Verfassungsgerichtsklage gegen Angra 3 in Brasília und Proteste gegen Hermesbürgschaft in Berlin
Hintergrund der Verfassungsklage der Anwaltsvereinigung gegen den Bau von Angra 3 liege in der fehlenden Kongresszustimmung zum Bau des Atomkraftwerks, so die Anwaltsvereinigung OAB. Als der Bau von Angra 3 in den 1970er Jahren, zur Zeit der Militärdiktatur, beschlossen wurde, reichte formal die Regierungsentscheidung aus. Der Kongress, kritisiert die Anwaltsvereinigung, war nie beteiligt worden. Wenn die Regierung nun aber die Mitte der 1980er Jahre unterbrochenen Bauarbeiten wieder aufnehmen lasse, so ergebe sich eine neue Sachlage, die vor dem Hintergrund der im Jahre 1988 verabschiedeten brasilianischen Verfassung die Zustimmung der beiden Kammern des Kongresses verpflichtend mache, so die OAB.
Währenddessen kam es auch in der deutschen Hauptstadt zu Protesten gegen das AKW Angra 3, organisiert von den Organisationen campact und urgewald . Vor dem Kanzleramt in Berlin versammelten sich schätzungsweise 50 Atomkraftgegner, um gegen die Hermes-Exportkreditzusage der deutschen Bundesregierung für den Bau des AKW Angra 3 zu protestieren. Die Demonstranten hatten 125.000 Unterschriften gesammelt, um von der Bundesregierung die Rücknahme der Finanzierung des brasilianischen Risikoreaktors Angra 3 einzufordern. Im Juli muss das Bundeskabinett erneut über eine Verlängerung der Grundsatzzusage des Exportkredits über die Bürgschaft von 1,3 Milliarden Euro entscheiden.
Brasiliens staatliche Entwicklungsbank Banco Nacional de Desenvolvimento Econômico e Social (BNDES) hatte erst am 27. Juni die erste Kreditzahlung für den Bau des umstrittenen Atomkraftwerks Angra 3 an Eletrobrás Termonuclear S.A. - Eletronuclear in Höhe von 200 Millionen Reais (umgerechnet 88 Millionen Euro) überwiesen. Dies hatte der staatliche Energiekonzern Eletronuclear auf seiner Internetseite berichtet.
Die Entwicklungsbank BNDES plant für Angra 3 insgesamt 6,1 Milliarden Reais (umgerechnet 2,7 Milliarden Euro) zur Verfügung zu stellen. Angra 3 soll insgesamt 9,9 Milliarden Reais (umgerechnet 4,38 Milliarden Euro) kosten, von denen 75 Prozent von brasilianischer Seite als Kredit zur Verfügung gestellt werden sollen. Die Eletrobras bringt Eigenmittel in Höhe von 890 Millionen Reais ein.
Erst im März dieses Jahres war bekannt geworden, dass das brasilianische Atomkraftwerk Angra 2 seit Inbetriebnahme im Jahre 2000 ohne entsprechende Betriebsgenehmigung läuft. Dies hatte die Tageszeitung Correio Braziliense in ihrer Ausgabe vom 23. März berichtet . Das von Siemens/KWU gebaute Angra 2 habe demnach nur die Genehmigung für die Betriebsaufnahme (Autorização de Operação Inicial - AOI), aber nicht die Genehmigung für den dauerhaften Betrieb (Autorização de Operação Permanente - AOP). Der Reaktor Angra 1 verfüge über diese von der nationalen Nuklearenergiekommission Cnen erteilte Genehmigung, der Reaktor Angra 2 aber nicht.
Atomanlagen müssen in Brasilien zunächst durch die Bundesumweltbehörde Ibama genehmigt und dann durch die nationale Nuklearenergiekommission Cnen autorisiert werden. Dies sei aber, so der Correio Braziliense, nie geschehen. Angra 2 habe im Jahr 1999 eine Einjahresgenehmigung von der Ibama für den Testbetrieb erhalten. Im Jahre 2000 wurde demnach eine neue temporäre Genehmigung erteilt, aber auch in dieser fehlt die Bestätigung für die definitive Betriebsgenehmigung.
Der Correiro zitiert die auf Anfrage bei Ibama erteilte Auskunft über die aktuelle Situation des AKW am Strand des "faulen Steins" als: "Betriebsgenehmigung ausgelaufen". Die Nuklearbehörde Cnen hingegen sieht das Problem bei Ibama: Das Umweltamt müsse zuerst die Umweltprüfung abschliessen, erst dann könnte die Behörde Cnen ihrerseits die Genehmigung erteilen. Dies ist in den letzten zehn Jahren nicht geschehen. Und Angra 2 produziert weiter ungehindert und ohne Genehmigung Elektrizität – und Atommüll für die nächsten Jahrtausende.