Vom Leben neben der Uranmine

Ein neuer Dokumentarfilm von Thomas Bauer über Lateinamerikas einzig in Betrieb befindliche Uranmine (Brasilien, 2014, OmU, 12 min.) - und was das Ganze mit uns zu tun hat...
| von Christian Russau
Vom Leben neben der Uranmine
Die Uranmine von Caetité. Photo: CPT Bahia

Lateinamerikas einzig in Betrieb befindliche Uranmine liegt im brasilianischen Nordosten, im Bundesstaat Bahia. In Caetité werden jährlich 400 Tonnen Urankonzentrat gewonnen und von der INB (Indústrias Nukleares do Brasil) zu "Yellow Cake" weiterverarbeitet, der in Kanada und Europa angereichert wird und wieder zurück nach Brasilien gelangt, um dort in Brennstäben in den Atomkraftwerken von Angra dos Reis - RJ eingesetzt zu werden. Die Anwohner der Uranmine wurden von den Behörden nie informiert oder befragt. Nun berichten sie über ihr Leben mit der Uranmine von nebenan.

 


Und was hat das mit uns zu tun?

1975 unterschrieben die Bundesrepublik Deutschland und Brasilien den deutsch-brasilianischen Atomvertrag. Am 27. Juni 1975 wurde das "Abkommen zwischen der Föderativen Republik Brasilien und der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie" unterzeichnet, das am 18. November 1975 mit einer Dauer von 15 Jahren in Kraft trat. Der Vertrag ist noch heute gültig, im November dieses Jahres stünde wieder einmal das Zeitfenster zur Kündigung an: dieses müsste (den politischen Willen der Regierenden vorausgesetzt) bis zum 18. November 2014 geschehen, damit der Vertrag zum 18. November 2015 fristgerecht gekündigt werden kann.

Worum geht es in dem Vertrag?

Neben der wissenschaftlichen Kooperation sah das Abkommen den Transfer deutscher Atomtechnologie nach Brasilien zum Bau von bis zu acht Atomkraftwerken, einer Wiederaufbereitungsanlage sowie einer Urananreicherungsanlage vor. Und es gab noch einen weiteren Punkt.

Denn es war nicht nur deutsche Siemens/KWU-Technologie, die die Atomkraftwerke in Angra baute, nicht nur die in Karlsruhe und Jülich entwickelte Uranzentrifugentechnologie, die den Weg nach Brasilien fand, sondern es ist – auch heute noch – das Uran aus dem Nordosten, das seinen Weg nach Deutschland findet. Getreu dem Vertrag aus dem Jahre 1975: In Artikel 1 des Abkommens werden die Ziele des Abkommens benannt. Dort findet sich u.a. auch die "Prospektion, Aufbereitung und Gewinnung von Uranerzen sowie die Herstellung von Uranverbindungen" und die "Urananreicherung und Anreicherungsleistungen". Was war der Antrieb für die BR Deutschland, dieses Abkommen zu unterzeichnen? War es "nur" das Interesse am "größten deutsche Exportgeschäft aller Zeiten"?

„Die für die Bundesrepublik Deutschland wirtschaftlich interessanten Punkte"
„Die für die Bundesrepublik Deutschland wirtschaftlich interessanten Punkte des Zusammenarbeitsprogramms sind die Lieferung von Natururan von Brasilien in die Bundesrepublik Deutschland“, hatte die Bundesregierung im Jahre 1976 auf die Fragen des SPD-Bundestagsabgeordneten Karl-Hans Kern zum deutsch-brasilianischen Regierungsabkommen über die „Zusammenarbeit auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie“ erklärt.

Und das gilt noch heute.

Wohin geht Brasiliens Uran?
Laut der staatlichen Atomfirma Brasiliens, INB, liefert Brasilien sein Uran seit einigen Jahren „exklusiv“ nach Frankreich. Zuvor wurde das Yellowcake aus Caetité zur Verarbeitung zu Uranhexafluorid (UF6) zur Cameco nach Kanada gesandt, von dort zu weiteren Weiterverarbeitung zu gasförmigen Urandioxid (UO2) nach Europa zur britisch-niederländisch-deutschen Urenco geschickt, bevor es dann wieder nach Brasilien geht, um bei Angra 1 und 2 und bald auch Nummer 3 zur Stromgewinnung eingesetzt zu werden. Mit dem Verweis auf den „Exklusivvertrag“ zwischen INB und Areva (im Rahmen des Baupakets Angra 3) versucht der brasilianische Atomstaat den sich zusammenschliessenden Kritiker aus Brasilien und Deutschland den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Betriebswirtschaftlich argumentativer Unfug
Die Argumentation der INB ist aber brüchig – und letztlich eine Mogelpackung: Selbst wenn es stimmen würde, dass alles Yellowcake aus Brasilien nur noch nach Frankreich ginge (warum hat man diesbezüglich nichts von der kanadischen Cameco über den Wegbruch eines großen Rohstofflieferanten gehört?), selbst dann heißt der Argumentationsbruch der INB-Areva-Exklusivgeschichte: Lingen. Die dortige Brennelementefabrik gehört der Areva-Tochter Advanced Nuclear Fuels GmbH (ANF). Es ist stark zu zweifeln, dass Areva in der Lage wäre zu beweisen, dass sie keinerlei ihrer in Deutschland gelegenen Brennelementefabriken mit Uran, das auch aus Brasilien kommt, beliefern. Betriebswirtschaftlich wäre so etwas schlicht Unsinn. Hinzu kommt die Bedeutung des Stabndorts Lingen für Areva. Der Spiegel schrieb: „Die Stadt Lingen im Emsland taucht in der BfS-Tabelle am häufigsten als Start- und Zielort von Transporten auf. Dort hat Advanced Nuclear Fuels (ANF) seinen Sitz, eine Tochterfirma des französischen Areva-Konzerns, des größten Nuklearunternehmens der Welt. Areva versorgt Atomkraftwerke in Deutschland, Frankreich und anderen Ländern mit Brennelementen.“

Verschleierung mit System
Die Verschleierung der Herkunft und Ziele der Urantransporte hat dabei System. Die Berichte und Protokollierung der Urantransporte, für die das Bundesamt für Strahlenschutz zuständig ist, reichen immer nur bis zu den Grenzen. „Hier endet unsere Zuständigkeit“, heißt es dann lapidar von Behördenseite. Berechnet man die Herkunft des aus dem Ausland nach Deutschland transportierten Urans nur auf Basis der BfS-Tabelle, so scheint das Hauptherkunftsland von Uran Frankreich zu sein. Und der Hauptabnehmer des in Deutschland angereicherten und aufbereiteten Urans? Ebenfalls Frankreich.

Wenn also beispielsweise die Urenco im westfälischen Gronau Urandioxid produziert hat und das Material nach Frankreich geht, kann es sowohl in Frankreichs Meilern eingesetzt werden – oder aber andernorts, in Brasilien beispielsweise. Wenn der Brennstab bei ANF in Lingen hergestellt wird, weiss (fast) niemand, ob das über Frankreich gelieferte Material im Ursprung aus Brasilien oder aus Niger kommt, in Kanada oder in Frankreich angereichert wurde und dann erst bei der Urenco landete.

Aufschluss darüber könnte nur eine weltweite Analyse aller (jeweils bis zu Staatsgrenze) dokumentierten (und zusammengerechneten) Uran- und Uranverbindungentransporte geben.