Neue Studie zur Justiz: Polizeigewalt in Brasilien bleibt meist straffrei

Eine neue Studie des Núcleo de Justiça Racial e Direito der Stiftung Fundação Getulio Vargas zeigt, dass die brasilianische Justiz selbst in denjenigen Fällen, in denen die Tötungsdelikte der Polizei bei schwarzen Opfern große mediale Aufmerksamkeit erzielten, die verantwortlichen Akteure und Institutionen nicht zur juristischen Verantwortung zieht.
| von Christian.russau@fdcl.org
Neue Studie zur Justiz: Polizeigewalt in Brasilien bleibt meist straffrei
Symbolbild. Foto: christian russau

Eine vom neue Studie des Núcleo de Justiça Racial e Direito der Stiftung Fundação Getulio Vargas (FGV) erstellte Studie zeigt, dass die Justiz in Brasilien die Täter von Polizeigewalt meist straffrei ausgehen lässt. Die Untersuchung analysierte dazu acht berühmte Fälle, die sich zwischen 1992 und 2020 in Brasilien ereigneten: In der Studie wurden das Massaker von Carandiru (1992), der Fall der Favela Naval (1997), das Massaker von Borel (2003), der Fall Amarildo (2013), das Massaker von Cabula (2015), das Massaker von Paraisópolis (2019), der Fall Luana Barbosa dos Reis (2016) und der Fall Beto Freitas (2020) analysiert.

"Dies sind Fälle, die in den Medien viel Aufmerksamkeit erregen", so der Rechtsanwalt und Professor an der Fundação Getulio Vargas, Thiago Amparo, einer der Koordinatoren der Studie. Angesichts der Medienaufmerksamkeit, die diese Fälle von Polizeigewalt erzielt, sei eigentlich zu erwarten, dass durch die Sichtbarkeit der Taten die zuständigen Richter; und Staatsanwält:innen unter Druck wären, der Straffreiheit der Fälle entgegen zu arbeiten. "Dies ist in der Tat nicht geschehen", so Amparo gegenüber der Tageszeitung Folha de São Paulo.

Tatsächlich seien bei den acht untersuchten Fällen von Polizeigewalt insgesamt 140 Menschen gestorben und die Opfer waren in der großen Mehrzahl Afrobrasilianer:innen. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass in nur zwei dieser untersuchten acht Fälle die staatlichen Bedienstete für die Straftaten verantwortlich gemacht wurden, wobei insgesamt neun Verurteilungen bestätigt wurden. Die Untersuchung ergab, dass einige der verurteilten Polizeibeamt:innen anschließend eine politische Laufbahn einschlugen, während andere nach Verbüßung ihrer Strafe in den Polizeidienst zurückkehrten.

"Wir haben versucht, die Rolle der Justiz zu beobachten, wenn sie in diesen Fällen, in denen Polizisten Schwarze ermorden, eigentlich tätig werden muss", so der Soziologe Paulo Cesar Ramos, der die Studie ebenfalls koordiniert hat. Ihm zufolge haben die Forscher:innen während der Studie, die etwa anderthalb Jahre andauerte, Mechanismen festgestellt, die die juristische Aufklärung und Bestrafung der Täter:innen verzögern bis hin zu verhindrn in der Lage waren. "In allen Fällen können wir ungewöhnliche und kreative Formen und einige Abweichungen in den Verfahrensabläufen beobachten", fügte Ramos hinzu. Der Soziologe stellte Medien gegenüber fest, dass mit Ausnahme des Falles der Comunidade von Naval alle anderen Fälle ein Problem mit der juristischen Aufarbeitung hatten - wenn es denn überhaupt zu einem Prozess kam. Es kam der Untersuchung zufolge zu teils "lächerlichen Rechtfertigungen von Polizeibeamten für Fälle, an denen sie beteiligt waren", fügte Ramos hinzu.

Eines der Probleme, auf das die Forscher hinweisen, ist das Misstrauen der Justizorgane, den Aussagen von Überlebenden, Zeugen und Angehörigen von Opfern Glauben zu schenken. Zu den Empfehlungen, die die Forscher:innen gaben, zählen die Anerkennung des Wortes von Zeugen - und nicht nur die Version der an den Fällen beteiligten Beamten; die Notwendigkeit für das Justizsystem, die Beweise für staatlichen Rassismus und seine Auswirkungen auf die Todesfälle anzuerkennen; und die Notwendigkeit einer Medienberichterstattung, die die Opfer nicht mit den Untersuchten verwechselt. "Wir hoffen, dass diese Empfehlungen von der Gesellschaft gelesen und debattiert werden. Dies ist eine Frage, die nicht nur von den Behörden, sondern auch von der Zivilgesellschaft und den zuständigen Behörden abhängt", so Ramos. Für die Anthropologin Juliana Farias, die ebenfalls an der Studie beteiligt war, sei es dringend notwendig, "den Kreislauf der rassistischen Gewalt zu durchbrechen". "Wenn nur diejenigen, die direkt den Abzug betätigen, zur Rechenschaft gezogen werden, wird es niemals eine wirksame Verpflichtung zur Unterbindung rassistischer Gewalt geben. Es ist notwendig, die Aufmerksamkeit auf jeden Teil dieses Mechanismus zu lenken, der den Tod von Schwarzen bürokratisch verwaltet", sagte Farias. Dies betrifft also auch die nach wie vor rassistischen Strukturen in der Justiz und in der Gesellschaft im Ganzen.


// Christian Russau