Homophober Zensurversuch auf der Buch-Biennale von Rio stößt auf massiven Widerstand

Eine beispiellose Szene ereignete sich am vergangenen Samstag auf der Buch-Biennale von Rio: Eine Gruppe von Angestellten der Behörde für öffentliche Ordnung der Stadtverwaltung Rio de Janeiro lief am Nachmittag die Ausstellungsstände der Verlage ab, um Bücher mit für Kinder und Jugendliche „unangemessenen“ Inhalten zu beschlagnahmen.
| von jan.erler@kooperation-brasilien.org
Homophober Zensurversuch auf der Buch-Biennale von Rio stößt auf massiven Widerstand
Der Stein des Anstoßes: Zeichnung von Marvel aus HQ 'Vingadores, a Cruzada das Crianças'

Die Maßnahme erfolgte auf Anordnung des Bürgermeisters von Rio de Janeiro, dem Hardcore-Evangelikalen Marcelo Crivella. Dieser hatte die Buchmesse einen Tag zuvor besucht und sich an der graphic novel Vingadores, A Cruzada das Crianças gestoßen. Das Buch enthält eine Illustration, in der sich zwei Männer küssen. Crivella äußerte sich in einem Video auf seinem Twitter-Account dazu: „Deratige Bücher müssen in schwarzer Plastikfolie versiegelt und mit einem Warnhinweis auf deren Inhalt versehen werden“. Kurz nachdem sich eine Debatte darüber in den sozialen Netzwerken entsponnen hatte, waren alle verfügbaren Exemplare des Buches verkauft.

Die Äußerungen Crivellas und das Vorgehen der Behörde für öffentliche Ordnung der Stadtverwaltung Rio de Janeiro riefen massive Empörung bei Verlagen und Buchhändlern hervor, die darin einen schwerwiegenden Angriff auf die Meinungsfreiheit sehen. Auch die Leitung der Buch-Biennale positionierte sich dagegen und informierte, dass sie die Justiz eingeschaltet haben, um das Recht der Aussteller auf Vermarktung ihrer literarischen Werke zu vielfältigen Themen – gemäß der brasilianischen Gesetzgebung - zu gewährleisten.

 

Der Gerichtshof von Rio de Janeiro widersprach Crivellas Argumentation und gab eine einstweilige Verfüg heraus, die der Stadtverwaltung die Konfiszierung von Büchern auf der Buch-Biennale und die Wiederrufung der Genehmigung der Veranstaltung, mit der Crivella gedroht hatte, untersagt.

Eine der einfallsreichsten Reaktionen auf Crivellas angeordnetes Vorgehen lieferte der in Brasilien sehr bekannte Youtuber Felipe Neto, indem er die Äußerung des Bürgermeisters aufgriff und in etwas abgewandelter Form umsetzte. Er kaufte 14.000 Bücher mit LGBT-Inhalten auf der Messe, ließ sie in schwarze Folie einschweißen und mit der Warnung versehen: „Dieses Buch ist unangemessen für rückständige, rückwärtsgewandte und voreingenommene Personen“. Die so verpackten Bücher wurden anschließend auf der Buch-Biennale kostenlos an Besucher*innen ungeachtet ihres Alters verteilt und fanden reißenden Absatz.

Quellen:

Crivella pede que livro dos Vingadores vendido na Bienal seja recolhido – UOL Notícias, 5 de setembro de 2019
Livro que Crivella mandou recolher se esgota na Bienal do Rio – O Globo, 6 de setembro de 2019
Justiça veta censura homofóbica de Crivella na Bienal do Livro do Rio – El País, 6 de setembro de 2019