FSC-Siegel Tropenholz
Das Thema „Holzzertifikate“ ist komplex und seine Diskussion vielschichtig und kontrovers. In der allgemeinen Öffentlichkeit sind Holzzertifikate weitgehend unbekannt und spielen beim Einkauf selten eine Rolle. Eine etwas informiertere Öffentlichkeit hat schon mal von den beiden bekanntesten und verbreitetsten Zertifikaten FSC und PEFC gehört und weiß vielleicht sogar, dass die großen Umweltverbände Greenpeace und WWF den FSC als Garantie für ökologisch und sozial verträglichen Holzeinschlag empfehlen und den PEFC für unglaubwürdig halten. Nur die wenigsten Spezialisten und Insider wissen, was es mit diesen Zertifikaten eigentlich genau auf sich hat und wie umstritten sie unter den Umweltverbänden sind. Fast wäre es Ende letzten Jahres zum Eklat gekommen, bei dem viele Umweltverbände öffentlich ihre Unterstützung für den FSC zurückgezogen hätten, aber durch Krisengespräche und eine in die Wege geleitete Reform der Organisations-Grundstruktur konnte dies gerade noch verhindert werden. Die Krise um den FSC ist aber noch lange nicht vorbei, auch wenn die Öffentlichkeit von diesem Konflikt nichts mitbekommen hat. Bevor wir uns mit der aktuellen Diskussion beschäftigen, wollen wir eine kurze Zusammenfassung darüber geben, was der FSC eigentlich ist und wie er funktioniert.
Grundlegende Fakten
Viele Arten des Holzeinschlags schaden dem Wald oder vernichten ihn gar völlig. Sie sind also nicht nachhaltig. Umweltverbände setzen sich für den Schutz bzw. die nachhaltige Nutzung von Wäldern ein, und zwar klassischerweise durch Beeinflussung der Gesetze und Verordnungen des betreffenden Landes. Viele waldreiche Länder, v.a. der Tropen, sind aber korrupt und/oder sehr schwach in der Umsetzung ihrer waldrelevanten Gesetze (Governance), so dass dieser Ansatz seine Grenzen hat und sehr mühsam und langsam ist.
Seit etwa 1990 wurde zuerst in den USA die Möglichkeit diskutiert, inwieweit man Marktmechanismen nutzen könnte, um nachhaltige Forstwirtschaft zu fördern. Ein Treffen in Kalifornien zwischen Umwelt- und Sozialverbänden sowie Holzhändlern und Holznutzern beschloss, dass es eine internationale Organisation mit einheitlichen Standards für nachhaltige Nutzung geben müsse, die den jeweiligen Holzeinschlag in einem unabhängigen Audit auf seine Nachhaltigkeit prüfen und mit einem Siegel zertifizieren würde. Der Name der geplanten Organisation wurde auf „Forest Stewardship Council“ festgelegt und das Konzept in den nächsten drei Jahren in den Umweltverbänden heftig diskutiert. Im Oktober 1993, etwa ein Jahr nach dem Erdgipfel in Rio, fand in Toronto die offizielle Gründungssitzung mit 130 Mitgliedern aus 26 Ländern statt. Der WWF mit seinem Hang zu Positivbeispielen und Wirtschaftslösungen war frühzeitig dabei und hat sich als der treueste und entschiedenste Verteidiger des FSC erwiesen, auch als in der Frühzeit alle anderen Umweltverbände aus Protest gegen den zu starken Wirtschaftseinfluss dem FSC zeitweilig den Rücken gekehrt haben. Mittlerweile hat auch Greenpeace seine unabhängigen Vorstellungen von nachhaltiger Forstwirtschaft aufgegeben und sich öffentlich auf das FSC-Siegel als alleinigen Garanten für ökologisch unbedenkliches Holz festgelegt. Dies macht es beiden Verbänden schwer, sich zukünftig vom FSC zu distanzieren, sollte es einmal notwendig werden.
