Brasilien vor den Wahlen: Strukturelle Gewalt als Dauerzustand?
FOTO: Fernando Frazão- Agência Brasil (CC BY 2.0)
Brasilien ist definitiv kein monotones Land. Wann immer »wir« glauben, dass die »Nation« das Höllentief erreicht hat, siehe da, dann öffnet sich eine neue Falle und »wir« steigen à la »Descensus Christi ad inferos« ein wenig weiter in das höllische Feuer hinab. Die Gewalt als integraler Bestandteil unserer sozialen Beziehungen wird auch in Brasilien liebend gern vertuscht.
Die Enthauptungen, wie sie in den Gefängnissen von Manaus im vergangenen Jahr geschahen, waren bereits vor Jahrhunderten in Mode und wurden auf den öffentlichen Plätzen des Kaiserreiches und der Republik – wie im Falle von Tiradentes (1792) und Zumbi (1695) – als Abschreckungsmechanismus wirkungsvoll inszeniert und eingesetzt. Die Köpfe der berühmtesten Anführer der brasilianischen Cangaceiro-Bande (1908–1940) wurden beispielsweise jahrzehntelang als »Kunstwerke« in einem Museum des »medizinischen Institutes Nina Rodrigues« zwischen 1938 und 1969 ausgestellt. Abgeschnittene Köpfe sowie regelrecht niedergemetzelte, zum Teil bis zur Unkenntlichkeit entstellte Körper sind heute nicht nur praktizierte Terrorakte des »Islamischen Staates«, sondern auch Bilder, die in den Wochenschauen während der Gefängnisrebellionen 2017 in ganz Brasilien wiederholt wurden und sich 2018 wiederholen werden.
Gewalttätig sind immer die »Anderen«.
Brasilien ist eines der Länder mit den meisten Verkehrstoten der Welt. Allein im Jahr 2017 waren es 47.000 Menschen. Der »Straßenverkehrskrieg« als tragische Metapher verdeutlicht unmissverständlich das brasilianische Gewaltproblem: »ich« als historisches Subjekt nehme niemals an der Barbarei teil. Es sind immer die »Anderen«, die während der Fahrt mehr auf das Smartphone schauen als auf die Straße oder die gerne über Rot donnern. Die Vorstellung, dass »wir«, unsere Familien, Freunde oder unsere Stadt, eine himmlische Quelle der Höflichkeit inmitten eines »barbarischen Landes« sind, ist in meinem Geburtsland weit verbreitet. Der meist unverstandene Mythos vom »herzlichen Menschen« wurde letztendlich zum Mythos des »Bürgers der Güte und des Mitgefühls« umgewandelt. Dieses Bild eines festlichen Brasiliens »ohne Konflikte« und eines friedlichen, fröhlichen Volkes ohne Naturkatastrophen oder angestammten und völkermörderischen Hass wurde an mehrere Generationen weitergegeben, auch an meine eigene.
In den Geschichtsbüchern sowie im kollektiven »nationalen Narrativ« wird nach wie vor nur selten von den Begriffen »Bürgerkrieg« oder »Krieg« Gebrauch gemacht. Ersatzweise werden Wörter wie »Aufstand« oder »Revolution« als definitorischer Maßstab für kriegerische Auseinandersetzungen wie die »Farrapen-Revolution«, die zehn Jahre lang andauerte, bevorzugt. Bürgerkriege werden hingegen euphemistisch als »Verfassungsrevolution von 1932«, »Baiana-Verschwörung« oder »Aufstand der Chibata« bezeichnet. Der Begriff »Bürgerkrieg« erscheint »uns« sehr »übertrieben«, sehr »gewalttätig« für ein solch »friedliches« Volk. Er ergibt erst dann einen Sinn, wenn er in Verbindung mit den historischen Ereignissen in den Nachbarländern – vor allem Argentinien und Kolumbien – gebracht wird. Gewalttätig sind schließlich immer die »Anderen«.
Die traurige Bilanz: »Rassengleichheit«?
