Regierung Bolsonaro in Brasilien: Menschenrechte unter Beschuss
Seit dem offiziellen Amtsantritt von Staatspräsident Jair Bolsonaro am 1. Januar 2019 in Brasilien sind drei Monate vergangen. Auch wenn eine ausführliche Analyse über die Tätigkeiten der Regierung in Brasilien noch nicht möglich ist, sind die Kooperation Brasilien und ihre Mitglieder beunruhigt über die Situation in Brasilien. Die politische Situation ist für Aktivist*innen, linke Politiker*innen, Wissenschaftler*innen und Lesbian-Gay-Bisexual-Trans-Queer-Intersexuals / LGBTQI*s äußerst prekär und geprägt durch eine permanente Bedrohungslage. Die Sicherheitslage auf dem Land für Kleinbäuerinnen und Landlose ist weiterhin unerträglich und die Mordrate an schwarzen, armen Jugendlichen aus den Favelas weiterhin hoch.
In dieser Stellungnahme möchten wir exemplarisch auf drei alarmierende Entwicklungen hinweisen:
Der Hassdiskurs und die Verunglimpfung durch Jair Bolsonaro gegenüber linken Politiker*innen, sozialen Bewegungen oder Repräsentant*innen des Bildungssystem, welche schon eine zentrale Komponente seiner Wahlkampagne waren, werden weiterhin beibehalten und gepflegt. Die unmittelbaren Auswirkungen dieser Hassbotschaften sind schwer zu bestimmen. Seit den Wahlen im November 2018 nehmen jedoch die Angriffe und Ermordungen von Frauen zu.1 In Rio de Janeiro ist die Zahl der Tötungen durch Polizist*innen in den ersten zwei Monaten im Vergleich zum Vorjahr signifikant gestiegen.2 Die Hemmschwelle für Verbrechen gegen Frauen, LGBTQI*, Schwarze und generell Andersdenkende und -lebende scheint durch die Hasspropaganda von Bolsonaro und seinen Anhänger*innen gesunken zu sein.
Für breite Empörung sorgte die provisorische Maßnahme MP 870 vom 1. Januar 2019, die eine Neuzuweisung und Reduzierung der Funktionen von Bundesministerien festlegt. Unter anderem wurde dem von einem Militärgeneral geführten Regierungssekretariat die Aufgabe der Überwachung von NGOs und internationalen Organisationen erteilt.3 Dieser glasklare Angriff auf das zivilgesellschaftliche Engagement in Brasilien hat zum Ziel, die Anliegen und Kämpfe der NGOs und ihrer Verbündeten zu delegitimieren und ihre Unterstützungsarbeit für Indigene und Quilombolas zu verunmöglichen. Damit wird der Druck auf Akteure der Zivilgesellschaft, aber auch auf wirtschaftliche Akteure wie Banken weiter erhöht. So gibt es bereits erste Berichte von Organisationen aus dem deutschsprachigen Raum, nach denen die Überweisung aus dem Ausland an die Obdachlosenbewegung MTST von den beteiligten brasilianischen Banken behindert werden.
Die vorläufige Maßnahme MP 870 überträgt auch die Aufgabe der Identifikation und Ausweisung von indigenen Territorien an das Agrarministerium, das von der den Schutzanliegen kritisch gegenüberstehenden Lobby des Agrarbusiness dominiert wird. Die Entmachtung der Bundesbehörde für die Angelegenheiten der indigenen Völker, FUNAI, stellt eine konkrete Bedrohung für die Kämpfe der Indigenen dar. Sie verlieren nicht nur den zentralen staatlichen Partner für ihre Anliegen, sondern sehen sich auch mit einer Kriminalisierung der unterstützenden NGOs und Umweltorganisationen konfrontiert. Des Weiteren nehmen die Angriffe auf Aktivist*innen im Amazonas zu. Am 22. März 2019 wurden die Aktivistin Dilma Silva vom Movimento dos Atingidos das Barragens (MAB) und zwei ihrer Mitstreiter im Bundesstaat Pará ermordet.
Die Entwicklungen zeigen, dass die Gewalt in Brasilien auf dem Vormarsch ist. Die aktuelle Regierung fördert mit ihrem Hassdiskurs sowie ihrer Sicherheits- und Umweltpolitik die weitere Eskalation dieser Spirale. Die Leidtragenden sind die Indigenen, Quilombolas, Landlosen, Aktivist*innen von sozialen Bewegungen, Gewerkschafter*innen, linke Parlamentarier*innen, LGBTQI* und die arme, schwarze Bevölkerung der Peripherien.
Die Kooperation Brasilien fordert von der deutschen Bundesregierung:
Die Bundesregierung möge vor jeglicher Entscheidung bilateraler und multilateraler Zusammenarbeit mit der Regierung Bolsonaro deutsche und brasilianische soziale Bewegungen hören und einbinden.
Die Bundesregierung soll völkerrechtliche Staatenverpflichtungen, z.B. das Pariser Klimaschutzabkommen, einfordern und dafür Sorge tragen, dass diese uneingeschränkt beachtet werden, sowohl hinsichtlich territorialer wie extraterritorialer Verpflichtungen sowie hinsichtlich der Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards durch deutsche Unternehmen.+
Sofern der deutsche Staat in die Finanzierung von Projekten eingebunden ist – etwa auch durch Hermes-Bürgschaften –, müssen Umwelt- und Sozialstandards bindend eingefordert werden.
Beschlossen durch die Mitgliederversammlung des Kooperation Brasilien e.V. Am 30. März 2019 n Frankfurt am Main
Die Kooperation Brasilien e.V. ist ein Netzwerk an der Schnittstelle von Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, Akteur*innen der sozialen Bewegungen in Deutschland und Brasilien, wissenschaftlicher Organisationen und interessierter Öffentlichkeit. Ihr Ziel ist es, soziale Bewegungen in ihrem Engagement für eine gerechtere und nachhaltige Welt zu stärken. Dabei verdeutlicht KoBra durch politische Bildungsarbeit globale Zusammenhänge im brasilianischen Kontext.
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