RUNDER TISCH BRASILIEN 2024: COP pra quê(m)? - der Tagungsbericht
Der Name der Konferenz brachte es auf den Punkt: Was bedeutet die COP für Belém, für den Amazonas, die Klimadebatte und die sich zuspitzende Klimakrise? Wofür und für wen treffen sich da 50.000 bis 100.000 Delegierte? Welche Chancen und Gefahren liegen darin? Besonderes Augenmerk galt dabei den Landrechten von Indigenen, Quilombolas und anderen traditionellen Gemeinschaften in Brasilien, die seit Jahrzehnten ihr Land gegen unterschiedliche Akteur*innen verteidigen müssen.
Umkämpfte Landrechte, im Fokus der nationalen und internationalen Klima- und Energiepolitik
Die internationale Klima- und Energiepolitik hat starke Auswirkungen auf den Alltag der traditionellen, kleinbäuerlichen und indigenen Gemeinschaften, wie auf der Konferenz in zahlreichen Beiträgen gezeigt wurde. Teilweise ist ihr Überleben bedroht. Sie schützen das Klima und die Biodiversität und werden dabei angegriffen und vertrieben - auch wegen Bergbauaktivitäten zur Förderung von Mineralien und Rohstoffen, die für den Energiewandel benötigt werden. Denn Energieanlagen zur Nutzung von Wind-, Sonnen- und Wasserkraft sowie Erdwärme benötigen für die gleiche Stromproduktion beim Bau deutlich mehr Industriemetalle wie Aluminium und Silber, Silizium und Indium, Kupfer, Rohstoffe wie Lithium und Molybdän. Das bedeutet: Bergbauaktivitäten in den indigenen und traditionell bewirtschaften Gebieten, wo diese Mineralien lagern, steigen aufgrund der Energiewende enorm an.
Auf nach Belém? Die Vernetzung der Zivilgesellschaft rund um die COP 30
„Im November (2025) wird die ganze Welt nach Belém schauen.“ (Maria Ivanilde Silva)
Moderiert von Valéria da Silva Fekete, KoBra-Vorstandsmitglied, Journalistin und Übersetzerin, teilte ein aus Brasilien angereistes Podium von in Amazonien lebenden und ums Überleben kämpfenden Aktivist*innen ihre Erfahrungen, teilweise herben Erlebnisse und Einschätzungen mit dem rege involvierten Publikum. Während noch die COP 29 in Baku, Aserbaidschan, stattfindet, richten sich die Augen und Hoffnungen der Welt bereits nach Belém in Brasilien. Die letzten drei COPs waren wenig erfolgreich und brachten teilweise Rückschritte. Mit dem wieder gewählten Präsidenten Lula und einer COP in Brasilien soll sich das ändern, so hoffen viele. Der Klimawandel-Leugner Bolsonaro wurde abgewählt, jetzt soll es besser werden. Dass das sehr schwierig wird, verriet schon das Foto von Chico Batata, das auf dem Flyer und auf der Wand hinter den Podiumsteilnehmer*innen zu sehen war: Es zeigte eine Gruppe von Indigenen, die durch ein vertrocknetes Flussbett läuft. Hier floss noch vor wenigen Monaten der Rio Negro.
Maria Ivanilde Silva, ist Quilombola und für die Caritas Regional Nordosten 2, in Pará, an der Basis aktiv. Sie sieht Möglichkeiten eeniger in der COP selber, aber in der gleichzeitig stattfinden Cúpula dos Povos (dt. in etwa: Gipfel der Völker), einer Parallelveranstaltung der sozial-ökologischen und antirassistischen Kräfte, wo diejenigen zu Wort kommen sollen, die auf der COP nicht gehört werden. Es geht um kollektive Rechte und kollektive Räume. Seit 2023 bereitet ein Kollektiv dieses Event im Großraum Belém vor. Da alles für die offizielle COP 30 reserviert ist, ist es schwierig, Räume zu finden.