Die Wunde der Gewalt hat in Brasilien einen solchen Grad der Demontage erreicht, dass es sich fast um ein typisches »Kriegsszenario« handelt. Der intrigante, denunziatorische und diffamatorische Kontext des Amtsenthebungsverfahrens, der Michel Temer (MDB) zum Präsidenten der Republik führte, steht in direktem Zusammenhang mit der Zunahme der Gewalt auf dem Land und in den Städten. Die Gewalt manifestiert sich also u.a. als Folge der grassierenden Arbeitslosigkeit sowie der Zunahme der Zahl der auf der Straße lebenden Menschen und Kürzung/Revidierung öffentlicher Dienstleistungen. Brasilien – so interne und externe Beobachterinnen und Beobachter – befindet sich in einem nicht deklarierten »Bürgerkrieg«, in dem nicht nur Jugendliche, Schwarze und Arme, sondern auch Zivil- und Militärpolizisten Opfer der Gewalt werden.
Jedes Jahr werden in Brasilien etwa 60.000 Menschen getötet. Allein 2016 wurden nach Angaben des brasilianischen Gesundheitsministeriums 62.517 Morde verzeichnet. Das entspricht einer Rate von 30,3 Morden pro 100.000 Einwohner. Das Standardprofil dieser Opfer ist männlich (99,3 Prozent), jung (65,2 Prozent, zwischen 18 und 29 Jahre) und schwarz (76,2 Prozent). Der Genozid der an den gesellschaftlichen Rand gedrängten Milieus Brasiliens – insbesondere der afrobrasilianischen Bevölkerung – ist nicht zu leugnen. In überfüllten Gefängnissen mit inhumanen Zuständen (726.712 Insassinnen und Insassen) sind sie Opfer und Täter zugleich. Gewalt gegen Schwarze und die deutliche Konzentration von Morden unter der schwarzen Bevölkerung stellt eine der grausamsten Facetten der »Rassendiskriminierung« in Brasilien dar. Der sogenannte Index zur Gefährdung Jugendlicher durch Gewalt (Índice de Vulnerabilidade Juvenil à Violência) für das Jahr 2015 konstatierte etwa, dass das Risiko, dass ein junger schwarzer Mann in Brasilien Opfer eines Mordes wird, 2,7-mal höher ist als das eines jungen weißen Mannes.
Daten aus dem »integrierten System für Strafvollzugsinformationen« (»Infopen«) belegen zudem, dass 64 Prozent der Gefängnisinsassen Afrobrasilianerinnen und Afrobrasilianer sind. Das deutet auf eine mögliche rassistisch begründete strafrechtliche Selektivität der brasilianischen Justizbehörden. In den letzten Jahren haben auch andere Erhebungen auf diese »kriminelle Selektivität« hingewiesen. Im Jahr 2014 etwa konstatierte das »Institut für angewandte Wirtschaftsforschung« (»Ipea«) im Auftrag des Justizministeriums eine ungleiche Urteilpraxis der Strafjustiz bei kleineren Delikten. Demnach wurde der weißen Bevölkerungsschicht – bei ähnlichen Vorstrafen sowie annähernd gleichem sozioökonomischem Hintergrund – mehr alternative Strafen (z.B. Geldbuße oder Leistung von sozialer Arbeit) auferlegt, als der afrobrasilianischen Bevölkerung. Auch die Berichte zweier parlamentarischer Untersuchungsausschüsse (»CPIs«) des Nationalkongresses, die sich mit dem Strafvollzugssystem und Öffentlicher Sicherheit 2015 befassten, kamen zu der bitteren Erkenntnis, dass Brasilien eine gewalttätige und rassistische Nation ist. Konzepte und Ausrichtung einer effizienten Gewaltpräventionspolitik müssen daher das effektive Recht auf Leben und Sicherheit der schwarzen Bevölkerung garantieren.
