Angra 3 Gutachten: viel Lärm um nichts?
Seit September letzten Jahres reagiert das Wirtschaftsministerium auf alle kritischen Fragen mit dem Verweis auf das Gutachten, das diese beantworten solle. Doch das Gutachten vom Institut für Sicherheitstechnologie (ISTec) für Areva lässt viele Fragen offen: Zur Einhaltung der Auflagen machen die Gutachter klar, dass sie nur überprüft haben, ob der brasilianische Betreiber Eletronuclear tätig geworden ist und der Genehmigungsbehörde Unterlagen geschickt hat. Sie erklären jedoch explizit, dass sie keine inhaltliche Prüfung der in den Unterlagen enthaltenen fachlichen Aussagen gemacht haben. Das sei Aufgabe der zuständigen Behörde, von der es in den meisten Fällen noch keinerlei Rückmeldung gibt.
Zur Überarbeitung der Sicherheitsanalyse für Angra 3 stellen die Gutachter fest, dass dazu keine neueren Daten vorliegen, beziehungsweise eine neue probabilistische Sicherheitsanalyse erst im Juli 2013 fertiggestellt werden soll. Dabei war eines der gravierenden Probleme, die Gutachten im Auftrag der Umweltorganisationen urgewald und Greenpeace im März aufdeckten, dass für die Sicherheitsanalyse Angras Daten des AKW Biblis verwendet wurden. „Das Wirtschaftsministerium hatte versprochen, dass das ISTec Gutachten auch auf unsere Kritikpunkte eingehen würde. Das ist jedoch nicht geschehen, obwohl es um massive Sicherheitsbedenken ging“, erklärt Regine Richter, Energieexpertin der Umweltorganisation urgewald
Zu den Lehren aus Fukushima verweist das Gutachten komplett auf einen brasilianischen Stresstest, der im Sommer fertiggestellt werden und Fragen nach Erdbeben, Hochwasser, Stromversorgung und anlageninternem Notfallschutz beantworten soll. Gleichzeitig erklären die Gutachter, dass Eletronuclear ursprünglich keinen Stresstest für Angra 3 vorgesehen hatte. „Es ist gefährlich, wenn nun die Bewertung des Projektes davon abhängig gemacht wird, wie eine Untersuchung ausfällt, die nur widerwillig und auf internationalen Druck hin durchgeführt wird“, so Richter. Wie halbherzig in Brasilien auf Sicherheitsbedenken reagiert wird, macht urgewald auch daran fest, wie die unzureichenden Evakuierungspläne überarbeitet werden sollen. „Nun sollen als alternative Fluchtwege ‚zweitrangige Straßen und Fußwege’ gekennzeichnet werden – das ist absurd“, urteilt Barbara Happe, Brasilienexpertin von urgewald. „Außerdem ist die Evakuierung der Bevölkerung nur im Umkreis von 5 km um Angra 3 vorgesehen, obwohl die Atomkatastrophe in Fukushima gezeigt hat, dass dieser Radius viel zu klein ist“, so Happe.
Für urgewald sind die Konsequenzen aus dem Gutachten klar: „Aktuell sagt das Wirtschaftsministerium, dass der brasilianische Stresstest abgewartet werden soll, bevor endgültig über die Bürgschaft entschieden wird. Sie sollte aber besser zu ihren eigenen Worten stehen. Die Bürgschaft wurde daran geknüpft, dass das ISTec-Gutachten Sicherheitsfragen zufriedenstellend beantwortet. Das hat es nicht getan. Damit sollte man sich nun endlich von der Bürgschaft verabschieden, statt das Elend weiter hinzuziehen“, sagt Richter.
Kontakt:
Heffa Schücking, urgewald, 0160-96761436
Regine Richter, urgewald, 0170-2930725
Barbara Happe, urgewald, 0172-6814474
Hintergrund:
Um deutsche Exporte zu fördern, vergibt die Bundesregierung sogenannte "Hermesbürgschaften". Diese schützen die Exporteure wie eine Versicherung vor der Zahlungsunfähigkeit ihres Kunden. Sie sollen den Exporteuren helfen, neue Märkte, vornehmlich in Entwicklungs- und Schwellenländern, zu erschließen. Die Bundesregierung hat im Februar 2010 Areva eine Grundsatzzusage für eine Bürgschaft über 1,3 Milliarden Euro für den Bau von Angra 3 gegeben. Diese Grundsatzzusage ist noch nicht in eine endgültige Bürgschaft umgewandelt worden. Umweltorganisationen setzen sich dafür ein, dass dies nach Fukushima nicht geschieht. Im März veröffentlichten urgewald und Greenpeace zwei Gutachten. Die Gutachten zum Sicherheitsniveau des Atomkraftwerkes Angra 3 wurden erstellt von Professor Dr. Célio Bermann vom Institut für Elektrotechnik und Energie der Universität von São Paulo, und Dr. Francisco Correa, früher ebenfalls Professor am gleichen Institut und heute freier Consultant. Herr Correa hat als technischer Consultant schon zahlreiche Studien für die brasilianische Umweltbehörde IBAMA erstellt, u.a. auch im Genehmigungsverfahren zu Angra 3. Sie wiesen auf gravierende Probleme bei Evakuierungsplänen, Konzeption der Anlage und der probabilistischen Sicherheitsanalyse hin.
Quelle: Urgewald