Es werden gerade viele sogenannte Megaprojekte im Amazonas ohne die vorgeschriebenen Konsultationen der betroffenen Bevölkerung durchgezogen. Auch Ivanildes Quilombo steht unter Druck und zahlreiche Gemeinden werden von der Regierung ignoriert. Deswegen plädiert sie dafür:
„Nutzen wir die COP 30 als Bühne, für die Biome in Brasilien und auf der ganzen Welt. Wir sind diejenigen, die den Wald schützen und bewohnen.“ (Maria Ivanilde Silva)
Die Firma Cargill baut einen Mega-Hafen in Abaetetuba
Dil Maiko Freitas, Ribeirinho-Führungskraft von Igarapé Vilar und Fischer im Bundesstaat Pará, ca. 50 km von Belém entfernt, berichtet über das, was ihm und seiner etwa 43.000 Menschen umfassenden Flussanrainer*innen (Riberinho) Gemeinschaft zugestoßen ist. Seine Erzählung war erschütternd und trieb nicht nur ihm die Tränen in die Augen.
„Wir leben seit 180 - 200 Jahren am Flussufer. Es ging uns gut, Wir verkauften Acai-Beeren, etwa 10.000 Tonnen pro Jahr und lebten von der Fisch- und Forstwirtschaft, im Einklang mit dem Fluss und dem Wald.“
2017 kam die Firma Cargill, ein multinational tätiges US-Unternehmen, das sich mit der Herstellung und dem Handel von Lebens- und Futtermitteln befasst, in das Gebiet von Dil Maikos Gemeisnchaft.
„Die Regierung hat ihnen unser Land verkauft“, berichtet er. Wie das möglich war, versteht er nicht. „Seitdem ist unser Leben ein Inferno“ (Dil Maiko Freitas)
Bewaffnete Wachleute haben sie von ihrem Gebiet vertrieben, es gab viele Konflikte, Schüsse fielen, Menschen wurden verletzt und bedroht. 90 Prozent der Bewohner*innen sind schon weggezogen. Cargill nun will einen Mega-Hafen für den Soja-Export in Abaetetuba errichten.
„Sie reden von Klimaschutz, gleichzeitig zerstören sie unser Land.“ (Dil Maiko Freitas)
Bei den indigenen Mura sind 37 Dörfer von einem Kalibergwerk betroffen, erzählt Filipe Gabriel Mura, indigene Führungspersönlichkeit der Mura in Soares/ Urucurituba, Amazonas. Circa zwei Kilometer von ihren Häusern entfernt baut die Firma Potássio do Brasil jetzt Kalium ab, das zur Produktion von Kunstdünger für die industrielle Landwirtschaft dient. Es gab vorher viel Unruhe, Einzelnen wurde Geld angeboten, wenn sie ihr Land verkaufen. Viele haben das getan und erst danach gesehen, was mit ihrem Land passiert. Es wird unbewohnbar. Ihnen wurde neben Geld ein Gesundheitssystem, Jobs, Bildung versprochen, doch nichts davon wurde eingehalten. Die Mura-Gemeinschaft ist daran zerbrochen. Etwa zehn Dörfer sind noch im Widerstand, die andern haben verkauft und ihre Lebensgrundsage verloren. Auch hier gab es bewaffnete Auseinandersetzungen und Tote.
„Das Volk stirbt. Der Amazonas stirbt. Uns geht die Kraft aus.“ (Filipe Gabriel Mura)
Das Unternehmen Potássio do Brasil hat eine ausgefeilte PR-Maschinerie in Gang gesetzt. Sie erzählen, dass sie den Regenwald schützen und nachhaltig agieren, dort lebten keine Indigenen und sie bringen niemanden um. Dem können die Mura nichts entgegensetzen.