Nicht alles was zählt, ist in Zahlen erfassbar
Zwischen 2001 und 2015 registrierte Brasilien durchschnittlich alle 10 Minuten ein neues Todesopfer durch Gewalteinwirkung: insgesamt 786.870. Das sind ungewöhnlich hohe Zahlen für ein Land, das sich offiziell nicht im »Krieg« befindet. Die Bundesstaaten mit den höchsten Mordraten waren – entgegen alarmierende Meldungen aus Rio de Janeiro und São Paulo – Sergipe (64,7 Todesfälle pro 100.000 Einwohner), Rio Grande do Norte (53,4 Todesfälle pro 100.000 Einwohner) und Pará (50,8 Todesfälle pro 100.000 Einwohner). Im Jahr 2016 wurden ebenfalls 437 zivile und militärische Polizeibeamte getötet – ein Anstieg um 17,5 Prozent. Zugleich stieg die Zahl der Todesopfer durch polizeiliche Gewalt im Jahr 2016 um 25,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das bedeutet, dass 4.224 Brasilianerinnen und Brasilianer bei polizeilichen Aktionen ums Leben kamen. Es sind Männer in Schwarz, die Schwarze töten. Auch die Zahl der Femizide hat in den letzten Jahren zugenommen. Alle zwei Stunden wurde in Brasilien eine Frau getötet, insgesamt 4.657. Im Jahr 2016 stieg die Zahl der Vergewaltigungen im Vergleich zum Vorjahr um 3,5 Prozent auf 49.497 Fälle.
Auf dem Land manifestierten sich die Reflexe der politischen Umbrüche seit Dezember 2015 auch in Form von verstärkter Gewalt. Die Zahl der im Rahmen von Landstreitigkeiten ermordeten Menschen lag im Jahr 2017 bei 71. Nicht nur für traditionelle Völker und Gemeinschaften auf dem Land, sondern auch für LGBT-Menschen wird Brasilien zunehmend zu einem gefährlichen Ort. Aufgrund von Homophobie starben alleine Jahr 2017 – Daten der Watchdog-Gruppe „Grupo Gay de Bahia“ zufolge – fast 500 LGBT-Menschen.
Diese Zahlen, die hier auf so kalte und didaktische Weise präsentiert werden, übersetzen nicht das, was sie tatsächlich repräsentieren: den Schmerz und das Leid tausender brasilianischen Familien und einzelner Schicksale. Die Todesfälle sowie Vergewaltigungszahlen werden in fataler Weise durch amtliche Studien sowie mediale Aufbereitung als reine quantitative Statistiken, als ferne Realität dargestellt. Hinter jeder einzelnen Zahl verbirgt sich allerdings ein Opfer mit Vor- und Nachname. Wenn »wir« uns das aktuelle Bild der urbanen Gewalt anschauen, dann vergessen »wir« oft die Faktoren, die dazu geführt haben.
Gewalt und Strukturwandel
Die Gewalt in Brasilien ist in einigen Regionen und Gemeinden, insbesondere in denjenigen mit den schlechtesten sozialen Indikatoren, konzentriert, was zeigt, dass die Bekämpfung des Problems weniger kompliziert sein kann, als es scheint. Dies ist die wichtigste Schlussfolgerung des »Atlas da Violência 2018 - Políticas Públicas e Retratos dos Municípios Brasileiros«, der im Juni dieses Jahres vom „Institut für angewandte Wirtschaftsforschung (Ipea)“ und dem „Brasilianischen Forum für öffentliche Sicherheit (FBSP)“ veröffentlicht wurde. Dem Dokument zufolge sind nur 2,2 Prozent der brasilianischen Gemeinden für die Hälfte der gewaltsamen Todesfälle verantwortlich. Unter den zehn gewalttätigsten Munizipien befinden sich vier in Bahia und zwei in der Baixada Fluminense, Rio de Janeiro. Kriminalität ist kein exklusives »Privileg« der großen städtischen Zentren des Landes, aber ihr Wachstum ist dort weitaus größer als in kleineren Städten. Aufgrund des beschleunigten Prozesses der Landflucht nahmen die brasilianischen Großstädte eine Vielzahl von Menschen auf. Dieser Prozess war nicht von städtischer Infrastruktur (Arbeit, Wohnen, Gesundheit, Bildung) begleitet. Dies löste eine Reihe gravierender sozialer Probleme aus. In den brasilianischen Großstädten konzentrieren sich folglich die wichtigsten sozialen Probleme wie Arbeitslosigkeit und fehlendes öffentliches Gemeinwohl (Gesundheitsversorgung, Krankenhäuser, Schulen sowie Sicherheit). Solche Probleme sind ausschlaggebend für die Entstehung und Verbreitung der Marginalisierung und damit der Kriminalität.