Auf dem Treffen in Toronto wurde die grundsätzliche Struktur des FSC festgelegt. Jeder kann gegen eine Gebühr Mitglied werden. In Anlehnung an das nach dem Erdgipfel populäre „magische Dreieck“ aus Ökologie, Ökonomie und Sozialem (mittlerweile in der Öffentlichkeit leider vergessen) wurden die Mitglieder entsprechend auf drei Kammern aufgeteilt, die jeweils ein Drittel der Gesamtstimmkraft ausmachen. Die Mitglieder werden alle drei Jahre zu Vollversammlungen eingeladen, was das höchste Beschlussgremium des FSC darstellt. In der Zwischenzeit werden die Mitglieder von einem Direktorium aus jeweils drei gewählten Direktoren jeder Kammer vertreten. Die Alltagsgeschäfte führt der Exekutivdirektor, zur Zeit ist das Heiko Liedeker. Das Exekutivbüro hat seit 2003 seinen Sitz in Bonn, davor in Oaxaca, Mexiko.
Weiterhin wurden zehn Prinzipien der nachhaltigen Forstwirtschaft international festgelegt und durch Kriterien näher definiert. Diese Prinzipien und Kriterien müssen in jedem Fall eingehalten werden, will ein Betrieb das FSC-Zertifikat bekommen (theoretisch jedenfalls). Sollten in einem nationalen Konsultationsprozess nationale FSC-Kriterien (die natürlich nicht den internationalen widersprechen dürfen) erarbeitet und von der Vollversammlung anerkannt werden, gelten für alle FSC-Zertifikate in diesen Land fortan die schärferen nationalen Kriterien. Da alle FSC-Zertifikate spätestens nach 5 Jahren überprüft werden, müssen bestehende FSC-Betriebe bis dahin die neuen Kriterien erfüllen. Die Ausgabe und Überprüfung der Zertifikate erfolgt durch unabhängige Firmen, die dafür vom FSC akkreditiert sein müssen. Diese Zertifizierer werden für ihre Arbeit vom zu zertifizierenden Betrieb bezahlt. Fünf Zertifizierer (darunter der Marktführer) waren vom Start an dabei, alle weiteren mussten einen Akkreditierungsprozess über sich ergehen lassen.
Die FSC-Prinzipien und -Kriterien beziehen sich ausschließlich auf den Holzeinschlag (oder im Falle der seltenen Nicht-Holzprodukte: die Ernte) selbst, sagen also nichts darüber aus, was danach geschieht (z.B. Ökobilanz des Transportes, soziale Bedingungen bei der Verarbeitung etc.). Soll nicht nur der Holzstamm selbst, sondern ein verarbeitetes Produkt das FSC-Siegel tragen, muss in einer sogenannten „Chain of Custody“ das Holz bis zum zertifizierten Waldstück zurückverfolgt werden können (getrennte Lagerung der Stämme, meist wird aber nur die korrekte Menge überprüft). Aber auch dann sagt das FSC-Siegel nichts über die Ökobilanz nach dem Holzeinschlag aus. Für Papier gelten eigene Regeln, da nur eine geringe Menge an FSC-Holz enthalten sein muss. Das zehnte Prinzip zu Plantagen wurde 1996, also zwei Jahre nach den anderen Prinzipien hinzugefügt, enthält nur wenig verbindliche Kriterien und ist von Anfang an umstritten gewesen.
Probleme
Ein Grundproblem liegt in der Struktur des FSC selbst. Durch das Kammernsystem hat die Wirtschaft einen sehr großen Einfluss darauf, was der FSC als ökologisch und sozial verträglich akzeptiert (und was die großen Umweltverbände WWF und Greenpeace mangels Alternativen als empfehlenswert propagieren). Dies wird dadurch verstärkt, dass auch die Sozialkammer in der Regel nach den Interessen der Wirtschaft abstimmt, da sie von Gewerkschaften dominiert ist, die mehr am Joberhalt interessiert ist. Indigenenverbände boykottieren meist den FSC, da sie die industrielle Ausbeutung ihres Lebensraumes befürchten. Dies nicht zu unrecht, da der FSC den internationalen Holzhandel bevorzugt gegenüber der lokalen Nutzung des Waldes. Das FSC-Siegel ist also kein reines Umweltzertifikat, da von vornherein die Industrie mitmischt. Viele kritische Umweltverbände fordern ein Umweltzertifikat mit nur geringem Einfluss der Wirtschaft, ob in einem FSC ohne Wirtschaftskammer oder einer neuen Organisation. Diese Überlegungen sind grundlegend, aber noch wenig konkret, deuten aber einen langfristigen Trend an.