Das Geschäft mit der Energie
Ein Thema, dass die beiden Redner erwähnten und welches das ganze Treffen durchzog, waren die CO2 Zertifikate. Auf der COP 30 soll international ein staatlich regulierter Markt für CO2 Kompensationen geschaffen werden. So will es zumindest Helder Barbalho, der Gouverneur des Bundesstaats Pará, in dem die COP stattfinden wird. Helder Barbalho ist Lula-Parteigenosse und vielleicht demnächst Vize-Präsident. Er möchte aus dem Kampf gegen den Klimawandel ein Geschäft machen. Mehrfach wurde auf seine umstrittenen Äußerungen während der COP 29 in Baku hingewiesen, wo er für CO2-Zertifikate warb: Sie seien wichtig für Amazoniens Entwicklung. Quilombolas und Indigene müssten dann nicht mehr um Geld betteln. Diese rassistischen Äußerungen lösten Empörung aus: Ohne die Klimagroßprojekte könnten sich indigene und traditionelle Gemeinschaften selbst ernähren und ihre Umwelt schützen, aber wenn sie vertrieben oder gezwungen werden, neben und mit Großbaustellen zu leben, dann ist ihr Überleben gefährdet. Schon jetzt werden überall in Amazonien von oft dubiosen Geschäftemachern CO2 Zertifikate gekauft. „Sie reden den Menschen ein, es sei gut für die Umwelt.“ Und dann dürfen sie die Gebiete für 30 - 40 Jahre nicht mehr betreten, berichten Dil Maiko Freitas und Filipe Gabriel Mura.
Sozial-ökologische Landwirtschaft
„Falsche Lösungen bedeutet, die Erde als Konsumgut zu begreifen.“ (Bruno Prado)
Die Landwirtschaft, und zwar die sozial-ökologische Landwirtschaft, ist das Thema von Bruno Prado von der AS-PTA - Agricultura Familiar e Agroecologia, (dt. in etwa: familiäre und agrarökologische Landwirtschaft). Ökologische, kleinbäuerliche Landwirtschaft steht der industriellen Landwirtschaft gegenüber. Letztere hat ganz andere Dimensionen, ist ein Riesengeschäft und hat die in Brasilien mächtige Agrarlobby hinter sich. Bruno Prado spricht von falschen Lösungen. Konkret nennt er die gigantischen Häfen für den Soja-Export, Soja als Tierfutter für den reichen globalen Norden. Seine Organisation ist in vielen Teilen Brasiliens aktiv. Überall hören sie von Menschen, die durch CO2 Zertifikate, grüne Windkraft und angeblich nachhaltige Bergbauprojekte Räume verlieren. Es gebe so viel Fake News. Zum Beispiel sei es durch die sozialen Medien gelungen, den Menschen einzureden, die verheerenden Überschwemmungen in Rio Grande do Sul im Mai 2024 haben nichts mit dem Klimawandel und dem CO2 Ausstoß zu tun. Er möchte die COP 30 nutzen, um auf dem Gipfel der Völker, woran sich bisher schon 400 Organisationen beteiligen, Gegeninformationen zu verbreiten.
Chaos in Belém?
Die Frage, was die COP 30 für die Stadt Belém bedeutet, brachte Erschreckendes zutage. Maria Ivanilde Silva, die dort lebt, berichtete anschaulich, dass der Verkehr schon jetzt eine Katastrophe sei. Es gebe viel Stau und überall werde gebaut. Es gibt ca. 14.000 Hotelbetten, aber es kommen mindestens 50.000 Delegierte – sie sollen auf Kreuzfahrschiffen untergebracht werden. Schon jetzt ist der Müll ein Riesenproblem, die Deponie ist übervoll, es stinkt. Auch die Abwasserversorgung ist nicht geregelt. Ob die circa 30 geplanten Infrastrukturprojekte für die COP eine Verbesserung bringen? Eine bessere Wasser- und Abwasserversorgung, Nahverkehr, Gesundheitsversorgung? Maria Ivanilde ist skeptisch, hofft aber dennoch.
„Das ist wie ein Fußballspiel. Du gehst hin und schaust zu.“ Dil Maiko Freitas
Zum Schluss wurde von den Referent*innen betont: „Wir sind reich … wenn wir die Vergangenheit achten, können wir die Zukunft sichern.“
Klima- und Energiepolitik auf dem Tisch: Stimmen aus Brasilien und Süd-Nord-Reflexionen
„Das ist keine Energiewende, sondern ein Energiegeschäft.“ (Maria Cleide da Silva)
Am nächsten Morgen gab es eine Podiumsdiskussion über die verheerenden Folgen angeblicher Pro-Klimaprojekte für indigene, traditionelle und Quilombola-Gemeinschaften, diesmal aus anderen Regionen Brasiliens.