Die Kartierung von gewaltsamen Todesfällen im »Atlas da Violência 2018« wurde letztlich in Verbindung mit zehn sozialen Indikatoren wie Zugang zu Bildung, Pro-Kopf-Einkommen, Jugendarbeitslosigkeit sowie Teenager-Schwangerschaftsquote gebracht. Hier zeigt die Studie: Je besser die sozialen Indikatoren, desto geringer die Gewaltraten. Diese Situation verdeutlicht unmissverständlich die sicherheitspolitische Ineffizienz des brasilianischen Staates. Diese »kriminelle« Ineffizienz begünstigt die Existenz des »organisierten Verbrechens« als bedrohliche Parallelmacht. Inmitten dieser Gewalt agiert die jetzige Regierung – genau wie vergangene Regierungen – oft im Sinne von Konfliktzündung statt Konfliktlösung.
Öffentliche Sicherheit: Ein Relikt der Militärdiktatur
Die Logik und die Normenvorstellungen der brasilianischen öffentlichen Sicherheit sind noch die gleichen wie die der Militärdiktatur. Die brasilianischen Militärpolizeien (unter anderem zuständig für Gefahrenabwehr), die Teil der Lösung sein sollten, sind allzu oft Teil des Problems. Sie operieren weitgehend nach einer militärischen Logik und bekämpfen somit »gesellschaftliche Feinde«, anstatt einer Logik der öffentlichen Sicherheit und somit der bürgernahen Polizeiarbeit zu folgen. Trotz der in den letzten Jahren eingeleiteten Reformen gehört die Militärpolizei in weiten Teilen des Landes zu den gewalttätigsten und tödlichsten Polizeikräften der Welt. Die Kriminalisierung von Armut, die in Teilen der brasilianischen Bevölkerung tief verankert ist, verschärft diesen Effekt zusätzlich. Viele denken daher laut: »Nur ein toter Dieb ist ein guter Dieb.« In der Vorstellung der Polizistin oder des Polizisten tut sie oder er das Richtige. Allerdings haben auch sie mit niedrigen Löhnen, ungerechten Arbeitszeiten, Demütigungen und Schikanen durch Vorgesetzte sowie mit materieller Unterlegenheit zu kämpfen. Wie kann die Polizeibeamtin oder der Polizeibeamte eine qualitativ hochwertige öffentliche Sicherheitsdienstleistung erbringen, wenn ihre oder seine Rechte systematisch untergraben werden?
Auch die fehlende Kommunikation zwischen den einzelnen 27 Zivilpolizeien (in etwa der deutschen Kriminalpolizei gleichzusetzen) erschwert den »Kriminalitätskampf«. Circa 80 Prozent der Morde in den brasilianischen Bundesstaaten werden nicht von den Behörden aufgeklärt. Der intensive Informationsaustausch ist in diesem Kontext essentiell, um die kriminellen Dachorganisationen in Rio de Janeiro und São Paulo zu schwächen. Hierbei ist es notwendig, die weitverzweigte Logistik des Zugangs zu Drogen, Munition und Waffen zu ersticken. Die »Gewaltkultur« (charakterisiert durch die Gewohnheit, Konflikte durch Aggression zu lösen), die Gewissheit der Straffreiheit und die Gleichgültigkeit der Gesellschaft gegenüber der großen Zahl von Todesfällen gehören zu den zentralen Ursachen des brasilianischen Gewaltphänomens. Erschwerend kommt hinzu, dass das Ressort für »Infrastruktur und öffentliche Sicherheit« über keinen festen Haushalt – im Gegensatz zum Ressort »Gesundheit und Bildung« – verfügt und seine Mittel mit jedem Bundeshaushaltsplan erstreiten muss. Die fehlende Haushaltsgarantie verhindert Planungssicherheit und unterminiert die Kontinuität von Erfolgsrezepten. Es ist daher notwendig, einen föderalen Pakt im Bereich der öffentlichen Sicherheit zu schaffen, der Zuständigkeiten auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene neu festlegt und auch Muster und Formen der Finanzierung des Bereiches verbindlich bestimmt.
