Präsidentin im Amt bestätigt – jetzt kann wieder Politik gemacht werden
Auch wenn die alte und neue Präsidentin Dilma Rousseff in ihrer Ansprache nach dem Wahlsieg zu Zusammenhalt aufruft, ist die Spaltung des Landes offensichtlich. Im Norden konnte die Arbeiterpartei weiterhin viele Stimmen auf sich vereinigen. In den südlicheren Bundesstaaten sowie in den Wahllokalen Berlins und Londons hatte der Oppositionskandidat Aécio Neves die Nase vorne.
Der Wahlkampf hat das Land polarisiert. Wer die Medien im Wahlkampf verfolgte, bekam das Gefühl, dass sich die Brasilianer*innen zwischen der korrupten Regierungspartei oder den Lügenbolden der Opposition entscheiden müssten. Politische Inhalte waren in den Wahldebatten kaum zu finden. Die Fernsehdebatten wurden die von beiden Kontrahent*innen vor allem für persönlichen Schlagabtausch genutzt. Die gastgebenden Journalist*innen haben es meist nicht geschafft politische Inhalte ins Zentrum der Auseinandersetzung zu rücken.
Beispielhaft für diese Tendenz ist auch der Umgang mit dem Projekt der Reforma Política. Der Plebiszit viel mitten in den Wahlkampf Anfang September und wurde von den brasilianischen Medien größtenteils ignoriert. Diese waren damit beschäftigt, die persönlichen Skandale der Präsidentschaftskandidat*innen zu diskutieren bzw. den tragischen Tod von Eduardo Campos zu besprechen. Ohnehin haben die etablierten Medienmonopole kaum ein Interesse daran, die bestehenden Machtstrukturen zu hinterfragen – es könnte ja auch jemand auf die Idee kommen, ein neues Mediengesetz, wie beispielsweise in Argentinien geschehen, zu fordern. Aufmerksamkeit gab es eigentlich nur, als Marina Silva und Dilma Rousseff versuchten, die Forderungen nach einer politischen Reform für ihren Wahlkampf zu instrumentalisieren.
Es weckt Hoffnung, dass die wiedergewählte Präsidentin in ihrer Ansprache direkt nach dem Wahlsieg die Forderung nach einer politischen Reform bestätigte. Allerdings müsste sie dieses Projekt im konservativsten Kongress seit 1964 durchsetzen.
Es bleibt die Hoffnung, dass die sozialen Bewegungen sich nach der Stichwahl wieder auf eine gesunde Distanz zur Regierung begeben und ihre Arbeit kritisch begleiten. Die Regierung braucht eine starke soziale Bewegung mit klaren Forderungen, um progressive Projekte in den verschiedenen legislativen Kammern der brasilianischen Demokratie durchzusetzen. Ohne den Druck von der Straße fehlt der Präsidentin der Rückhalt und die politische Legitimation, um grundlegende Veränderungen anzustoßen.