Totale Straflosigkeit in Pará
In der letzten Instanz war Moura zu 30 Jahren Haft verurteilt worden, da das Gericht es als erwiesen ansah, dass er den Mord in Auftrag gegeben hatte.
Als Beweismaterial für den Freispruch musste ein Video herhalten, in dem der Mittelsmann des Mordes, Amair Feijóli da Cunha (Tato), beteuert, nicht im Auftrag von Bida gehandelt zu haben. Einiges weist darauf hin, dass es sich bei der Aufnahme um eine Inszenierung handelt. So tauchte das Video erst jetzt auf, obwohl es bereits 2006 gedreht worden sein soll. Das Geständnis nimmt in dem Film ein nicht befugter Rechtsanwalt auf. Und die Ehefrau des „geständigen“ Tato erhielt 100.000 R$ von Moura. Eine frühere Aufnahme eines Gesprächs der beiden Pistoleiros dokumentiert zudem, dass diese Geld angeboten bekommen hatten, um ihre Aussagen zurück zu ziehen. Diesen erheblichen Ungereimtheiten zum Trotz war das Video für das Gericht von Pará Grund genug, Moura freizusprechen.
Der Freispruch sogar in diesem international bekannten Fall macht deutlich, wie tief die Straflosigkeit in der paraensischen Gesellschaft verankert ist. Seit 1971 hat die CPT in Pará 819 Morde an politisch Aktiven registriert – nur in 92 Fällen wurde dies überhaupt gerichtlich verfolgt. Lediglich sieben Auftraggeber wurden je verurteilt. Drei davon warten in Freiheit auf die Revision ihres Urteils. Der Auftraggeber eines weiteren Mordes wurde begnadigt, einer ist flüchtig, ein weiterer inzwischen verstorben. Nach diesem Urteil im Fall Dorothy Stang kann in Pará wieder von totaler Straflosigkeit für Auftraggeber von Morden gesprochen werde
Aktuell erhalten etwa 300 politisch Aktive in Pará Morddrohungen. Die Bedrohung und die Gefahr, in der diese Menschen sich befinden, nimmt durch den Freispruch noch zu. Auch die Bewohner des Projekts für nachhaltige Entwicklung (PDS, Projeto de Desenvolvimento Sustentável), das von Dorothy Stang gegründet worden war, fürchten mit der Rückkehr von Bida neue Gewalt. Die Straflosigkeit ist eng mit Landkonzentration und grilagem (unrechtmäßiger Aneignung von Ländereien) verknüpft und bestärkt die Fazendeiros in ihrer Politik, sich widerrechtlich Land anzueignen und ggf. dort Lebende zu vertreiben. Damit ist die Straflosigkeit eine Gefahr für das Recht der Menschen auf Ernährung.
Verschiedenste Organisationen, darunter die brasilianische Bischofskonferenz, die CPT, Misereor, und auch die Orden dos Advogados do Brasil, zeigten sich entsetzt über diesen Freispruch. In einem gemeinsamen offenen Brief äußerten sich auch Justiça Global, Terra de Direitos, der Centro Luiz Freire, die Campanha Reaja, die Associação de Familiares e Amigos Presos e Presas da Bahia und der Coletivo de Entidades Negras (CEN). Sie fordern von der Regierung, dauerhaft gegen die unrechtmäßige Aneignung von Ländereien vorzugehen. Die CPT betonte, dass die Verzögerungen bei den Verhandlungen den Fazendeiros erst die Möglichkeit boten, die Pistoleiros zu bestechen, um selbst straflos aus den Verhandlungen hervorzugehen.