Zeitung: Brasília will Bahnprojekt Ferrogrão wieder aufnehmen
Bei der für heute Freitag, den 11. August, geplanten Vorstellung des neuen Wachstumsbeschleunigungsprogramms PAC durch die Regierung in Brasília soll - so eine Vorabmeldung der Tageszeitung Folha de São Paulo - das auch das von Indigenen und Umweltschützer:innen scharf kritisierte und heftig bekämpfte Bahnlinienprojekt Ferrogrão wieder aufgenommen werden. Das Ferrogrão-Bahntrassenprojekt soll über geplante 933 Kilometer Sinop mit Miritituba zum Transport von Agrargütern und Rohstoffen aus der landwirtschaftlichen Boomregion von Mato Grosso im Mittleren Westens des Landes an die Atlantikhäfen im nördlichen Flussystem Brasiliens verbinden.
Dabei liegt die Entscheidung über die Fortführung der Planung für Ferrogrão im Moment gar nicht in den Händen der Regierung, sondern beim Obersten Gerichtshof, dem STF. Ende Mai dieses Jahres hatte der zuständige Oberste Richter am STF, Alexandre de Moraes (KoBra berichtete) die Schlichtungsstelle des Bundesgerichtshofs STF, das Centro de Soluções Alternativas de Litígios (Cesal), angerufen, um Lösungsvorschläge zu den bisherigen - juristisch umstrittenen - administrativen Prozessen und bisherigen Genehmigungen im Zusammenhang mit dem Bau von Ferrogrão zu erarbeiten. Moraes hatte mit der Entscheidung vom Ende Mai seine von ihm im März 2021 ausgesprochene einstweilige Verfügung zum vorläufigen Stopp des "Ferrogrão"-Bahnlinienprojekts aufgehoben. Juristischer Streitpunkt ist aktuell noch immer die Frage, wer in der Exekutive oder Legislative die Kompetenz habe, über die Änderung der Gebietsgröße des vom Bahnprojekt künftig direkt durchschnittenen Nationalparks Jamanxim in Pará zu entscheiden. Richter de Moraes hatte der Schiedsstelle 60 Tage Zeit gegeben, eine Lösung für den Streitfall zu finden. Hintergrund des juristischen Streit ist eine von der linken Partei PSOL eingereichten Klage, die Entscheidung der Exekutive bezüglich der Minderung des Nationalparks Jamanxim nicht anzuerkennen. Die Streitschlichtungsstelle des STF hat Pressemeldungen zufolge ihre Vorschläge an Richter Moraes übersandt, in den Medien wurden aber noch keine Inhalte genannt. Richter de Moraes wolle, so die Medienberichte, die Vorschläge zur juristischen Streitschlichtung erst studieren und dann über das weitere Vorgehen entscheiden.
Wer aber schon genau zu wissen scheint, wie es weitergehen kann, ist Brasiliens rechter Landwirtschaftsminister Carlos Fávaro. Dieser ist der Teil der breiten Koalitionsregierung Lula und repräsentiert das klassische Agrobusiness. Fávaro ließ in Medien verlauten, der Kongress könne alle Probleme aus dem Weg räumen - was er dabei nicht zu extra zu betonen brauchte, war, dass die parteiübergreifene Fraktion der dem Agrobusiness nahestehenden Ruralista-Fraktion im brasilianischen Nationalkongress eine satte Mehrheit hat.
Indessen ist die Position der vom Bahntrassenprojekt Ferrogrão direkt betroffenen Menschen in mindestens sechs indigenen Territorien unzweifelhaft deutlich: Diese fordern Mitsprache und zwar in voller Respektierung der freien, vorherigen und informierten Konsultation.