Brief an Außenminister Heiko Maas

Anlässlich der aktuellen Brasilienreise von Bundesaußenminister Heiko Maas haben der KoBra-Vorstand zusammen mit Brot für die Welt folgenden Brief formuliert und am 24.04.2019 an den Minister geschickt.
| von KoBra
Brief an Außenminister Heiko Maas

Freiburg, 24.04.2019

Herr Bundesaußenminister Heiko Maas, Auswärtiges Amt, 11013 Berlin

Per Post und Email

 

Sehr geehrter Herr Bundesaußenminister Maas,

mit großer Sorge verfolgen wir die Entwicklungen in Brasilien.

Mit Jair Bolsonaro ist ein Politiker zum Präsidenten Brasiliens gewählt worden, der während seiner gesamten politischen Laufbahn aus seiner Verachtung für Demokratie, Menschenrechte und die Rechte von Minderheiten nie einen Hehl gemacht hat.

Nach den ersten drei Monaten seiner Regierungszeit zeigt sich nun, dass auf die Rhetorik nun Taten folgen. Unsere Partner in der Zivilgesellschaft in Brasilien sind zutiefst über die jüngsten Entwicklungen beunruhigt. Personalentscheidungen und strukturelle Reorganisation von Ministerien zeigen nur allzu deutlich, dass die in der Verfassung verbrieften  Rechte von indigenen Völkern und traditionellen Gemeinschaften abgebaut werden. Die Ankündigung, es solle keine neue Demarkierung indigener Gebiete  geben, ist ein Affront gegen die Rechte und Lebensperspektiven dieser Völker.

Die Angriffe auf die Zivilgesellschaft werden nun umgesetzt. Mit dem Dekret 9759 vom 11. April hat die Regierung Bolsonaro mit einem Schlag alle Partizipationsgremien aufgelöst. NGOs haben das vom Präsidenten unterzeichnete Dekret als Angriff auf jegliche Beteiligung der Zivilgesellschaft und Bruch mit dem Partizipationsgebot der brasilianischen Verfassung bewertet.

Mit besonderer Besorgnis nehmen wir die Meldungen unserer brasilianischen Partner über die Attacken gegen Menschenrechte und deren Verteidiger zur Kenntnis. Im Jahr 2018 wurden allein in Rio de Janeiro 1.500 Menschen in Polizeieinsätzen getötet.  Statt dies zu problematisieren, soll nun die de-facto-Straffreiheit für Polizisten zum Gesetz erhoben werden. Der von Justizminister Moro ausgearbeitete Entwurf für ein Sicherheitsgesetz erweitert die Straffreiheit für Tötungen durch Polizisten. Nach dem Gesetzentwurf sollen Polizisten auch dann nicht angeklagt werden, wenn sie „aus nachvollziehbarer Angst, Überraschung oder heftiger Emotion“ gehandelt haben. Und der Gouverneur von Rio hat das Töten (abate – abschlachten in seiner Wortwahl) von Verdächtigen durch sogenannte  „Sniper“ zur Praxis der Polizei erklärt.

Auf der anderen Seite unternimmt die Regierung Bolsonaro (zwanzig Männer, zwei Frauen) keine Anstrengungen, gegen die steigenden Zahlen von Morden an Frauen („Feminizid“) vorzugehen. Frauenorganisationen befürchten, dass die Lockerung der Waffengesetze zu einem weiteren Anstieg der Morde an Frauen führen wird.

Diese sind nur einzelne Beispiele für Maßnahmen und Vorhaben der Regierung, die auch nach den Auffassungen unserer Partnerorganisationen den brasilianischen Rechtsstaat untergraben. Für eine Verharmlosung dieser Entwicklung können wir kein Verständnis aufbringen.  Noch weniger können wir nachvollziehen, dass sich Vertreter deutscher Unternehmen positiv zu Bolsonaro äußern, und das Bundeswirtschaftsministerium „erleichterte Investitions- und Handelsbedingungen für ausländische Unternehmen“ sieht und in einem Schreiben dazu rät, man solle „jetzt auf Brasilien setzen“[1]. Die Einschränkung gewerkschaftlicher Rechte scheint dabei nicht zu stören.

Vor diesem Hintergrund wenden wir uns nachdrücklich mit der dringenden Bitte an Sie, alle zur Verfügung stehenden Kanäle zu nutzen, um unmissverständlich klarzumachen, dass die Bundesregierung von der neuen Regierung Brasiliens die Bewahrung der Rechtsstaatlichkeit, den Schutz von Minderheiten und die Bewahrung der Menschenrechte erwartet. Wir hoffen, dass sich die Bundesregierung für den Erhalt der Handlungsspielräume von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Gewerkschaften mit Nachdruck einsetzt.

Wir sehen die mühsam errungenen Fortschritte in der Festigung der jungen Demokratie gefährdet. Diesem zu begegnen ist in erster Linie Aufgabe der brasilianischen Gesellschaft. Jedoch kann sie durch das solidarische Handeln der internationalen Zivilgesellschaft wie auch der internationalen Staatengemeinschaft eine wichtige Unterstützung erhalten.

Wie die historische Erfahrung – nicht zuletzt auch unserer eigene Geschichte – zeigt, verstehen autoritäre Regime Abwarten als Aufmunterung, Schweigen als Zustimmung und Anpassung als Unterwerfung.

Wir bitten Sie daher, die Befürchtungen unserer Partnerorganisationen zum Anlass zu nehmen, um sich entschieden für die Wahrung der Menschenrechte in Brasilien einzusetzen und klar zu machen, dass wir in Deutschland sehr aufmerksam das demokratiegefährdende Handeln der brasilianischen Regierung verfolgen und verurteilen.

Wir danken für Ihre Aufmerksamkeit

Mit freundlichen Grüßen im Namen des Vorstandes der Kooperation Brasilien e.V. und Brot für die Welt

Jan Erler

KoBra – Kooperation Brasilien e.V., Geschäftsstelle


[1] https://www.lateinamerikaverein.de/fileadmin/user_upload/GAB_Brasilien_Infoletter.pdf