Sklavenarbeitsähnliche Zwangsarbeit in BASF-Lieferkette bei Reisanbau im Süden Brasiliens entdeckt
82 Arbeiter:innen - unter ihnen elf Minderjährige im Alter von 14 bis 17 Jahren - wurden am 11. März dieses Jahres von zwei Reis anbauenden Fazendas, rund 50 Kilometer Entfernung der an der Grenze zu Argentinien liegenden Stadt Uruguaiana im südbrasilianischen Bundesstaat Rio Grande do Sul, durch Beamt:innen der brasilianischen Bundespolizei PF, des Arbeitsministeriums sowie der Bundesstaatsanwaltschaft für Arbeitsfragen laut Auskunft der zuständigen Ermittler:innen aus sklavenarbeitsähnlichen Zwangsverhältnissen befreit. Den Kontrolleur:innen zufolge erlitten die Arbeiter:innen infolge von Essen- und Flüssigkeitsmangels Ohnmachtsanfälle, ohne dass ihnen medizinisch geholfen wurde, zudem wurde ihnen in solchen Fälle für den Zeitraum kein Lohn bezahlt. Die Kontrolleur:innen stießen zudem auf "entwürdigende Bedingungen", so der Beamte Vítor Ferreira gegenüber dem Portal UOL. Da es keinen Ort gab, um die Lebensmittel zu lagern, sind die Lebensmittel in den Rucksäcken mit den Lunchpaketen auf dem Feld teilweise sehr schnell verdorben, so dass die Arbeiter:innen unter sich solidarisch den Rest aufteilten, der noch nicht verdorben war. Den Beamt:innen erzählten sie dem Bericht bei UOL zufolge von Ameisen, die die Lebensmittel der Arbeiter:innen angriffen, während sie auf dem Feld waren. Mahlzeiten hätten stets aus kaltem Essen bestanden, warme Mahlzeiten gab es nicht. Es gab zudem keine Möglichkeit, das Essen aufzuwärmen. Agrargifte wurde teilweise ohne angemessene Schutzkleidung ausgesprüht, teilweise wurde Agrargifte auch durch minderjährige Arbeiter:innen eingesetzt, so der Bericht. Die Betroffenen bemängelten zudem fehlende Schutzausrüstung wie Stiefel, Sicheln, Hüte, Sonnencreme und die Anstellung erfolgte ohne Papiere und ohne offizielle Registrierung des Arbeitsverhältnisses.
Die Gruppe der 82 Personen wurde in den Farmen Santa Adelaide und São Joaquim von den für die Bekämpfung der Sklavenarbeit zuständigen Einheiten aus Bundespolizei, Arbeitsministerium und Bundesstaatsanwaltschaft ausfindig gemacht, nachdem eine Beschwerde über die Anwesenheit von Jugendlichen in den Grundstücken ohne unterschriebene Papiere und unter irregulären Bedingungen eingegangen war. Die Betroffenen stammten alle aus Gemeinden des an Argentinien angrenzenden Gebiets aus dem Westen des Bundesstaats Rio Grande do Sul, insbesondere aus Itaqui, São Borja, Alegrete und Uruguaiana. Auf den Fazendas stellten die Ermittler:innen fest, dass die Gruppe angeheuert wurde, um sogenannten roten Reis zu schneiden, ein Gras, das neben dem Reis wächst und der Ernte Schaden zufügt. Die Arbeiter:innen sollten selbst für Arbeitsgeräte sorgen, und das Ausbringen von Pestiziden erfolgte ohne individuelle Schutzausrüstung. Bei der gleichen Rettungsaktion wurde ein 56-jähriger Mann in flagranti festgenommen, der im Verdacht steht, für die Arbeitsvermittlung der Arbeiter:innen verantwortlich zu sein. Er, dessen Name nicht bekannt gegeben wurde, wurde am gleichen Tage wieder auf freien Fuß gesetzt.
Der Verband der Reisbauernvereinigungen des Bundesstaates Rio Grande do Sul, Federarroz, äußerte sich gleich am Samstag, dem Tag der Befreiung der Betroffenen aus den sklavenarbeitsarbeitsähnlichen Zwangsverhältnissen, in einer Erklärung mit dem Titel "Öffentliche Mitteilung an die brasilianische Gesellschaft", wie hier in brasilianischen Medien zitiert:
"Über die Kommunikationskanäle und die Presse wurde bekannt, dass bei einer von staatlichen Stellen organisierten Aktion Personen identifiziert wurden, die "in einem ländlichen Gebiet des Bundesstaates unter Missachtung der geltenden Arbeitsvorschriften und unter sklavereiähnlichen Bedingungen" arbeiten.
