kokain, schwer gefährdet früher oder später mal Crack zu nehmen. Die Stadt Recife versucht dagegen anzukämpfen, aber die Maßnahmen müssen besser ausgearbeitet und koordiniert werden.
KoBra: Was macht ihr mit Jugendlichen, die ihr auf der Straße findet und die Hilfe brauchen?
Iran: Die Arbeit von Grupo Ruas e Praças basiert auf der Annahme, dass wir den Wunsch in den Jugendlichen wecken müssen, damit sie selbst aus der Situation, in der sie sich befinden, heraus kommen wollen. Wir nutzen in unserer Pädagogik viel Sport, Kultur und Bildung als Mechanismus, um den Dialog zwischen den Jugendlichen und den Mitarbeitern zu fördern.
Wir arbeiten daran, das Selbstbewusstsein der Jugendlichen zu stärken und ihnen bewusst zu machen, dass die Situation in der sie sich befinden nicht gut für sie ist und dass sie sich daraus befreien können.
Wir haben dafür einige Notfallangebote für Jugendliche, die sie schnell in Anspruch nehmen können, wenn sie von der Straße weg wollen. Andererseits gibt es einen Ort, an dem die Jugendlichen leben und sich auf ihr neues Leben vorbereiten können, den „Sitio Capim de Cheiro“. Sehr wichtig ist in diesem Moment die Arbeit mit der Familie der Jugendlichen. Auch die Familien müssen auf die Rückkehr des Jugendlichen vorbereitet werden.
KoBra: Wie lang dauert eine solche Begleitung i. d. R.?
Iran: Es gibt zahlreiche Beispiele von Jugendlichen die nach einem Aufenthalt von 12 bis 18 Monaten wieder ein normales Leben führen können. Dafür ist es aber wichtig, dass das Individuum sich ändern will.
KoBra: Es gibt derzeit eine große Debatte in Brasilien um die Herabsetzung des Jugendstrafalters. Wie du erklärt hast, benötigt es Investitionen in die Behandlung dieser Jugendlichen. Was kannst du Menschen entgegnen die sagen: „Ich werde keinen Cent in die kriminellen Jugendlichen investieren, die mich überfallen."
Iran: Ich entgegne diesen Menschen, dass die aktuelle Gesetzgebung nicht notwendigerweise schlecht ist, aber leider noch immer nicht vollständig umgesetzt wird. Wir gehen von der Annahme aus, dass wir Kriminelle besser resozialisieren können als Erwachsene Wiederholungstäter mit einem langen Vorstrafenregister. Das aktuelle Gesetz bestraft Jugendliche bereits - schreibt allerdings auch Resozialisierungsmaßnahmen vor. Leider werden die Jugendlichen heute in normale Gefängnisse gesteckt und diese Gefängnisse sind Brutstätten der Kriminalität. Auf diese Weise gibt man die Person praktisch verloren.
Es geht auch bei diesem Gesetz nicht nur um Kinder aus der Favela und Drogenabhängige. Es geht um alle Jugendlichen in Brasilien. Es geht um jedes Kind!
KoBra: Was sind die Pläne für das kommende Jahr für Grupo Ruas e Praças?
Iran: Wir müssen unser Wohnprojekt auf dem Sitio reformieren, um mehr Jugendliche dort aufnehmen zu können. Außerdem haben wir ein Fußballprojekt, in dem wir bereits heute mit mehr als 300 Jugendlichen aus den gewalttätigsten Stadtteilen Recifes arbeiten. Wir versuchen ihnen Gewaltfreiheit zu vermitteln und sie über Drogen aufzuklären. Dieses Projekt ist bisher sehr gut angelaufen und wir hoffen, dass es im kommenden Jahr noch stärker wird.
KoBra: Was sind die größten Herausforderungen für euer Projekt?
Iran: Es ist sehr schwierig für uns, die bestehenden Strukturen aufrecht zu erhalten. Wir überleben von einem Projekt zum nächsten und kaum eine dieser Projektfinanzierungen trägt die alltägliche Arbeit unserer Organisation. Die einzelnen Projekte sind voneinander abhängig. Wenn die Finanzierung in einem Bereich wegfällt, haben auch die anderen Bereiche große Probleme.
Ein weiteres großes Problem für uns ist die Droge Crack. Wir werden weiter mit den Jugendlichen kämpfen um diese Drogen aus unserer Stadt zu verbannen. Um das zu erreichen, arbeiten wir auch mit der Stadt und der Regierung zusammen.
Das nächste große Problem ist die vorgeschlagene Gesetzesänderung zur Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters. Am 30. Oktober wird die Gesetzesänderung erneut im Kongress abgestimmt werden und Umfragen zu Folge sind 70 % der BrasilianerInnen für eine Gesetzesänderung.