Der Zusammenbruch der brasilianischen Demokratie
Die Krise führte zur Amtsenthebung einer demokratisch gewählten Präsidentin im August und geht mit immer größeren Rückschritten auf eine Einschränkung der Bürgerrechte zu. Bei der Absetzung Dilma Rousseffs wurden gesetzliche Spitzfindigkeiten angewendet, die dem Amtsenthebungsverfahren das Aussehen der Rechtmäßigkeit verliehen. In Wirklichkeit sind sie weit entfernt von dem eigentlichen Sinn des Gesetzes bzw. des sogenannten „Verbrechens der Verantwortung“, das Rousseff vorgeworfen wird. Im brasilianischen Präsidialsystem ist das Staatsoberhaupt auch der Regierungschef, der ausschließlich durch Direktwahl gewählt wird. In Brasilien gibt es die Misstrauensvotum nicht, wie in parlamentarischen Regierungssystemen, in denen die Regierung z.B. aufgrund wechselnder Koalitionen abgesetzt werden kann. Aus diesem Grund kann man sagen, dass das Amtsenthebungsverfahren in Brasilien ein parlamentarischer Putsch war, der von der größten brasilianischen Partei, PMDB, dem Gerichtssystem und den großen privaten brasilianischen Medien angezettelt wurde.
Die diesen Putsch leitende Agenda hat auch nichts mit der Bekämpfung von Korruption oder der Stärkung der demokratischen Institutionen zu tun. Es handelt sich um eine Aktion zur Untergrabung der Politik der letzten 13 Jahre, in der die Umverteilung einen hohen Stellenwert besaß und die versuchte, ungerechte brasilianische Entwicklungen zu verändern. Wie wir in diesem Text sehen werden, besteht die neue Regierung aus einem Kabinett, in dem gegen mehrere Politiker wegen Korruption ermittelt wird. Der Plan dieser Regierung ist eine Umkehr der Prioritäten, für die sich die Menschen bei der Präsidentschaftswahl im Jahre 2014 entschieden haben. Dies ist ein deutlicher Wahlbetrug. Dieser parlamentarische Putsch in Brasilien ist nicht nur wegen der Tat selbst bedenklich, sondern weil die öffentliche Meinung in Brasilien und im Ausland verwirrt ist und das Ganze nicht als Putsch wahrgenommen wird. Da die politischen Ereignisse für die Menschen nicht ganz klar sind, instrumentalisieren die Protagonisten des Putsches ihre Berichterstattung in der Öffentlichkeit, um diesen Putsch zu legitimieren. Dadurch schaffen sie Möglichkeiten, um die verfassungsmäßigen Rechte und die demokratische Souveränität weiter zerstören zu können.
Schatten über der Demokratie
Ein demokratisches System ist durch die Existenz einer öffentliche Sphäre geprägt, in der bürgerliche Freiheiten autonom ausgeübt werden können. Dadurch werden tyrannische Tendenzen des politischen und wirtschaftlichen Systems verhindert bzw. abgeschwächt. Aber die öffentliche Meinung, die über eine moralische Autonomie verfügt, braucht unabhängige Wiedergabemechanismen. Diese kann man nur erreichen, wenn sowohl Medienvielfalt als auch politische Gleichheit und Überwachung des Gerichtssystems herrschen.
Eine der Eigenschaften des nach 1988 entstandenen brasilianischen demokratischen Systems besteht darin, dass all die Voraussetzungen, die wesentlich für die Bildung einer autonomen öffentlichen Meinung sind, nicht ausreichend umgesetzt wurden. Die 21-jährige militärische Diktatur (1964-1985) verteilte die TV-Sender- und Radiolizenzen in Brasilien gegen Ende des Regimes an ihre politischen Verbündeten.
Insbesondere eine Medienfirma spielt die Rolle einer Holding in ein System, in welches politische und wirtschaftliche Organisationen sich in eine Art Interessenkonsortium artikulieren" Globo ist ein riesiges Medienkonglomerat und gilt als der viertgrößte Medienkonzern der Welt. Es handelt sich um einen Konzern, der sich nicht wegen journalistischer Autonomie und Glaubwürdigkeit in Bezug auf das politische und wirtschaftliche System konsolidierte, sondern aus den gegenteiligen Gründen: Seine Entstehung, sein Wachstum und seine oligopolistische Konsolidierung lassen sich ausschließlich durch privilegierte Beziehungen/Verflechtungen mit der Diktatur erklären. Von Anfang an und im Laufe der Diktatur unterstützte Globo das Regime und half dabei, es zu legitimieren. Dafür bekam der Konzern Zahlungen durch Staatsaufträge. Der Marktzugang anderer Wettbewerbsunternehmen wurde durch die Regierung verboten.