Auch das zweite Grundproblem hat mit der Struktur zu tun. Kurz nach der offiziellen Gründung des FSC setzten die Führungsgremien auf schnelle Expansion. Bei geringen finanziellen Ressourcen sollten viele Wälder zertifiziert werden, um marktrelevante Mengen anbieten zu können. Durch die Werbung war der Bedarf an zertifiziertem Holz bei Handel und Holzverarbeitern größer als das Angebot. Durch die Expansion des FSC bei gleichbleibender Personalmenge wurde das Angebot an FSC-Holz zwar größer, die Koordination und Kontrolle der Prozesse musste darunter aber notgedrungen leiden. Auch aktuell kann nicht genug Personal finanziert werden, um den reibungslosen Ablauf der Prozesse zu garantieren, da das meiste Geld an die Zertifizierer fließt. Hierzu sind Verhandlungen im Gange. Andererseits erwägt das Exekutivbüro, neue Dienste anzubieten, um neue Geldquellen zu erschließen, aber diese Überlegungen sind noch in der Anfangsphase. Bei der derzeitigen dünnen Personaldecke jedenfalls sind die Abarbeitung von offiziellen Beschwerden („complains“) und Reformvorhaben kaum zu gewährleisten.
Der in den FSC-Statuten festgelegte Prozess für offizielle Beschwerden gegen bestehende FSC-Zertifikate ist ein wichtiges Instrument, um Fehler bei der Zertifikatsvergabe zu korrigieren. Leider ist eine Häufung von Beschwerden festzustellen, da bei immer mehr Zertifikaten grundlegende FSC-Prinzipien verletzt werden. Insbesondere einige große Zertifizierungsfirmen nehmen es mit der verlangten Legalität und Partizipation der lokalen Bevölkerung nicht so genau. Da insbesondere in den Tropen, aber nicht nur dort, Landrechtsprobleme und illegaler Holzeinschlag allgegenwärtig sind, tun sich viele Zertifizierer schwer damit, diese Sachverhalte zur Nichtvergabe des FSC-Zertifikates heranzuziehen. Derzeit gibt es viele FSC-Zertifikate, die teils illegalen oder sozial/ökologisch nicht verantwortlichen Forstbetrieben die Unbedenklichkeit bescheinigen und somit die Glaubwürdigkeit des gesamten FSC ernsthaft gefährden. Da die offiziellen Beschwerdeprozesse kompliziert und langwierig (v.a. durch Personalmangel im Exekutvbüro, s.o.) sind, kommt es nur selten zur Aberkennung der Zertifikate und bislang gar nicht zu Konsequenzen für die schlechten Zertifizierer.
Die Zertifizierer selbst sind darüber hinaus gar nicht so unabhängig wie angenommen. Als bezahlter Dienstleister des zu zertifizierenden Betriebes haben sie ein natürliches Interesse daran, dass das Zertifikat auch vergeben und die Arbeit bezahlt wird. Und wer leichter Zertifikate vergibt, wird von umstrittenen Betrieben natürlich lieber beauftragt als strengere Firmen. Aufgrund ihrer Macht und Bedeutung für den FSC brauchen große Zertifizierungsfirmen derzeit auch keine Konsequenzen zu befürchten, wenn sich Aberkennungen von erteilten Zertifikaten häufen. Das führt dazu, dass eine ganze Reihe von Zertifikaten grundlegende Prinzipien von Legalität, Partizipation und ökologischer Nachhaltigkeit missachten, die großen Umweltverbände sich aber trotzdem gezwungen fühlen, auch diese Forstbetriebe zu empfehlen. Es werden Gespräche mit den Zertifizierern geführt, um den Cashflow etwas mehr in Richtung Exekutivbüro zu leiten und somit eine bessere Kontrolle und Qualität des FSC zu garantieren. Zur Zeit ist das Siegel allerdings von nur sehr eingeschränkter Glaubwürdigkeit. Dies ist der Hauptkritikpunkt vieler Umweltverbände am FSC.