Wurzel der Gewalt
Die Logik des »Krieges« wird nicht alleine durch das Bild des »Krieges« erzeugt. Die bloße Tatsache der horrenden Kriminalitätszahlen kennzeichnet keinen »Krieg«. Es gibt ebenso keinen »Bürgerkrieg« in Brasilien. Es gibt keinen Versuch des organisierten Verbrechens, die offizielle Macht zu ergreifen und den Alvorada-Palast zu stürmen. »Wir« können die Idee des »Krieges« nicht akzeptieren, auch wenn das gesamte Szenario (Kriegszahlen, Kriegswaffen) ein »Kriegsszenario« ist. Die Idee des Krieges erlaubt uns nicht, eine nachhaltige Politik der öffentlichen Sicherheit zu entwickeln. Es existiert eine »Angstindustrie« und sie ist vor allem im Südosten des Landes sehr effektiv. Es ist kein Zufall, dass Vertreterinnen und Vertreter der extremen Rechten in Brasilien aus südöstlichen Bundesstaaten wie Rio de Janeiro stammen. Angst und Intoleranz treffen hier aufeinander und sie bedingen einander. Auch die resonanzträchtige Präsidentschaftskandidatur des faschistischen Politikers Jair Bolsonaro erklärt sich daraus. Das ständige »Gefühl« der Unsicherheit stellt schließlich einen der wesentlichen Treibstoffe der faschistischen Predigt dar.
Eine effiziente Politik der öffentlichen Sicherheit liefert keine unmittelbaren Ergebnisse, sondern zielt auf mittel- und langfristige Strategien. Das schließt eine öffentliche Debatte von Brasiliens Drogen- und Waffenpolitik mit ein. Das zugrundliegende Problem besteht aktuell darin, dass »Sicherheitskrisen« die öffentliche Meinung in der Regel so mobilisiert, dass viele politische und gesellschaftliche Akteure mit einer kurzfristigen, palliativen, medialen Logik argumentieren. Die Wurzel des »Gewaltproblems« liegt vornehmlich in der sozialen Verwundbarkeit von Konfliktgebieten, in denen die marginalisierte Bevölkerung im Allgemeinen keinen qualitativen Zugang zu grundlegenden und wesentlichen öffentlichen Dienstleistungen hat. Die »Kriegsdebatte« ist dennoch wichtig, weil sie Konsequenzen mit sich bringt. Das Ziel der öffentlichen Sicherheit Brasiliens kann nicht nur darin bestehen, einen Feind wie die landesweit agierende kriminelle Organisation »PCC« auszuschalten. »Wir« können nicht daran glauben, dass die Beseitigung eines Feindes das strukturelle Problem der öffentlichen Sicherheit Brasiliens beenden würde.
2018: Nach der Wahl ist vor der Wahl?
Seit der Ausrufung der Republik versucht das Land im Namen des »War on Drugs«, des Vaterlandes, der brasilianischen Kultur, der Familie und so weiter »gesellschaftliche Feinde« zu eliminieren. Als Instrumente diente die Kriminalisierung von Armen, Schwarzen, Indigenen und anderen. Und wie fiel die Bilanz bisher aus? Es ist wichtig zu verstehen, dass die Bevölkerung auf beiden Seiten des Teufelskreises der Gewalt steht. Effektiver als eine verfassungskonforme föderale Intervention auf der Grundlage der militärischen Besetzung von Konfliktgebieten wäre daher eine inklusive Sozialpolitik. Dieses neu politisch und sozial inkludierende Maßnahmepaket müsste u.a. darauf abzielen, den qualitativen Zugang zu Bildung, Gesundheit, Wasser und sanitärer Grundversorgung und Sozialhilfe zu fördern. Dies müsste ebenso mit der institutionellen Klärung der Landfrage einhergehen und so zur Umgestaltung der Realität der traditionellen Völker und Gemeinschaften beitragen, die wie im Wilden Westen akut bedroht, unterdrückt und vertrieben werden.
Im Wahljahr 2018 findet dieser »Kampf« um ein besseres Brasilien auf der Straße und in den diversen gesellschaftlichen Foren statt und muss von allen ausgetragen werden. Entweder nehmen »wir« – jenseits der politisch-medialen Filterblase sowie der individuellen Betroffenheit – eine aktivere, politischere und Rechenschaft fordernde Haltung ein, oder wir werden weiterhin besiegt werden. Die Armee, das sind wir!