Staatsanwaltlicher Mahnbrief an die Stiftung Fundação Renova der Firmen Samarco, Vale und BHP Billiton
Über zwei Jahre nach dem Samarco-Dammbruch bei Mariana haben in einer nie dagewesenen gemeinsamen Aktion sieben Staatsanwaltschaften einen offiziellen Mahnbrief an die Stiftung Fundação Renova geschickt, in dem sie der Stiftung vorwerfen, bei ihren Wiederaufräum- und Kompensationsmaßnahmen die Rechte der vom Bruch des Fundão-Damms des Rückhaltebeckens der Bergbaufirma Samarco Betroffenen zu mißachten. Unterzeichnet haben den Brief die Bundesstaatsanwaltschaft MPF, die Bundesstaatsanwaltschaft für Arbeitsrecht MPT, die Landesstaatsanwaltschaften von Minas Gerais, MP-MG, und von Espírito Santo, MP-ES, sowie die Verteidigungsstaatsanwaltschaften Defensoria Pública des Bundes DPU sowie der Bundesstaaten Minas Gerais DP-MG und der von Espírito Santo DP-ES.
Die sieben Staatsanwaltschaften werfen der Stiftung Fundação Renova vor, den Tausenden von Betroffen nicht hinreichend Zugang zu Informationen zu gewähren und dabei der gerichtlich verordneten kostenlosen Zurverfügungstellung angemessenen Rechtsbeistands nicht nachzukommen. Zudem erfolge die Kadastrierung der Betroffenen, die die Grundlage für Wiedergutmachung und Entschädigung der erlittenen Verluste und Schäden ist, nicht in hinreichendem Maße, da zu viele Hürden und Hindernisse im Ablauf der eigentlich vorgeschriebenen Kadastrierungsprozesse zu verzeichnen seien und die erklärte Absicht der Stiftung, die Kadastrierung bis Mitte dieses Jahres per Stichtagsregelung abzuschließen, berge die Gefahr, dass zu viele der Betroffenen eventuell nie zu einer Kadastrierung ihrer berechtigten Anliegen gelangen könnten. Hinzu kommt der schwerwiegendste aller Vorwürfe, die die Staatsanwaltschaften der Stiftung Fundação Renova sowie den Firmen Samarco, Vale und BHP Billiton gegenüber erheben: die bisherigen Maßnahmen zu Wiedergutmachung und zu Entschädigung der erlittenen Verluste und Schäden der Betroffenen seien bei weitem nicht ausreichend. Dies beträfe sowohl die Anwohner, deren Häuser und Grundstücke direkt zerstört wurden, die Angehörigen, deren Familienmitglieder durch die Schlammwelle aus dem Tailing-Bruch getötet wurden, die Fischer, die ihr Auskommen verloren haben und von denen die Fundação Renova nur diejenigen wohnend in einem Radius von einem Kilometer entlang der Flussläufe als betroffen kadastrieren und anerkennen mag, sowie die unbekannte Zahl der Anrainer (Schätzungen der Rückversicherungsgesellschaft Terra Brasis gehen von 3,5 Millionen betroffenen Menschen aus), deren Wasserversorgung monatelang, in etlichen Fälle bis heute in Mitleidenschaft beziehungsweise ganz unterbrochen wurde. Von den Millionen Kubikmetern Klärschlamms der Eisenbergbaureste, die noch immer entlang der Ufer und in den Flussläufen sowie in der Meeresmündung des Rio Doce noch immer abgelagert liegen, und den daraus resultieren gravierenden Umweltschäden, gar nicht erst zu sprechen.
Die sieben Staatsanwaltschaften haben sich daher entschlossen, in einem gemeinsamen Brief an die Stiftung Fundação Renova diese Mißstände anzuprangern und haben der Stiftung eine Frist von 20 Tagen gesetzt, in der sie auf diese Vorwürfe reagieren müsse.
Die Stiftung Fundação Renova war infolge einer Übereinkunft zwischen den Regierungen von Bund und der zwei betroffenen Bundesstaaten, der beteiligten Staatsanwaltschaften sowie der Firmen Samarco, Vale und BHP Billiton gegründet worden, um die immensen Umweltschäden des Dammbruchs zu reparieren. Kritiker werfen den Firmen und den verschiedenen beteiligten Regierungen vor, bei der Einsetzung der Stiftung Renova ausgerechnet den Wolf im Schafspelz oder besser den Bock des Gärtners als Oberaufseher für die Kompensationsmaßnahmen und Verhandlungen mit den Betroffenen gemacht zu haben. Statt die Betroffenen und die engagierte Zivilgesellschaft sowie unabhängige Wissenschaftler in die Stiftungsgremien aufzunehmen und dergestalt zu garantieren, dass die Stimmen der Betroffenen gehört und respektiert werden, entsched man sich für die Lösung aus Firmen- und Beamtenvertretern in den Organen der Stiftung.
Bei Mariana im Bundesstaat Minas Gerais war am 5. November 2015 der Damm des Erzbergwerk-Tailings von Samarco gebrochen. Millionen Kubikmeter an Bergwerksschlamm aus der Eisenerz-Mine der Firma Samarco und ein Tsunami aus Schlamm zerstörte mehrere Dörfer, 349 Häuser, Schulen und Kirchen. Die Flüsse Rio Gualaxo do Norte, Rio do Carmo und Rio Doce wurden verseucht. Insgesamt starben 19 Menschen. Samarco ist eine Aktiengesellschaft, die zu gleichen Teilen im Besitz der australisch-britischen BHP Billiton Brasil Ltda. und der brasilianischen Vale S.A. steht. Laut Erhebung der US-amerikanischen Beraterfirma Bowker Associates stellt die Katastrophe von Mariana einen Dreifach-Negativ-Rekord in der Geschichte des Bergbaus dar:
Die Menge an ausgetretenem Schlamm: 32 bis 62 Millionen Kubikmeter.
Die Größe des betroffenen Gebiets: 680 Kilometern Flusslauf
Die Schadenshöhe: 5 bis 55 Milliarden USD.
Bis heute warten die betroffenen Menschen auf den Wiederaufbau ihrer Häuser und Dörfer und auch auf angemessene Entschädigung.