Brasiliens Menschenrechtslage wird überprüft
In Bezug auf Brasilien geht es u.a. um Rechte von indigenen Minderheiten, die Arbeit von Menschenrechtsverteidiger*innen, Tötungen und Gewalt (z.B. Polizeigewalt in UPPs und Favelas). So belegt eine neue Statistik des Instituto de Segurança Pública, dass in Rio die Zahl der durch die Polizei Getöteten in 5 Jahren um 120 Prozent gestiegen ist.
Auch um die Situation von Gefangenen wurde vor dem Menschenrechtsrat durch NGOs thematisiert. Brasilianische NGOs waren vom Menschenrechtsrat in Genf eingeladen, um über die eskalierende Gewalt im brasilianischen Strafvollzug zu berichten.
Vertreter*innen von Conectas, Terra de direitos und der Gefängnispastorale Pastoral carcerária legten den aktuellen Bericht “Folter in Zeiten von Masseninhaftierung[” der brasilianischen Gefängnispastorale vor. Aus ihm gehen 105 Anzeigen wegen Folter im Gefängnis hervor. 66% davon beziehen sich auf physische Gewalt. Nach dem Bericht sind landesweit knapp 6% der Inhaftierten Frauen. 46% der untersuchten Folteranzeigen kamen aus ihren Reihen. Gesellschaftliche Diskriminierung auf Grund von Rasse, sexueller Orientierung oder Geschlecht potenzieren sich im Strafvollzug auf gefährliche Weise. In keinem der 105 angezeigten Fälle wurden die Täter zur Verantwortung gezogen. Rechtsstaatliche Grundsätze dürfen jedoch nicht an der Gefängnismauer enden. Der brasilianische Staat hat hier eine Verpflichtung, der er unzureichend gerecht wird. Dahinter steht eine Politik, die im physischen Ausgrenzen und Wegsperren von Menschen eine Lösung sieht, ohne die Spirale der Kriminalisierung innerhalb des Systems wahrzunehmen. Zu der übrigens auch der Aufenthalt in Gefängnissen beiträgt. Die Ursachen für ein Abrutschen in die Kriminalität liegen oft im Zusammenhang mit Armut und fehlenden Perspektiven. Aber auch in einer Gesellschaft, in der Teilhabe und Chancen vielfach an Herkunft und Hautfarbe gekoppelt sind. Übergänge zwischen den „Schichten“ sind eher die Ausnahme. Je ungleicher eine Gesellschaft ist, desto größer ist ihre Anfälligkeit für Kriminalität. Sparmaßnahmen wie die PEC55 der aktuellen Regierung beschließen nicht nur die Deckelung der Staatsausgaben für die kommenden 20 Jahre. Sie nehmen auch die Hoffnung auf soziale Ausgleichsmaßnahmen und mehr Gerechtigkeit. Justiz und Exekutive reagieren parallel mit der Verschärfung im Bereich Öffentliche Sicherheit. Wegsperren was geht! scheint die Devise zu sein. Eine gefährliche und kurzsichtige Haltung, die bislang nicht zu einem Rückgang von Unsicherheit und Straftaten geführt hat.
Weiterlesen im Schwerpunkt "Wegsperren ist keine Lösung" des KoBra-Dossiers vom März 2017