Federarroz, eine Organisation, die die Reiserzeuger von Rio Grande do Sul vertritt, einem Bundesstaat, der für mehr als 70 % der nationalen Produktion dieses Getreides verantwortlich ist, betont, dass sie die Ermittlungen in diesem Fall verfolgen wird, um bei der Aufklärung des Falles mitzuwirken.
In Anbetracht der oben genannten Tatsachen ist seitens der Kontrollbehörden, der Presse, der Zivilgesellschaft und anderer beteiligter Akteure Vorsicht geboten, da unter Berücksichtigung des brasilianischen Rechtssystems die mögliche Nichteinhaltung der geltenden Arbeitsvorschriften nicht zwangsläufig zu der Möglichkeit führt, den Sachverhalt als "sklavereiähnlich" zu bezeichnen, da Gesetzgebung und Rechtsprechung die Erfüllung spezifischer Voraussetzungen für die wirksame Ausgestaltung der Rechtsvorschrift und folglich für die Bestrafung der jeweiligen Verantwortlichen verlangen."
Nun ist die brasilianische Gesetzgebung in Fällen von sklavereiähnlicher Zwangsarbeit eindeutig: Der Straftatbestand der Ausbeutung von Menschen über Sklavenarbeit oder sklavenarbeitsähnliche Verhältnisse ist in Artikel 149 des brasilianischen Gesetzbuches definiert. Mindestens eines der folgenden Kriterien muss erfüllt sein, um von Sklavenarbeit oder sklavenarbeitsähnlicher Zwangsarbeit zu sprechen: Zwangsarbeit, ein Arbeitspensum, das die Menschen überanstrengt, Lohnsklaverei, menschenunwürdige Arbeitsbedingungen.
"Durst, Hunger, fehlende Ruhezeiten, fehlende Toiletten und das Fehlen einer Person, die man um Hilfe bitten kann, schaffen menschenunwürdige Bedingungen, und dagegen kämpfen wir", so Vítor Ferreira, Arbeitsprüfer vor Ort gegenüber Medien.
Die ermittelnden Beamt:innen gaben bei den ersten Pressemeldungen die Namen der Farmen und Firmen zunächst nicht an, doch nach Medienrecherchen sickerten diese Informationen durch, genauso wie auch durchsickerte, dass das auf den Farmen von Arbeiter:innen in sklavenarbeitsähnlichen Zwangsverhältnissen geernte Reissaatgut auch einen international bekannten direkten Abnehmer hat: die deutsche BASF.
Die wurde in brasilianischen Medien in Form einer Erklärung zitiert, die es uns nicht gelang, auf der Webseite der BASF selbst zu lokalisieren, deshalb zitieren wir die Übersetzung aus dem bei GaúchaZH wiedergegebenen BASF-Zitat:
"BASF setzt sich in ihrer gesamten Wertschöpfungskette für eine nachhaltige Entwicklung ein, die auf der Achtung und dem Schutz der Menschen sowie auf der Transparenz ihrer Beziehungen zur Gesellschaft beruht. Das Unternehmen verurteilt vehement Praktiken, die die Menschenrechte missachten.
Das Unternehmen hat von dem Fall der Farmen São Joaquim und Santa Adelaide in Uruguaiana-RS erfahren und bedauert zutiefst, was den Arbeitern widerfahren ist. BASF teilt mit, dass sie mit diesen Farmen einen Vertrag über die Produktion von Reissaatgut hat.
Das Unternehmen hat beschlossen, sich proaktiv an die Behörden zu wenden, um zur Lösung des Falles beizutragen.
BASF befolgt bei der Vergabe von Aufträgen an Zulieferer und Subunternehmer die Anforderungen, die unter anderem vorsehen, dass die beauftragten Unternehmen die Arbeitsgesetze einhalten und die Menschenrechte strikt respektieren.
Das Unternehmen wird keine Mühen scheuen, um die Situation zu klären, mit den Behörden zusammenzuarbeiten und sich bei allen Dienstleistern für angemessene Arbeitsbedingungen, Sicherheit und Wohlergehen der ausgelagerten und untervergebenen Arbeitnehmer einzusetzen.
Das Unternehmen ist seit über 110 Jahren in Brasilien tätig und investiert in Innovationen, um die besten Verfahren für Landwirtschaft, Umwelt und Gesellschaft zu entwickeln. Die Basf bekräftigt ihre Verpflichtung, die Menschen in ihrer Produktionskette zu schätzen, zu respektieren und zu schützen."
Augenfällig ist natürlich erstens, dass BASF die Verwendung der Begriffe "Zwangsarbeit", "Slavenarbeitsähnlich" etc offenkundig tunlichst vermeidet. Zweitens stellt sich natürlich die Frage, reicht eine solche Erklärung? Haben wir nicht seit dem 1. Januar in Deutschland ein wirksames Lieferkettengesetz? Muss jetzt nicht sofort die BAFA aktiv werden?