Globo ist der Kopf eines aus mehreren kleineren örtlichen Sendestationen bestehenden Systems. Sie liegen in allen Bundesländern und gehören führenden konservativen Politikern, die Schlüsselpositionen im Nationalkongress besetzen. Sie nutzen die Zuschauer der Globo-Fernsehprogramme, um die Volksmeinung in den jeweiligen Regionen zu beeinflussen. Dadurch können sie sich wegen einer instrumentalisierten journalistischen Berichterstattung einen enormen Vorsprung in den Wahlkämpfen verschaffen. Dafür schützen die Politiker die gewerblichen Interessen des Konzerns, indem sie jede Gesetzesregelung verhindern, die auf die Entflechtung des Konzerns abzielt oder eine Öffnung des Kommunikationsmarkts ermöglichen würde. In der Tat funktioniert der Konzern Globo wie ein interfraktioneller koordinierender Mechanismus, der über eine große parlamentarische Vetomacht verfügt. Trotz des Endes der militärischen Diktatur besteht ihr Hauptinstrument der ideologischen Organisation und politischen Legitimation fort. Damit wird sichergestellt, dass die brasilianische Demokratie keine Unabhängigkeit von denselben politischen und wirtschaftlichen Interessen erreicht, die die damalige Diktatur unterstützt hat.
Durch den Anstieg an Internetnutzern, die Nachrichten, Spielfilme und Serien z.B. bei Google und Netflix konsumieren, muss Globo neue kommerzielle Herausforderungen bewältigen. Trotzdem beherrscht der Konzern noch den größten Anteil der Einschaltquoten in Brasilien. Durchschnittlich 40% der brasilianischen TV-Zuschauer schalten diesen TV-Sender ein. Seine Beteiligung an den gesamten brasilianischen Werbeeinnahmen ist noch beeindruckender. Aus konservativen Quellen stammende Einschätzungen weisen darauf hin, dass dem Globo-Konzern 60% der gesamten brasilianischen Werbeeinnahmen gehören. Der Grund dafür sei das Kopplungsgeschäft mit Werbeagenturen (die sogenannte brasilianische AE-Provision).
Durch diese oligopolistische Kontrolle des Marktes lässt sich die heimtückische Fähigkeit zur Ausrichtung der Berichterstattung des brasilianischen Journalismus vonseiten eines einzigen Konzerns feststellen. Daneben gibt es in Brasilien kein Gesetz für das Recht auf Gegendarstellung im Fall tendenziöser Nachrichten. Deshalb beeinflussen diffamierende Medienkampagnen BrasilianerInnen und brasilianische Institutionen und verbreiten Angst und Selbstzensur. Auf diese Art und Weise schrecken sie Initiativen zur Ausübung eines professionellen Journalismus ab. Die Forschungsdaten von dem Labor der Medienwissenschaften und Öffentlichkeit (LEMEP)[1], einer zum brasilianischen Institut für soziologische und politische Studien der Universität vom Bundesland Rio de Janeiro gehörenden Website, weisen darauf hin, dass die brasilianischen Hauptmediengruppen, einschließlich Globo, eine homogene politische und fraktionelle Bevorzugung haben. Diese spiegelt sich nicht nur in redaktionell expliziten Aussagen wider, sondern auch voreingenommene Nachrichtenrahmen, die die Wahrnehmung der öffentlichen Meinung über strategische Themen mit den Nachrichten ausrichten.
Korruptionsskandale als politische Waffe
Wie man in letzter Zeit verstärkt beobachten kann, gibt es Korruption ebenso häufig im politischen System und in den öffentlichen Institutionen wie auch in der Welt der Privatwirtschaft. Während die massiven Skandale um Finanzbetrug in den Vereinigten Staaten um die Subprime-Krise herum von Presse und Regulierungsbehörden als Produkt moralischen Handelns und guter Absichten qualifiziert wurden, werden die Korruptionsfälle im politischen System und in staatlichen Institutionen oft als Ausgeburt eines moralisch böswilligen, perversen Mechanismus dargestellt. Die einzigen Lösungen für dieses Problem sind Abbau, Privatisierung und einen “angeblich moralisch-neutrale und sachlich-effiziente“ Managerialismus.
Die Korruption ist in der Tat ein perniziöses Phänomen, das welches deshalb verhindert werden soll. Aber die Rede von seiner Bekämpfung dient anderen Interessen, die eigentlich nichts mit der Stärkung der republikanischen Institutionen, der Demokratie, der Gerechtigkeit oder mit distributiver öffentlicher Politik zu tun haben. In Brasilien ist die Korruption kein ärgeres oder pathologisch gravierenderes Phänomen als in anderen Ländern. Die Vergleichsforschung darüber leidet noch an methodischen und bewertenden Problemen. Trotzdem ist die Korruption in Brasilien ein Mittel, das die Massenmedien nutzen, um demokratisch gewählte Regierungen abzusetzen und Regierungsprogramme der abgesetzten Präsidentschaft komplett zu zersetzen. Die Demokratie in den 20 Jahren vor dem militärischen Putsch im Jahr 1964 wurde geprägt von drei Putsch-Versuchen, die mit einer Antikorruptionsrethorik der Medien begründet wurden. Der eine führte zum Selbstmord des im Jahr 1954 gewählten Präsidenten (Getúlio Vargas), der zweite scheiterte im Jahr 1955 (Juscelino Kubitschek), und der dritte hatte den 20-jährigen militärischen Putsch zur Folge (João Goulart). Da die militärische Diktatur durch die Medien unterstützt wurde, war die Zensur institutionell. Keinerlei negativen Regierungsereignisse, insbesondere Korruptionsfälle, wurden verkündet. Die 27-jährige demokratische Periode nach der Diktatur wies ebenso drei Putsch-Versuche auf, die gleichfalls durch eine Antikorruptionsrethorik der Medien begründet wurden. Der erste war im Jahr 1992 und verursachte den Rücktritt des Präsidenten (Fernando Collor); der zweite im Jahr 2005 scheiterte (Lula); der letzte im Jahr 2016 gelang (Dilma Rousseff). Aber der Senat, der die Absetzung Rousseffs zusprach, schaffte die politischen Rechte der abgesetzten Präsidentin nicht ab. Dadurch erkannte er an, dass Rousseff kein Verbrechen der Verantwortung begangen hat und ließ die politische Motivation für ihre Verurteilung erkennbar.