Die Moderation übernahm Biancka Arruda Miranda, Mitglied des KoBra-Vorstands und Klima-Aktivistin. In ihrer Einführung sagte sie, die Durchführung der COP 30 in Brasilien fühle sich an wie „ein kleiner Sieg“. Dennoch gelte es immer, das Motto der diesjährigen KoBra Tagung nicht aus den Augen zu verlieren: COP(A) pra quê(m)? Wofür und für wen findet diese Klimakonferenz statt? Sie erläuterte auch das immer wieder gehörte Wortspiel COP/ COPA, das an die Fußballweltmeisterschaft 2014 in Brasilien erinnerte, welche riesige, heute ungenutzte Stadien und Vertreibung zur Folge hatte. Für die Merkantilisierung der Natur stehen die Lobbyist*innen in Belém schon in den Startlöchern. Was wird von der COP 30 bleiben?
Biancka setzt ihre Hoffnungen auf die 400 Organisationen, welche die Cúpula dos Povos organisieren und sich schon jetzt dafür einsetzen, dem internationalen Kampf gegen den Klimawandel aus der Sicht der Bewahrer*innen der Umwelt neues Leben einzuhauchen. Sie stehen mit rund 33 Staaten im Austausch.
Nicht nachhaltige Windkraftanlagen
Die Gemeinschaft einer Podiumsteilnehmerin und Qilombola-Führungskraft, die aus Sicherheitsgründen nicht namentlich genannt wird, ist gleich mehrfach von Großprojekten betroffen. Für ein Tagebauprojekt der BAMIN, einer Bergbaufirma aus Bahia, die in großen Stil Eisenerz abbaut, musste ihre Gemeinde ihr Gebiet verlassen - eine sonnige Hochebene, auf der sie Vieh- und Landwirtschaft betrieben und ihren Lebensunterhalt verdienen konnten. Was das für sie und ihre Mitstreiter*innen bedeutete, wie sich ihr Leben zum schlechteren änderte, berichtete sie ausführlich in der Arbeitsgruppe „Menschenrechtsverletzungen im Bergbau und die Energiewende“ am Nachmittag. Ihr Thema an diesem Morgen waren die Windkraftanlagen, die überall in Brasilien aus dem Boden schießen. Sie habe auf der Fahrt im Zug auch in Deutschland viele Windkrafträder gesehen, aber die hätten andere Standorte. Bei ihnen werden sie ohne vorherige Anhörung der Anrainer*inne einfach gebaut. Sie zeigte ein Foto aus ihrer Gemeinde: Direkt oberhalb des Dorfes, dort wo die Quellen entspringen und sie Gemüse und Getreide anbauen, wurde die Anlagen errichtet. Die Folge: Das Verschmutztes Wasser, versiegeltes Land: sie können nichts mehr anbauen. Die vorgeschriebenen Abstände zu Siedlungen werden nicht eingehalten und die Bewohner*innen leiden unter gesundheitsschädlichen Folgen. Zudem kommt dieser Strom nicht ihnen zugute, sondern wird weit weg ins Netz eingespeist. Immer wieder gibt es neue Windkraftanlagen und sie versuchen dagegen zu klagen, politisch zu intervenieren – bisher erfolglos.
„Nachhaltig ist das nicht!“ (Quilombola-Führungskraft)
João Vitor Lisboa Batista (Rechtsberater vom Indigenenmissionsrat CIMI (Conselho Indigenista Missionário) bestätigt diese Erfahrungen. Eigentlich sind Bergbauaktivitäten auf indigenem Gebiet in Brasilien verboten, doch in der Realität gibt es immer mehr davon, wie der Kaliumbergbau bei den Mura, neue Erdöl- und Erdgasanlagen in Amazonien und leider viele weitere.
