Brasiliens Politiken der Öffentlichen Hand für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen auf Tiefststand

Die Haushaltsmittel des brasilianischen Ministeriums für Frauen, Familie und Menschenrechte für die Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen sind 2022 die geringsten der letzten Jahre, zudem wurden in der Vergangenheit nicht alle Mittel ausgeschöpft. Studie der NGO INESC wirft der evangelikal-reaktionären Ministerin Damares Alves gezielte Absicht vor.
| von Christian.russau@fdcl.org
Brasiliens Politiken der Öffentlichen Hand für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen auf Tiefststand
Im Zentrum der Kritik: Ministerin Damares Alves. Foto: US Embassy Brasília (Lizenz: Public Domain Mark 1.0)

[Foto: US Embassy Brasília, Lizenz: Public Domain Mark 1.0)

Brasiliens Ministerium für Frauen, Familie und Menschenrechte unter der evangelikal-reaktionären Ministerin Damares Alves hat einer Erhebung der Nichtregierungsorganisation INESC im Jahr 2022 die im Jahresdurchschnitt geringsten Mittel der letzten vier Jahre für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen in Brasilien bereitgestellt. INESC untersuchte dem Pressebericht von UOL zufolge, der exklusiv auf die in Kürze zu veröffentlichende Studie von INESC verwies, die Budgetplanungen und Ausgaben im Bereich Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen der Regierungsjahre des rechtsextremen Präsidenten des Landes, Jair Bolsonaro, und seiner Ministerin für Frauen, Familie und Menschenrechte, Damares Alves. Das niedrigste Budget für den Bereich Politiken der Öffentlichen Hand für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen ist demnach das von 2022: 43,28 Millionen Reais (umgerechnet derzeit 7,79 Millionen Euro). Der höchste Wert des Untersuchungszeitraums wurde im Jahr 2020 mit 132,5 Millionen Reais als Jahresbudget erreicht, dies aber nur infolge außerordentlicher Kreditlinien, die dem Ministerium aufgrund der COVID-19-Pandemie zugewiesen wurden. Im Jahr 2019 wurden 71,9 Millionen Reais dem Budget des Frauenministeriums für diese Politikmaßnahmen zum Schutze von Frauen zugewiesen, 2021 fiel dieser Wert auf 61,4 Millionen Reais, so UOL.

Im jenem Jahr 2020, in der schlimmsten Phase der Pandemie, als die Mittel dann wegen der pandemiegeschuldeten Sonderhaushaltszuweisungen für das Ministerium anstiegen, ließ das Ministerium von Ministerin Alves dennoch 70 Prozent der Mittel für die Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen letztlich unbenutzt, so die Kritik des INESC. Die Anthropologin Carmela Zigoni, politische Beraterin von Inesc und verantwortlich für die Studie, sieht die geringe Nutzung der Haushaltsmittel zu einem solchen Zeitpunkt der Pandemie als einen äußerst schwerwiegenden Umstand: Frauen seien aufgrund ihrer sozialen Isolation noch stärker auf öffentliche Maßnahmen angewiesen, da eine solche gesellschaftliche Situation wie der Pandemie noch zu einem weiteren Anstieg der häuslichen Gewalt führe. "Viele Frauen lebten in sozialer Isolation mit ihrem Angreifer zusammen, ohne ihn verlassen zu können, und diejenigen, die fliehen mussten, um zu überleben, hatten keine Unterstützung durch die Politik."

Bei der Interpretation der Daten sei zudem auch zu beachten, so UOL unter Berufung auf die Forscher:innen des INESC, dass in den jährlich ausgegebenen Beträgen des Frauenministeriums für den Bereich Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen ein nicht geringer Teil sich auf Auszahlungen für Bewilligungen aus den Vorjahren bezieht. Im Jahr 2021 entfielen 49,4 Prozent in die Kategorie "restos a pagar", d. h. sie beziehen sich auf Zahlungen für in den Vorjahren unterzeichnete Verträge. "In der Praxis hat die Regierung nur die Hälfte dessen ausgegeben, was durch den Haushaltsplan im Jahr genehmigt wurde", so die Schlussfolgerung der Forscher:innen des INESC.

Das Ministerium unter Damares Alves widersprach der Darstellung von UOL und der Studie von INESC. Der Medienbericht und die Erhebung von INESC gingen "von der irrigen Annahme aus, dass der Haushalt für Frauen nur von diesem Ministerium ausgeführt wird. Die Politik zur Förderung der Rechte der Frauen, der sozialen Unterstützung und der Gesundheit ist ressortübergreifend und betrifft praktisch alle Ministerien". Die Forscherin Zigoni warnte jedoch mit Nachdruck vor drastischen Konsequenzen. Der strukturell deutliche Rückgang der Mittel zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen werde sich direkt auf diejenigen auswirken, die Opfer von Gewalt werden und sich in gefährdeten Situationen befinden, prognostiziert Carmela Zigoni. Den Frauen werde keine Priorität eingeräumt, so die Forscherin des INESC.

// Christian Russau