Die politische Krise, die Brasilien seit 2014 erschüttert, ist also weder neu in der Geschichte des Landes noch ist deren Zweck wirklich moralisch begründet. Das Neue diesmal ist, dass anstatt einer bewaffneten Intervention der Armee die Medien neue institutionelle Rächer auswählten: Die Gerichtsakteure. Der politische Aktivismus der Justiz und deren kontroverse Innovationen fingen im März 2006 an, als der Generalstaatsanwalt Brasiliens eine Anklage erhob, die zu der Strafklage 470 führte. Von diesem Zeitpunkt an begann der Aufbau der institutionellen Legitimationsmechanismen, die veranlassten, dass die Justiz vom System des Putsches verschlungen werden konnte. Die Hauptinnovation bestand aus dem sogenannten “Recht in Bewegung”, d.h. die Etablierung von Ausnahmen aufgrund von Interpretationen des geltenden Rechts, die auf dem Konzept von Sonderfällen basieren – dasselbe Rechtsmittel, das die Nationalsozialisten in Deutschland nutzten, um den unsäglichen Maßnahmen, die ihre Diktatur konsolidierten, den Anschein der Rechtmäßigkeit zu verleihen. Es ist hierbei wichtig zu erläutern, dass diese politische Involvierung der Justiz ohne die Wirtschaftskrise nicht möglich gewesen wäre, mit einer unmittelbaren Auswirkung auf das materielle Wohl der Bevölkerung und einer großen Medienkampagne zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Diese Kampagne vermittelte die Idee einer demiurgischen Neugründung der Republik. In den Jahren 2015 und 2016 wurden diese beiden Voraussetzungen völlig erfüllt. Zum einen durch die Ausrichtung der Medienberichte zur Petrobras-Affäre, die durch die oligopolistische Medienkonzentration erleichtert wurde, und zum anderen durch die hohe Arbeitslosenquote. Diese wurde durch die rezessive Finanzpolitik im ersten Regierungsjahr Rousseffs selbst verursacht.
Der Prozess wurde begonnen und angeführt vom brasilianischen Obersten Bundesgericht, mittels einer willkürlichen Anwendung der „Theorie der Tatsache und Theorie Domäne der objektiv-subjektiv” (entwickelt von Claus Roxin)[2] geführt. Seine Theorie wurde durch den brasilianischen Obersten Bundesgericht angewandt, um Korruptionsaffäre bezüglich der privaten und nicht angemeldeten Wahlkampffinanzierung, die gegen die Arbeiterpartei PT im Jahr 2005 (bekannt als Strafklage 470) zu legitimieren. Diese Affäre wurde als ein Phänomen der Prädation des staatlichen Vermögens” öffentlichen beschrieben, und erfolgte durch die niemals bewahrheitete Vorwürfe über die Nutzung von staatlichen Geldern, mit denen die Abgeordneten bei strategischen Regierungsabstimmungen bestochen worden sein sollen.
Der deutsche Jurist erklärte aber in einem Interview in brasilianischen Tageszeitungen, dass er keinen spezifischen Einsatz seiner Theorie für die Begründung von Verurteilungen ohne Beweise erkannt habe. Infolgedessen hätten die Obersten Bundesrichter seine Theorie falsch angewandt, weil beispielsweise die Strafklage 470 eine große Anzahl Angeklagter für schuldig erklärt hat.[3]
Die PT-Parteiführer gestanden die Benutzung der privaten und ungemeldeten Wahlkampffinanzierung, was eine weit verbreitete Praxis im Parteiensystem war, das die Lobbygeschäftsinteressen zu verschleiern dient. Ein strafbarer Verstoß, der alle Parteien betroffen hätte, wurde zu einem riesigen politischen Skandal aufgebauscht, als ob er von PT erschaffen worden wäre. Diese Affäre wurde durch eine enorme Medienkampagne zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung als “Korruptionssystem zur Sicherung der Macht“ bezeichnet. Diese individuelle Sühne der gemeinsamen Sünden verschaffte Erleichterung in dem brasilianischen Parteiensystem, und ergab sich daraus eine Nebelwand, die eine ernsthafte Diagnose der institutionellen Ursachen für diese Form der Wahlkampffinanzierung verhinderte. Daneben hinderte sie auch daran, dass die Praxis selbst an seinen Wurzeln bekämpft wurde.
