IV. Massenproteste gegen Bolsonaro

Zum vierten Massenprotest gegen Bolsonaro innerhalb von zwei Monaten kamen am 24.07.2021 mehr als 600.000 Menschen in über 400 Städten zusammen. Auch außerhalb Brasiliens gab es Proteste. Das Motto der Proteste lautete: "Für Impfung, Arbeit und Unterstützung: Raus mit Bolsonaro!"
| von fabian.kern@kooperation-brasilien.org
IV. Massenproteste gegen Bolsonaro
Mídia NINJA [CC-BY-NC]

Die Proteste finden in einem angespannten Kontext statt. Mehr als 550.000 Menschen haben ihr Leben in dieser Pandemie verloren. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist von Hunger bedroht und die Arbeitslosenquote stieg auf einen Rekordwert von 14,7 %. Die Anzahl der täglichen Neuinfektionen fiel von einem Rekordwert von 350 pro Million Einwohner:innen Ende Juni auf rund 200 was aber immer noch mehr als das zehnfache des deutschen Werts darstellt. Außerdem sind die Fallzahlen aus Brasilien mit Vorsicht zu genießen weil sie stark von den durchgeführten Tests abhängt.

Für Guilherme Boulos (MTST, PSOL) wackelt der Sitz des Präsidenten mittlerweile deutlich. Das liegt vor allem daran, dass politische Gruppierungen der Mitte, die bis zuletzt die Regierung Bolsonaros gestützt hatten, mittlerweile ebenfalls für die Massenproteste mobilisieren. Zwar versucht der Regierungschef mit der Neubesetzung und Neuschaffung von Ministerien seine Unterstützer:innen bei der Stange zu halten aber die Ansprüche der Zentrumsparteien dürften nur schwierig längerfristig zu befriedigen sein.

Kurz vor den Massenprotesten forderte Bolsonaro erneut, dass in der kommenden Präsidentschaftswahl nicht das digitale Wahlsystem zum Einsatz kommen sollte sondern mit gedruckten Wahlzetteln gewählt wird. Damit zweifelt er die Integrität des Wahlystems an, dass ihn an die Macht gebracht hat. Eine Strategie die wir aus der letzten Präsidentschaftswahl in den USA noch sehr gut kennen.

Auch der in der Präsidentschaftswahl unterlegene Kandidat der Arbeiterpartei Fernando Haddad sieht in den permanenten Provokationen seitens Bolsonaros eine Schwäche und heißt alle bei den Protesten willkommen die sich gegen den Präsidenten wehren wollen. Allerdings stellt er auch klar, dass die Person Bolsonaro nur ein Kristallisationspunkt für eine größere Bewegung ist. Rund ein Viertel der brasilianischen Bevölkerung fühlt sich wohl in einem rassistischen, frauenfeindlichen und xenophoben Diskurs. Dieser Teil der Bevölkerung wird bei den kommenden Wahlen eine wichtige Rolle spielen - mit oder ohne die Person Jair Bolsonaro.

Sônia Guajajara, Präsidentin der Articulação dos Povos Indígenas (Apib) stellt fest, dass es für die Indigenen die Todesgefahr durch Angriffe von Goldgräbern und Holzfällern fast so hoch ist wie durch das Coronavirus zu sterben. Deshalb beteiligen sich viele Indigene an den Demonstrationen obwohl durch die vielen Menschen eine Ansteckung mit dem Coronavirus nicht auszuschließen ist.