„Der Erhalt der indigenen Gebiete wird immer wieder bedroht.“ (João Vitor Lisboa Batista)
Die Demarkierung und die Stichtagsregelung
Zu dieser Frage ist es wichtig, die Bedeutung der Stichtagsregelung „Marco Temporal“ zu erläutern. Mit der Verfassung von 1988 wurden Indigenen, Quilombolas und traditionellen Gemeinschaften kollektive Landrechte zugesichert. Diese müssen in einem langwierigen Prozess anerkannt und legitimiert werden, bis es eine offizielle „Demarkation“ gibt. Der Prozess läuft langsam und wird immer wieder gezielt unterbrochen. Die Stichtagsregelung besagt, dass als Stichtag für die Demarkierung der traditionellen Territorien (wo die Bewohner*innen seit Jahrhunderten von und mit ihren Territorien leben) der 05.10.1988 gilt. Zu dieser Zeit wurden jedoch viele Gemeinschaften von der Militärdiktatur und anderen bewaffneten Akteur*innen von ihrem Land vertrieben.Diesen Gemeinschaften könnte durch die Stichtagsregelung ihr Land entzogen werden. Der Landhunger von Unternehmer*innen und die Kritik von Politiker*innen an indigenen Landrechten sind groß. Im September 2023 wurde das Gesetz zur Umsetzung der Stichtagsregelung (PL Nr. 14.701) vom Obersten Gerichtshof STF als verfassungswidrig eingestuft. Dennoch verabschiedete das Parlament es im Oktober 2023. Zurzeit wird die Stichtagsregelung von 26 Regierungs- und sechs indigenen Vertreter*innen (!) erneut geprüft.
„Das darf in einer Demokratie nicht passieren.“ (Biancka Arruda Miranda)
CO2 Zertifikate sind Landraub
João Vitor Lisboa Batista beschreibt die negativen Auswirkungen der CO2 Zertifikate. Trotz dem von Brasilien ratifizierten ILO-Abkommen 169 werden die betroffenen Gemeinschaften nicht gefragt: Die Unternehmen kommen, beschaffen sich irgendwelche Unterschriften, indem sie einzelnen Geld versprechen, die Regierung genehmigt es und dann ist das Land zertifiziert und kann 30 bis 40 Jahre nicht mehr genutzt werden. Das ist Landraub und zudem dürfte dieses Land gar nicht verkauft werden, sagt er. Außerdem seien diese CO2-Zerifikate Feigenblätter, damit andre weiterhin Schadstoffe emittieren können.
„Es wird so viel von Brasilien erwartet, aber Brasilien liefert nicht.“ (João Vitor Lisboa Batista)
Joice Santana (Caritas Regional Nordosten 3, Bahia und Sergipe) ist seit Jahren in diese Auseinandersetzungen um Landrechte und den Kampf gegen die Mächtigen involviert. Sie kann das vorher Gesagte nur bestätigen.
„Wer bezahlt die Rechnung?“, fragt Joice Santana. Wer bezahlt für den Energiehunger und die Geschäfte der Unternehmer*innen und Politiker*innen? Es sind Indigene und Anrainer*innen der Flüsse, die Menschen, die auf den Gebieten leben. Seit Jahren erlebt sie auch in und um Salvador Immobilienspekulationen, die oft in Vertreibungen münden.
„Ist es das Massaker wert?“ (Joice Santana)
Der Norden und Nordosten Brasiliens hat so viel Schönheit und Reichtum zu bieten. Aber es ist ein ungleicher Kampf und die multinationalen Konzerne breiten sich aus.
Hat der Zertifikate-Handel positive Aspekte?
Die klare Antwort: in Brasilien nicht. Da sind es Großgrundbesitzer*innen, das Agrobusiness und anti-indigene Politiker*innen, die darin involviert sind. Außerdem bedeuten die Zertifikate nicht, dass Gebiete renaturalisiert werden, es geht nur darum, nicht noch mehr zu zerstören. In Amazonien und anderen Gebieten werden dafür traditionelle Gemeinschaften gewaltsam von ihren Gebieten vertrieben.