Da die Verurteilung wegen der privaten und ungemeldeten Spenden PT von den anderen Parteien im Rahmen der Kampagne der öffentlichen Meinung gegen Korruption nicht unterschieden würde, erhob der Berichterstatter der Strafanklage 470 im Obersten Bundesgerichts, und ehemaliger Minister Joaquim Barbosa, eine Strafanklage gegen PT ohne Beweise, weil er die Staatsmittel zur Bestechung Parlamentarier verwendet hätte.[4] Diese Strafanklage löste ein politisches Problem für die Interessengruppen, die den Putsch in Brasilien seit der Krise im Jahr 2005 anstachelten: das journalistische Narrativ vom "größten Korruptionsskandal" schützte das ganze Parteiensystem und dessen Praktiken der illegalen geschäftlichen Finanzierung. Wäre der Obersten Bundesgericht ausschließlich bei den Tatsachen geblieben, wären ihm zwei Möglichkeiten zur Verfügung gestanden: entsprechende Strafmaßnahmen gegen alle Parteien zu verhängen; oder die Verurteilungen zu innovieren (wie er es gegen die PT machte), und damit hätte er das ganze brasilianische Parteiensystem durch Verurteilung aller Parteispitzen ausgelöscht. Aber das Oberste Bundesgericht blieb nicht bei den Tatsachen. Und obwohl die Ministern des Obersten Bundesgerichts selbst die Anklagen gegen PT inkonsistent abtaten, wurde die PT-Parteispitze mit schweren Strafen verurteilt und aus dem politischen Wettbewerb ausgeschlossen. Eine Ministerin des Obersten Bundesgerichts, Rosa Weber, gab sogar an einem Verhandlungstag zu, dass sie trotz Beweismangel einen Angeklagten verurteilen würde, weil die Rechtsliteratur ihr dies erlaube. Doch es wurde täglich im Fernsehen darüber berichtet und die Medien instrumentalisierten die Narrative zu einer Vorverurteilung. Damit machten sie die Verurteilung zu einem politisch ausweglosen Ereignis.
Die Theorie der Tatsache wurde dazu angewandt, die aus Beweismangel erfolgte Verurteilung der PT-Spitze zu begründen. Und dies war der erste Schritt einer großen Medienkampagne zur Dekonstruktion des Ansehens dieser Partei. Es handelt sich um einen ersten Anwendungsfall des “Rechts in Bewegung”, weil das Gericht selbst eine willkürliche Entscheidung traf, als es unter Missachtung des Gesetzes Angeklagte verurteilte und nicht den gleichen Beschluss für weitere in ähnliche Straftaten verwickelte Politiker fasste. Dies setzte zum ersten Mal die Bestrafung gegen die Menschen und nicht gegen die Straftat in Gang. Es wurde das Feindstrafrecht etabliert. Die Abschaffung bestimmter Gesetze der individuellen Menschenrechte wurde im Namen eines vermeintlichen Kampfs gegen echte oder erfundene Staats- oder Gesellschaftsgefahren legitimiert.
Bevor der Petrobras-Korruptionsskandal im Jahr 2014 ausbrach, hatte es bereits einen Rückgriff auf die Ereignisse von 2005 gegeben. Die Berichterstattung, um die PT als die korrupteste Partei in der Geschichte Brasiliens darzustellen, die unaufhörlich durch die Medien durchgeführt wurde, hatte einen bequemen Platz in der öffentlichen Meinung, parat sich zu vermehren. Die Techniken der täglichen Skandalmacherei zur politischen Destabilisierung waren bereits vorhanden. Die Justiz, die darauf vorbereitet war, eine demiurgische Haltung gegenüber dem politischen System einzunehmen, fand in den oligopolistischen Medien den richtigen Partner. Diese waren nämlich bereit, für die Medienpräsenz ihrer institutionellen Rächer zu sorgen. Präsident Lula da Silva und seine Nachfolgerin Dilma Rousseff ernannten über ein Jahrzehnt lang die Oberstaatsanwälte nach korporatistischen Wünschen der Generalstaatsanwaltschaft Brasiliens. Dadurch trugen die beiden Präsidentschaften zu einer Veränderung der Generalbundesanwaltschaft hin zu einem Organ bei, das nicht nur bürokratische und institutionelle Unabhängigkeit besaß, sondern auch politisch-parteiische Bevorzugungen ohne institutionelles Gegengewicht. Lula da Silva und Rousseff verzichteten auf ihr Verfassungsrecht der politischen Berufung dieser Behördenleitung, die zum Ausgleich einer mit außergewöhnlicher Autonomie und geringer Haftbarkeit ausgestatteten Behörde vorgesehen sind.
