Widerstand gegen Uranabbau in Nordostbrasilien
Im Juli 2008 hatte die brasilianische Regierung den Startschuss für den Uranabbau bei Santa Quitéria im Bundesstaat Ceará gegeben. Angesichts damals gleichzeitig explodierender Weltmarktpreise für Uran und Düngemittel erhoffte sich die brasilianische Bundesregierung bereits damals ein doppeltes Geschäft für Staat und Privatunternehmen. Denn in der gemischten Uran- und Phosphatmine lohnt sich die Ausbeutung dort doppelt: Das Privatunternehmen Galvani Mineração plant die geschätzten nahezu neun Millionen Tonnen Phosphat bei einem anfänglichen Produktionsvolumen von jährlich 120.000 Tonnen abzubauen, um den boomenden Agrarsektor Brasiliens mit einheimischen Rohstoffen für die Düngemittelproduktion zu bedienen. Zur Zeit importiert Brasilien noch immer rund 75 Prozent seines jährlichen Düngemittelbedarfs aus dem Ausland. Gleichzeitig soll die staatliche Atomfirma Indústrias Nucleares do Brasil (INB) in der Uranmine Itataia bei Santa Quitéria jährlich zunächst 800 Tonnen Uranoxid abbauen. Angestrebt wird die doppelte Produktion. Das gesamte Uranvorkommen der Mine soll sich - so der Präsident Atomfirma INB, Alfredo Tranjan Filho, - auf 142 Tausend Tonnen Uranoxid (U3O8) belaufen. Tranjan Filho erläuterte bei der Eröffnungszeremonie im Jahr 2008, dass der Uranabbau reibungslos und ohne Schäden für Mensch und Umwelt verlaufen werde.
Dies sehen die nun protestierenden Anwohner anders. In den vergangenen Monaten hatten die Anwohner mehrmals zu Protesten aufgerufen, um auf die Bedrohung durch den Uranabbau aufmerksam zu machen. In Santa Quitéria entwickelt sich der Widerstand gegen den Uranabbau zunehmend. Dies hat auch mit den Medienberichten vom vergangenen Jahr über die Proteste der Anwohner der einzigen im Betrieb befindlichen Uranmine Lateinamerikas bei Caetité im nordostbrasilianischen Bundesstaat Bahia zu tun. Dort hatten im Mai 2011 mehr als 3.000 Anwohner einen aus São Paulo kommenden Atomtransport über mehrere Tage erfolgreich blockiert. Die Anwohner hatten damals die Hauptzufahrtsstraße zu der auch unter dem Namen "Lagoa Real" berüchtigten Uranmine versperrt und so Verhandlungen seitens der staatlichen Atomfirma INB und der Behörden erzwungen. Einer Untersuchung von Greenpeace aus dem Jahre 2008 zufolge, verseucht die Mine Lagoa Real das Trinkwasser von 3.000 Menschen der Region von Caetité bis zu siebenfach über den Grenzwerten mit Uran.
In Brasilien werden enorme noch unerschlossene Uranvorkommen vermutet. Das Land rüstet sich derweil für den massiven Ausbau seiner Uranproduktion. Brasilien verfügt derzeit über die sechstgrößten Uranvorkommen der Welt, wobei erst ein Drittel der Landesfläche untersucht wurde - und diese Untersuchungen basieren auf Erhebungen aus der 1970er Jahren. Im Jahre 2008 erklärte der Präsident der Brasilianischen Nuklearvereinigung (ABEN), Francisco Rondinelli, Brasilien könnte über die zweitgrößten Uranreserven der Welt verfügen. "Wir haben bereits 310.000 Tonnen entdeckt, die für 25 weitere produktgleiche Atomkraftwerke wie Angra 2, bei einer Betriebsdauer von 60 Jahren, reichen würden", hob er im Juni 2008 stolz hervor. Das dritte derzeit im Bau befindliche Atomkraftwerk Brasiliens, Angra 3, soll nach Willen der deutschen Bundesregierung mit einer Exportkreditbürgschaft in Höhe von 1,3 Milliarden Euro abgesichert werden.
Obwohl Brasilien die gesamte Produktionskette von Uranabbau und Anreicherung technologisch beherrscht, erfolgt diese noch nicht auf industrieller Großproduktion. Bislang verarbeitet Brasilien pro Jahr die 400 Tonnen Uran aus der Mine Lagoa Real/Caetité im Bundesstaat Bahia zu so genanntem "Gelbkuchen" ("yellowcake") und verschifft diesen nach Kanada zur Weiterverarbeitung zu Uranhexafluorid (UF6) durch die kanadische Firma Cameco. Das UF6 wird von dort zur Anreicherung und Verarbeitung zu gasförmigen Urandioxid (UO2) nach Europa zur britisch-niederländisch-deutschen Urenco, unter anderem in das westfälische Gronau zur dortigen Urananreicherungsanlage, geschickt. Die Brennstäbe für die brasilianischen Atomkraftwerke werden unter anderem auch in der Brennelementefabrik im niedersächsischen Lingen gefertigt, bevor sie dann in Brasilien, in den beiden Reaktoren im Atomkomplex Almirante Álvaro Alberto in Angra dos Reis im Bundestaat Rio de Janeiro, zur Stromgewinnung eingesetzt werden.