Helder Barbalho habe in New York die CO2-Zerifikaten „zum größten Deal der Menschheit“ erklärt. Die Liste der Käufer*innen wachse und wachse, darunter Amazon, Bayer, VW und H&M. Schon jetzt sei die dreifache Fläche von Pará als „grüner“ Besitz eingetragen. Denn es gibt ein Programm im Rahmen einer neuen Landvermessung in Amazonien, wo sich jeder, der Zugang zu den Registern hat, selber eintragen kann. Vor allem Regierungsbeamte hätten das weidlich genutzt. Diese Gebiete sind dann über Jahrzehnte zur Nutzung blockiert.
„Im Moment eigenen sich Staatsbedienstete das Land an und verhökern es.“
Vertiefungen und Diskussion in Arbeitsgruppen
Am Nachmittag wurden die Diskussionen in vier Arbeitsgruppen vertieft:
- Ein Weg in die Zukunft: Agrarökologie für ein resilientes Morgen
- Traditionelle Völker und Gemeinschaften: Cerrado, Territorium und COP 30
- Megaprojekte im Amazonasgebiet und die Klimakrise: Widerstands- und
Schutzmechanismen - Menschenrechtsverletzungen im Bergbau und die Energiewende: Das Ringen um Gerechtigkeit für Brumadinho und Caetité
Abends wurde der sehenswerte Film “Brumadinho: Berichte eines fortwährenden Verbrechens” gezeigt. Mit Bildern der Katastrophe und vor allem vielen Bildern und Berichten der direkt Betroffenen und anschließendem Gespräch mit Vertreter*innen der von dem Dammbruch betroffenen Gemeinden. (Mehr Informationen in den Protokollen der AGs)
Samstagabend kam die traditionelle Party mit Caipirinhas und anderen Getränken, Musik und der Gelegenheit zum weiteren Kennenlernen und zum Gespräch.
Mística
Der Sonntag begann um 9:00 Uhr mit einer Mística. Das ist ein geistlicher Impuls, eine Messe, ein Tanz, ein Gesang, ein Schrei. „Wir haben nur uns, aber wir kämpfen.“
Ein Theaterstück wird gezeigt: eine weinende Witwe geht mit einer Freundin von Haus zu Haus. Jedes Haus ist ein Mensch, der ein Schild hält mit einer Aufschrift. Es sind fünf Häuser: Justiça, Saúde, Escola, Casa und Pão (dt.: Gerechtigkeit, Gesundheit, Schule, Haus und Brot). Sie fragt nach bei jedem: nach Brot, einer Wohnung, Bildung, Gesundheit. Überall sagt man ihr „Nein“. Sie weint, liegt ihrer Freundin in den Armen. Nur als sie bei der Gerechtigkeit anklopft, gibt man ihr einen Korb. Einen Korb, der reich gefüllt ist. Sinnbildlicher kann man es nicht zeigen: es geht nicht um Gnade, es geht um Gerechtigkeit.
Bunt bestickte Tücher liegen in der Mitte, die von Teilnehmer*innen mitgebracht wurden, von der MST, Brot für die Welt, der Initiative Marielle vive. Die Feiernden tanzen singend um sie herum. Ob mit Jesus, ob Candomblé, ob Schwarze Frauen, ob Axé oder christliche Messe, wir laufen in Gottes Licht. Es geht darum, sich gegenseitig Kraft zu geben, Stärke, Mut, Gemeinschaft, Umarmung, Trost. Lutar para esperençar. Kämpfen, um Hoffnung zu haben und zu geben.
Abschlussrunde
Zum Schluss gab es noch eine Abschlussrunde in einem Fischbowl konnte, wer wollte, konnte sich in die Mitte setzen und das Wort bzw. das Mikrofon ergreifen: Was muss noch gesagt werden! Was nehme ich mit? Was möchte ich teilen?
Eine gelungene Mischung aus Podiumsdiskussionen und Workshops, Filmvorführungen und Gruppenarbeit, Austausch, Netzwerken und Feiern.