Der Mechanismus des Putsches
Der Petrobras-Skandal war eine typische systematische Korruptionsaffäre, die sich von Mitte 1995 an über mehrere Regierungsperioden erstreckte und alle politischen Parteien und ihre Beziehungen mit Bauunternehmen begünstigte. Die in diese Affäre verwickelten ehemaligen Unternehmensführer und Broker legten Details über die Geschäfte von Schmiergeldern offen, die keine brasilianische Partei verschonten. Kurz, die durch Petrobras beauftragten Bauunternehmer bezahlten die politischen Paten der Vorsitzenden des staatlichen Ölkonzerns. Dafür begünstigten sie die Unternehmer beim Abschließen öffentlich-rechtlicher Verträge über Dienstleistungen für Petrobras gegenüber anderen Mitbewerbern. Petrobras ist ein staatlicher Erdöl- und Gaskonzern, mit einem riesigen Umsatzvolumen, der Milliarden-Aufträge an Zulieferer vergibt. Es handelt sich um das Objekt der Begierde von sowohl privaten als auch staatlichen räuberischen Gruppen. Die wichtigsten Parteipartner, die die Grundlage jeder Regierungskoalition bilden, beeinflussen die Berufung der Konzernführung. Die für diese Stellen jeweiligen Geschäftsleiter sind jedoch notwendigerweise Aufstiegsmitarbeiter der Firma, d.h. die “Compliance”-Struktur geht mit hohen und weltweit anerkannten Standards einher. Der brasilianische Ölkonzern führt technologisch in der Offshore-Förderung von Erdöl und Erdgas in tiefen Gewässern und vor zehn Jahren überraschte er die Welt mit der Entdeckung von enormen Gas- und Ölfeldern in der Pre-Sal-Schicht der brasilianischen Küste.
Die Bekanntgabe des Falls wird seit 2013 durch den Justizapparat und die Generalbundesanwaltschaft ermittelt. Diese Ermittlung rechnet aber mit einer ungewöhnlichen Autonomie im Vergleich zu anderen ähnlichen Fällen in der Landesgeschichte. Nach der Wiederwahl Rousseffs im Oktober 2014 wurde der Fall zu einer Waffe zum Sturz der Regierung. Doch es wurden keine Beweise für die Beteiligung der Regierung an der Petrobras-Affäre gefunden. Die Auflistung der Beteiligten enthielt ausschließlich zwei PT-Anhänger, die aus der Partei ausgeschlossen wurden. Diese Schlussfolgerung ist durch die Enthüllung der Panama Papers bestätigt worden, in denen die Namen von 57 brasilianischen Politikern aufgedeckt wurden, die in Geldwäsche durch Offshore-Unternehmen verwickelt waren. Darunter waren Mitglieder fast aller Parteien: PDT, PMDB, PP, PSD, PSDB und PTB, nicht aber aus der PT. Die mMeisten dieser Parteien waren Teil der Regierungskoalition Rousseffs. Die Schwierigkeiten, die Regierung juristisch in die Petrobras-Affäre zu verwickeln, lassen sich ebenfalls durch die Begründung der Amtsenthebung der Präsidentin Rousseff nachweisen. Anders als man sich vorstellen könnte, hatte die juristische Begründung für diesen parlamentarischen Putsch nicht das geringste mit den in der Petrobras-Affäre begangenen Straftaten zu tun. Rousseff wurde vorgeworfen, staatliche Banken-Fonds genutzt zu haben, um während der Finanzkrise ihre Politik im Rahmen der Wohnungsbauprogramme und Agrarsubventionsfonds weiter zu verfolgen: eine antizyklische Fiskalstrategie, um das Land gegen die internationale finanzielle Instabilität zu schützen. Aus juristischer Sicht ging es um ein buchhalterisches Vorgehen zwischen unterschiedlichen Regierungsebenen zur Angleichung der Zahlungen. Solches Handeln wurden vom Rechnungshof niemals zuvor als ordnungswidrig betrachtet. Dennoch wurde dies zum Deckmantel der Begründung der politischen Amtsenthebung Rousseffs.
Neben der gerichtlichen Entwicklung der Operation Lava-Jato (wörtl.: Hochdruckreiniger) zur Aufklärung der Korruptionsskandale begann die PMDB (Partei der Brasilianischen Demokratischen Bewegung), die Teil der Regierungskoalition war und von den Korruptionsermittlungen am stärksten betroffen war, nach der Wahl im Jahr 2014 ihre Verhandlungsmacht auszuüben und sich gegen Rousseff zu verschwören. Auf diesem Weg wollte sie die Regierung erpressen, um mehr Posten in den Ministerien zu besetzen. Mit der Wahl im Jahr 2014 gab es eine Veränderung der Zusammenstellung des Nationalkongresses durch die Vergrößerung der konservativen Fraktionen. Dies gab der PMDB großen Spielraum und hatte die Wahl des ehemaligen Abgeordneten Eduardo Cunha zum Präsidenten der Abgeordnetenkammer zur Folge. Er war einer derjenigen Protagonisten, die diesen parlamentarischen Putsch ermöglichten. Er wurde später von der Generalstaatsanwaltschaft wegen Geldwäsche angeklagt und von einem Amtsenthebungsverfahren in der Ethikkommission des Nationalkongresses bedroht. Er verlangte die bedingungslose Unterstützung von der PT-Regierung, um die Amtsenthebung zu vermeiden. Da sich die Regierung und die PT weigerten, ihn zu unterstützen, nutzte er seine Macht aus, um die Abstimmung über das Amtsenthebungsverfahren Rousseffs auf die Tagesordnung zu setzen. Dafür stellte er die bereits erwähnten, lächerlichen Vorwürfe auf. Das Oberste Bundesgericht, das schon zuvor eine Anklage vom Oberstaatsanwalt gegen den Abgeordneten Eduardo Cunha erhalten hatte, wusste doch von seinem Mangel an Tauglichkeit und von der politischen Motivation des Amtsenthebungsverfahrens. Trotzdem sah man dem Geschehen tatenlos zu. Erst nach der Zustimmung zur Amtsenthebung Rousseffs, bei der Cunha noch Präsident des Abgeordnetenhauses war, suspendierte ihn das Oberste Gericht.[5] Ganz nebenbei: Die erste Maßnahme der neuen Interimsregierung war es, unverzügliche eine Erhöhung um bis zu 40% der Richtergehälter zu verabschieden.
