Landpastorale CPT kritisiert Bolsonaros Politik der verschleppten Agrarreform
Die brasilianische Landpastorale CPT hat die Agrarreformpolitik des Präsidenten Jair Bolsonaro scharf kritisiert. Die Agrarpolitik des derzeitigen Präsidenten habe sich als die schlechteste von allen bisherigen Agrarreformpolitiken erwiesen. Die vom rechtsextremen und großgrundbesitzerfreundlichen Präsidenten Jair Bolsonaro in den ersten zwei Jahren seiner Präsidentschaft durchgeführte Politik in Bezug auf die Agrarreform stehe defacto „im Widerspruch zur Agrarreform“, sei „pervers gegen die bäuerlichen Gemeinschaften“ gerichtet und werde „ohne jeglichen Dialog mit den ländlichen Organisationen“ durchgeführt, so die Landpastorale CPT in ihrer Analyse im Januar 2021. Im zweiten Jahr seiner Amtszeit handelte Bolsonaro demnach weiter so, wie er es 2018 während seiner Präsidentschaftskampagne angekündigt hatte. Im Jahr 2020 wurde kein Territorium traditioneller Völker mehr identifiziert, deklariert oder genehmigt. Auch gab es keine neuen Enteignungen von Land für die Agrarreform, so die CPT. In diesem Zeitraum ratifizierte das Institut für Kolonisation und Agrarreform (INCRA) nur wenige alte und seit Jahren bereits angestaute Landregularisierungsprozesse, von denen nur 5.409 Familien profitierten.
Auf der anderen Seite, so die CPT, bleibe die Forderung nach einer Demokratisierung des Zugangs zu Land und der Anerkennung der traditionellen Territorien im Land weiterhin extrem hoch. Die CPT schätzt, dass etwa 120.000 landlose Familien dringend auf Zugang zu Land warten, zusätzlich zu etwa 3.000 Quilombola-Gemeinden und fast tausend indigenen Territorien, die seit Jahren auf den Abschluss ihrer Demarkationsprozesse warten und dabei allen möglichen Bedrohungen ausgesetzt sind.
Zudem kritisiert die CPT, dass die Regierung die für die Agrarreform zuständigen Behörden vorsätzlich und deutlich demontiert, geschwächt, finanziell und personell ausgeblutet und somit seiner eigentlichen Funktion entleert habe. „In den 50 Jahren seines Bestehens erlebt [die Agrarreformbehörde] INCRA einen der schlimmsten Momente ihrer Geschichte. Da sich das Budget jedes Jahr verringert, erhielt die Agrarreformbehörde im Jahr 2020 in absoluten Zahlen den Betrag von 3,3 Milliarden R$. Ein großer Teil dieser Mittel war jedoch für die Zahlung von sogenannten „precatórios“ bestimmt, das sind Schulden bei Grundbesitzern, die in der Justiz den Wert der Entschädigung für enteignetes Land erhöhen konnten“, so die Landpastorale.
Die CPT warnt, dass das Szenario im Jahr 2021 noch düsterer wird. Nach dem von der brasilianischen Bundesregierung festgelegten Budget werde INCRA 3,4 Milliarden Reais erhalten, so die CPT. Allerdings werde es eine 22%ige Erhöhung gegenüber 2019 für die Zahlung von eben solchen „precatórios“ geben. Die Mittel hingegen für Kredite, Siedlungsverbesserungen, Überwachung von Landkonflikten, Anerkennung von Quilombola-Territorien etc. würden um bis zu 90% gekürzt, kritisiert die CPT.
Diese katastrophale Situation habe, so die CPT, verschiedene soziale Bewegungen, Organisationen und politische Parteien dazu bewogen, im Dezember vergangenen Jahres eine Verfahrensverfassungsklage beim Obersten Gerichtshof Superior Tribunal Federal (STF) einzureichen. Die Petition befasst sich laut CPT mit folgenden drei Hauptpunkten: der Stillstand der Agrarreform, der Landraub durch „grilagem“ sowie die Kriminalisierung von sozialen Bewegungen und Organisationen. Die an der Klage beteiligten Organisationen forderten den STF auf, "die schwerwiegende Beschädigung der grundlegenden Gebote der brasilianischen Verfassung, die von den föderalen Staatsorganen praktiziert wird, festzustellen und zu beheben“, da dieser „Stillstand bei der Agrarreform und der daraus resultierenden Nichtzurverfügungstellung von föderalen öffentlichen Ländereien zu diesem Zweck [der Agrarreform], wie sie Verfassung fordere, widerspreche.