Sklavenarbeit auf der VW-Fazenda Rio Cristalino in Amazonien

Statt eigene Boni zu erhöhen, sollte der Volkswagen-Vorstand sich seiner historischen Verantwortung stellen.
| von Christian.russau@fdcl.org
Sklavenarbeit auf der VW-Fazenda Rio Cristalino in Amazonien
1984: "Die Farm am Amazonas." Hrsg. von der AG Brasilien Dritte Welt Haus e.V.. FDCL-Archiv

Ende März dieses Jahres kam es im brasilianischen São Paulo zur mittlerweile dritten Anhörung vor der Bundesstaatsanwaltschaft für Arbeit im Fall der Sklavenarbeit auf der ehemaligen VW-Fazenda Vale do Rio Cristalino in Amazonien Ende der 1970er bis Mitte der 1980er Jahre. Zeitgleich sollte vor Ort von Aktivist:innen eine von fast 3.000 Bürgerinnen und Bürgern aus Deutschland unterzeichnete Petition der Brasilieninitiative Freiburg e.V. übergeben werden, die von Volkswagen Entschädigung für die ehemaligen Sklavenarbeiter:innen fordert. Laut Medienberichten verließen die anwesenden Vertreter:innen und Rechtsanwält:innen von VW do Brasil die Anhörung und lehnten eine weitere Beteiligung an dem Verfahren ab. Laut der Tageszeitung Folha de São Paulo beharrten die vor Ort anwesenden Vertreter:innen des Unternehmens auf dem Argument, dass Volkswagen keine Verantwortung für die damaligen Geschehnisse auf dem Grundstück trage. Unverblümt bleibt VW damit auf der Argumentationskette, die die Firma bereits Mitte der 1980er gefahren hatte, als die ersten Anschuldigungen über sklavenarbeitsähnliche Zwangsverhältnisse auf der VW-Fazenda Rio Cristalino international bekannt wurden: VW habe mit der Sklavenarbeit vor Ort auf ihrer Fazenda nichts zu tun, schliesslich seien die dort Tätigen ja über Drittfirmen dort beschäftigt.

Günther Schulz von Brasilieninitiative Freiburg e.V. nannte Ende März dieses Jahres den erklärten Rückzug Volkswagens aus dem Verhandlungsprozess mit der brasilianischen Bundesstaatsanwaltschaft und die verbliebenen Betroffenen "beschämend, unsere von fast 3.000 Bürger:innen unterzeichnete Petition wurde vollkommen missachtet und zeigt wie in den Vorstandsetagen über die Zivilgesellschaft gedacht wird. Angesichts der nur noch wenigen Überlebenden ist das Verhalten von VW besonders skandalös. VW sollte schnellstens einer Vereinbarung zustimmen und die Verzögerungstaktik aufgeben“, so Schulz weiter. „VW muss endlich dieses düstere Kapitel seiner Historie zum Abschluss bringen."

Auf der VW-Fazenda Vale do Rio Cristalino in Amazonien kam es umfassenden Ermittlungen der brasilianischen Bundesstaatsanwaltschaft zufolge, die sich vor allem auf die Anzeige von Padre Ricardo Rezende Figueira berufen, Ende der 1970er bis Mitte der 1980er Jahre - wie Ricardo Rezende Figueira es bezeichnete - zu "Verstößen gegen das, was wir Schuldknechtschaft nennen. Die Arbeiter betraten die Farm und konnten sie nicht mehr verlassen, unter dem Vorwand, dass sie Schulden für den Transport zur Vale-do-Rio-Cristalino-Farm hätten. Dann gab es Schulden für Lebensmittel, da sie gezwungen waren, auf der Farm Lebensmittel zu kaufen, für Arbeitsgeräte und für die Plastikfolie, mit der die improvisierte Hütte abgedeckt war. Es war ein System der permanenten Verschuldung. Tausende von Arbeitern waren versklavt und wurden vor allem im Nordosten und Mittleren Westen für zeitlich begrenzte Tätigkeiten wie das Abholzen des Waldes, das Anzünden des Dschungels, das Anpflanzen von Gras und den Bau der Anlagen auf der Ranch angeworben. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen waren menschenunwürdig, und die Arbeit war anstrengend. Darüber hinaus gab es Berichte über Mord, Vergewaltigung, körperliche Gewalt und Folter."

All dem hätte Volkswagen sich stellen können, stellen müssen - die Bundesstaatsanwaltschaft hatte Volkswagen sogar wiederholt Gespräche über eine außergerichtliche Einigung angeboten. Aber was tut Volkswagen? Erklärt sich für unbeteiligt, weigert sich, an weitere Gespräche über die von der Bundesstaatsanwlatschaft vorgeschlagene Summe von umgerechnet 29 Millionen Entschädigung an die Opfer der VW-Sklavenarbeit in Amazonien überhaupt nur zu denken.

Wie verwendet Volkswagen stattdessen eine solche Summe? Statt die Opfer der VW-Sklavenarbeit der Vale do Rio Cristalino-Farm endlich nach all den Jahren zu entschädigen, will Volkswagen auf der am 10. Mai in Berlin anstehenden Jahreshauptversammlung des Konzerns die Bezüge, Boni und Gehaltszahlungen für den Vorstandsvorsitzenden Oliver Blume von bis zu 12 auf bis zu 15 Millionen Euro und die der weiteren acht Mitglieder des Vorstands von 5,5 auf bis zu 8,5 Millionen Euro jährlich erhöhen In Summe wären das also potentielle Erhöhungen von 27 Millionen Euro: die wollen sich Blume & Co. in die eigene Tasche stecken, aber für die Sklavenarbeiter in Brasilien gibt es von VW nur ein müdes Lächeln. Dieses Geld aber steht den ehemaligen Sklavenarbeitern zu! Statt eigene Boni zu erhöhen, sollte der Volkswagen-Vorstand sich endlich seiner historischen Verantwortung stellen.

// Christian Russau