Keine von diesen institutionellen Bewegungen ist nachvollziehbar, ohne die Medienkampagne in Betracht zu ziehen, welche wöchentlich und ununterbrochen zwei Jahre gegen die PT durch die Medien und die Justiz durchgeführte wurde. Der Untersuchungsrichter Sergio Moro und die Bundesstaatsanwälte haben mit Hilfe des Einsatzes der Bundespolizei eine Polizeiermittlung über die Petrobras-Affäre ins Leben gerufen, die Operation Lava-Jato genannt wurde. Die Ermittlungsoperation genoss eine breite Präsenz in allen brasilianischen Medien. Der berühmte nordamerikanische Journalist Glenn Greenwald, der schon lange vor dieser politischen Krise in Brasilien lebte, schrieb auf seiner Website The Intercept, dass die durch die brasilianischen Medien losgetretene Medienkampagne gegen die PT mit der durch den Sender Fox News gegen Obama durchgeführte Kampagne vergleichbar sei. Der Unterschied aber sei, dass sich alle Medien gleichzeitig auf eine manipulative Art und Weise wie Fox News verhalten haben.
Staatsanwälte, Richter und Polizeikommissare wurden zu nationalen Helden gemacht, die oft mit TV-Preisen und -Auftritten und auf Zeitschriftencovern ausgezeichnet wurden. Die einzige Bedingung dieses politischen Pakts zwischen den Medien und den Justizakteuren war die Unterlassung jeder Anklage gegen die Mitglieder der PT-Oppositionsparteien und gegen die korporativen Interessen der Medien. Der deutliche Nachweis dieses Mangels an politische Gleichheit war ein Justizverbot, das der Generalstaatsanwaltschaft die Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Federal Bureau of Investigations zur Aufklärungen der Beteiligung Globos an den Fifa-Skandalen untersagte.
Die Richter und die Generalstaatsanwälte übermitteln den Medien Informationen zu den Themen des Tages, mit ausgewählten Datenlecks und Lügen bezüglich der Verdächtigungen gegenüber der PT, meist ohne Beweise. Dafür verbreiten die Medien ein positives Bild der Aktionen in den Lava-Jato-Ermittlungen und informieren nicht über die Willkür der Verfahrensweise und der Einschränkungen des Verteidigungsrechts. Seit zwei Jahren wird das brasilianische Justizsystem durch das Ausnahmeverfahren von Operation Lava-Jato verzerrt. Dies kommt vor allem durch die Verständigung im Strafverfahren [plea bargaining] aufgrund unbefristeter Haft der Verdächtigen ohne vorherige Verurteilung und nach dem Ermessen des Richters zum Ausdruck. Zu dieser Rechtswidrigkeit wurden weitere hinterhältige Vorgehensweisen durch die Operation Lava-Jato eingeführt. Beispiele dafür sind die abgehörten Telefongespräche der Rechtsanwälte, die gegen das Verteidigungsrecht verstoßen; die Etablierung von geheimen Strafverfahren, im Hinblick darauf, dass die Verteidiger nur kurz vor dem Verhandlungstag Zugang zu Inhalten der Aussagen im Strafverfahren haben; die selektiven Datenlecks aus Ermittlungen an die Medien, die durch diese Berichterstattung in der öffentlichen Meinung eine Vorverurteilung zur Folge hatten. In diesem kafkaesken Szenario erlebt Brasilien heutzutage eine Stimmung der politischen Lynchjustiz, in der die individuellen Rechte und Freiheiten bedroht sind.
Die Reaktionen gegen die Willkür der Operation Lava-Jato fand sogar unter den Justizakteuren ein breites Echo und in der Welt, als ein von 103 renommierten Juristen unterschriebener offener Brief am 15. Januar 2016 in den drei größten Tageszeitungen Brasiliens veröffentlicht wurde. In diesem Text artikulieren die Autoren, dass die “Rechtsstaatlichkeit bedroht ist und die Justiz nicht durch die erdrückende Publizität beeinflusst werden sollte, die sich negativ auf die Angeklagten auswirkt. Sie entzieht den Angeklagten als Folge das Recht auf ein faires und unparteiisches Urteil”. Trotz dieses offenen Briefs zerstreute die Berichterstattung in den Medien schnell solche Sorgen. Zudem legitimierte das Bundesbezirksgericht (4. Bezirk), das für die Beschwerde gegen die Richter zuständig ist, schließlich das Ausnahmeverfahren des Richters Moro. Es erkannte an, dass seine Ermittlungsmethoden in der Tat illegal seien. Obwohl sie nicht die Rechtsreglungen einhalten, sollten sie aber angenommen werden. Es handele sich um neue Lösungen, da die Operation Lava-Jato ebenfalls ein neues Ermittlungsverfahren sei. Hier stimmt das Bundesbezirksgericht nicht nur dem Prinzip des “Rechts in Bewegung” zu, sondern schafft auch die Grundlage für das “Feindstrafrecht”[6]. Neben dem willkürlichen Ermittlungsverfahren erfolgte das illegale Handeln in der Operation Lava-Jato nicht auf Grundlage der politischen Gleichheit der Verdächtigen.
Die Auswirkungen der politischen Krise auf die öffentliche Politik und die Menschenrechte
Es gibt zahlreiche Folgen der Krise, die nicht genug debattiert, hervorgehoben und bekannt sind. Die Entstehung der konservativen Organisationen in der Zivilgesellschaft bedrohen die Rahmenbedingungen einer funktionierenden Demokratie. Dazu zählt auch die erhöhte Anzahl von Parlamentariern bei der letzten Wahl, die einen neoliberalen und regressiven staatlichen Reformansatz vertreten und durch kryptofaschistische Äußerungen auffallen, die im Gegensatz zu den grundlegenden Menschenrechten stehen. Journalisten, die nicht der Linie der Hauptmediengruppe folgen, werden teilweise verfolgt. Das ist die neue Ära, in der Willkür im Namen des Kampfes gegen die Korruption herrscht. Diese Verfolgungen lassen sich durch die Kündigungen von nicht-linientreuen Journalisten und den langen Rechtsstreitigkeiten gegen Journalisten belegen, die die Medienkonzerne und Justizakteure durchführen. Die Kritiker sollen mit den Kosten der langen Prozesse und Verurteilungen mit schweren Geldstrafen zum Schweigen gebracht werden. Gleichzeitig räumen die Mediengruppen bestimmten Akteuren viel Medienpräsenz ein, die für diffamierende Kampagnen gegen politische Gegner zuständig sind. Sie bilden in Brasilien eine Version des Kriegsjournalismus nach Medienmogul Rupert Murdoch nach. Darüber hinaus wurde das Institutionelle Sicherheitskabinett durch die Regierung Michel Temers gegründet. Es folgt dem Muster des in der Diktatur geltenden Nationalen Nachrichtendienstes. Dazu gehört der unverhältnismäßige Einsatz von Polizeigewalt gegen Demonstranten und der Einsatz von Agenten der Armee. Diese Praktiken sind nützlich, um eine stille Umgebung und Selbstzensur zu erzwingen, die die Garantien der bürgerlichen Freiheit in Frage stellen.
Auf der Ebene der öffentlichen und makroökonomischen Politik beinhaltet der parlamentarische Putsch ein Programm voll mit Rückschritten hinsichtlich der Menschenrechte. Bevor der aktuelle Präsident Michel Temer nach der Macht griff, hatte er bereits eine Reformagenda mit dem Namen „Eine Brücke für die Zukunft“ vorgelegt. Noch vor der Abstimmung im Senat begann er mit der Umsetzung seines Regierungsprogramms. Die umstrittensten Themen dieses Programms sind: Die Aufhebung der obligatorischen Bindung zwischen dem Renteneinkommen und dem offiziellen brasilianischen Mindestlohn – dies hat eine sehr negative Auswirkung auf die distributive Ebene der Rente; Aufhebung der Exklusivrechte des staatlichen Erdölkonzerns Petrobras bei der Erdölförderung im Pre-Salt-Gebiet (im Teilbereich Produktion). Dies beeinträchtigt den Etat für Projekte im Bildungsbereich zur Erhöhung Bildungsgerechtigkeit und verringert die Verhandlungsmacht der Politik bezüglich technologischer und industrieller Innovationen. Dazu zählt auch die Stellung von Tarifarbeitsverträgen über das geltende Arbeitsrecht. Dies bedeutet eine Reduzierung der Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer; eine vorrangige Ausrichtung der kommerziellen Integration mit der Nordhemisphäre zu Ungunsten der Südhemisphäre. Sind noch letztendlich die gesetzliche Begrenzung der Ausgaben für Sozialprogramme, die geringer sind als das BIP-Wachstum, Ende von Bindungen und Indexierungen. Diese letzte Maßnahme wird bezeichnet als Verfassungsnovelle 241/55. Sie legt das Einfrieren sämtlicher grundlegenden Bundesausgaben für einen Zeitraum von 20 Jahren fest.
Vereinfacht gesagt werden die Ausgaben für Bildung, Gesundheit und Trinkwasser- und Abwasserversorgung im Haushaltsbudget gekürzt, weil die Verfassungsnovelle 241/55 weder das Bevölkerungswachstum noch das Defizit bei der Deckung der öffentlichen Dienstleistungen und deren Unterfinanzierung berücksichtigt. Zusammenfassend verursacht diese Verfassungsnovelle zukünftig einen Rückschritt im Rahmen der besseren Einkommensverteilung, Wirtschaftsdepression aufgrund der strukturellen Begrenzung der Regierungsausgaben, die wesentlich für die Wirtschaft sind. Infolgedessen wird es in der Zukunft durch immer schlechter werdende Einkommensverteilung mehr Konflikte geben. Mit anderen Worten verursacht die Verfassungsnovelle 241/55 nicht nur den Abbau von PT-Programmen zu Sozialreformen, sondern geht weit darüber hinaus und verändert die Verfassung von 1988. Dies alles wurde jetzt bereits ohne Volksabstimmung oder neue Wahlen umgesetzt.
Die Wahlergebnisse und Perspektiven
Das politische Engagement des Medien- und Justizkonsortiums gegen die Arbeiterpartei PT war so abgestimmt, dass die Verhandlungen mit Show-Charakter seit 2012 parallel zu den Wahlkampfterminen durch das Fernsehen übertragen wurden. Dadurch schadeten sie dem Ruf der PT in der öffentlichen Meinung in der größtmöglichen Weise und verringerten die Erfolgschancen bei der Wahl. Wie nicht anders zu erwarten, wiederholte sich dieses Schema genauso während der Kommunalwahlen im Jahr 2016. Die verlängerte und systematische Medienkampagne hatte zur Folge, dass die Zahl der durch die PT regierten Kommunen um 60% reduziert wurde. Der nordamerikanische Politologe Robert Dahl verteidigt die These, dass es nur dann möglich sei, von Polyarchie zu sprechen, wenn die Opposition bei den Wahlen konkurrenzfähig ist. Es gibt mehrere Formen, eine Demokratie zu zerstören. Man kann die Konkurrenz durch eine diktatorische Regierung und hohen Gewalteinsatz zurückdrängen, aber man kann auch das offene System beibehalten und mit einem Sperrmechanismus außerhalb des Wahlrahmens, mit dem Justizveto begründet, ausstatten. Dies scheint der Weg zu sein, auf dem sich Brasilien sich befindet. Da der brasilianische Putsch von der öffentlichen Meinung nicht als solcher wahrgenommen wurde, verfügt er noch über einen Freifahrtschein, um ein breites Spektrum von Ausnahmeverfahren durchzusetzen und nach eigenem Ermessen weiterzuentwickeln, um eine „neue Politik ins Leben zu rufen“. Wer denkt, der Putsch sei zu Ende nachdem Lula aufgrund der willkürlichen Verurteilung Moros nicht an der Wahl im Jahr 2018 teilnehmen darf und die PT als einzige bei der Wahl konkurrenzfähigen Partei kriminalisiert wurde, liegt falsch. Aber die Feinde der Demokratie sind nicht nur die Strippenzieher dieses Putschs, sondern auch die linken Parteien mit ihrer begrenzten strategischen Sicht, die sich verhalten, als lebten sie in einer öffentlichen und autonom-moralischen Blase mit gutwilligen Politik- und Justizakteuren leben. Die brasilianischen Linken sollten mal wieder Machiavelli lesen.
Übersetzung: Adriana Maximino dos Santos
[1] Laboratório de Estudos de Mídia e Esfera Pública – Manchetômetro: Verfügbar auf: http://www.manchetometro.com.br/
[2] Claus Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, De Gruyter; 9 edition (first publication 1963)
[3] Cristina Grillo und Denise Menchen, “Participação no comando de esquema tem de ser provada, diz jurista”, Folha de S. Paulo, 11 de Novembro 2012
[4] Sehen Sie die Reportage über die Strafanklage AP 470, die in der Zeitschrift Retrato do Brasil veröffentlicht wurde, und von den Journalisten Raimundo Pereira e Lia Imanishi verfasst. https://www.youtube.com/watch?v=tq15GeVliVI
[5] Sehen Sie die Forschung von Prof. Dr. Eloisa Machado de Almeida, Professorin für den Fachbereich Rechtswissenschaft anan der Fachhochschule Fundação GetúlioVargas von São Paulo. Sie erforscht die institutionellen Rahmenbedingung für den Beschlussfassungsverfahren des Obersten Bundesgerichts und die Operation Hochdruckreiniger.
[6] Mit Feindstrafrecht wird ein Strafrecht bezeichnet, dass den Täter nicht als Person mit Menschenwürde, sondern als "Feind" der Gesellschaft begreift und behandelt. Der Begriff wurde geprägt von Günther Jacobs, der z.B. in der Sicherheitsverwahrung des Täters Feindstrafrecht sieht. Der Täter werde hier nicht mehr als Person begriffen, mit der der Staat wegen des Gesetzesbruchs kommuniziere, sondern als gefährliches Individuum, gegen das vorgegangen wird (Jacobs, HRRS, S. 88, 89). Verfügbar auf: http://www.lexexakt.de/glossar/feindstrafrecht.php. (Das Konzept wird von den meisten Strafrechtlern und Rechtsphilosophen demokratisch verfasster Staaten abgelehnt).