Das meiste FSC-Holz, das uns im Alltag begegnet, kommt von Plantagen, meist sogar von Eukalyptusplantagen. Eukalyptusplantagen waren schon oft und sind weiterhin Ziel von Kampagnen, da sie bezüglich Ökologie und Landrechten („Grüne Wüsten“) große Probleme schaffen. Die FSC-Kriterien für Plantagen enthalten nur wenige zwingende Vorschriften, so dass es Plantagen bis heute leicht haben, ein FSC-Zertifikat zu bekommen. Dies bringt Umweltverbände in die schwierige Lage, einerseits Kampagnen gegen Eukalyptusplantagen zu führen und andererseits deren allgegenwärtiges Holz empfehlen zu sollen. Dieses Problem war in den letzten Jahren eines der am heißesten diskutierten Themen innerhalb des FSC und führte zu einer Arbeitsgruppe und einem anschließenden Online-Konsultationsprozess, der am 16. November letzten Jahres zu einem endgültigem Reformvorschlag gegenüber dem Exekutivbüro führte. Der Vorschlag beinhaltet eine stärkere Berücksichtigung von ökologischen und sozialen Bedingungen, eine stärkere Partizipation der betroffenen Bevölkerung und eine stärkere Kontrolle der Zertifizierung von Plantagen generell. Seit April dieses Jahres wird die technische Umsetzung dieser Vorschläge in die Wege geleitet. Damit scheint eine Verbesserung dieses Problems auf den Weg gebracht.
Neben diesen internen Problemen gibt es noch die grundlegenden Grenzen des FSC zu beachten. Zum einen endet seine Aussagekraft am Waldrand, genauer gesagt an der Rückegasse. Konkret heißt das, dass fast jeder in Deutschland produzierte Baumstamm in der Ökobilanz einem aus Borneo oder Amazonien hergeschifften FSC-Baumstamm überlegen ist. Auch können FSC-Möbel voll mit giftigen Chemikalien sein, da das FSC-Siegel darüber keine Aussage macht. Dies ist dem durchschnittlichen Kunden kaum zu vermitteln. Zum zweiten gibt es derzeit keine wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse, wie ein ökologisch nachhaltiger Holzeinschlag in den Tropen auszusehen hat. Experten schätzen, dass ein Baum pro Hektar pro 100 Jahre nachhaltig sein könnte, dies ist aber weit von jedem derzeitigen Wirtschaftsmodell entfernt. Insofern müssen alle FSC-Betriebe in den Tropen als ökologisch nicht nachhaltig betrachtet werden. Dann ist das FSC-Siegel ein Zertifikat für den Holzhandel, v.a. den internationalen Holzhandel. Es fördert den industriellen Holzeinschlag und drängt die lokale, ganzheitliche Nutzung des Lebensraum Wald durch die lokale Bevölkerung weiter an den Rand. Und schließlich weckt es falsche Hoffnungen im Bezug auf eine Verlangsamung der Entwaldung. Es ersetzt nicht die Anstrengungen um gute Forst- und Landrechtsgesetzgebung sowie deren effektive Umsetzung. Es kann nicht das Problem des illegalen Holzeinschlags lösen. Im Gegenteil. In Brasilien haben FSC-Betriebe neue Urwaldgebiete erst mit Straßen erschlossen und illegale Holzfäller auf den Plan gerufen. Alle FSC-Betriebe in Naturwäldern sind dort von illegalen Holzfällern belagert, die steigenden Holzexporte begünstigen auch den illegalen Holzeinschlag. In Indonesien musste ein FSC-Zertifikat aberkannt werden, da der Betreiber den illegalen Holzeinschlag nicht in den Griff bekam. Generell kann man davon ausgehen, dass kein FSC-zertifizierter Naturwald länger als 50 Jahre überleben wird, was den Sinn des Zertifikates ad absurdum führt, zumal die Plantagen fast durchweg nicht empfehlenswert sind. Die Beschäftigung mit dem FSC hat die Umweltverbände viel Zeit und Geld gekostet. Wenn diese gebundenen Ressourcen in andere Waldkampagnen geflossen wären, hätte man vielleicht mehr erreichen können.
Am Schluss sollen noch Konkurrenz-Zertifikate wie der weitverbreitete PEFC (früher „Pan-European Forest Certificate“, heute „Programme for the Endorsement of Forest Certification schemes“) und das malaysische MTCC-Holzsiegel erwähnt werden. Beiden gemeinsam ist, dass sie von der Forstindustrie als Antwort auf den FSC geschaffen wurden, dass in ihnen die Forstindustrie sich selber bescheinigt, wie gut sie ist, dass sie inhaltlich wesentlich schwächer als der FSC sind und von praktisch keinem Umweltverband anerkannt werden. Politiker fallen manchmal auf sie herein und werden dann von den Umweltverbänden darauf hingewiesen.
Fazit
Ein Großteil der FSC-Zertifikate sind unglaubwürdig, v.a. in den Tropen. Dies liegt nicht nur an internen Defiziten (starke Wirtschaftslobby, wenig Personal für Beschwerdenbehandlung), sondern auch an grundlegenden Dingen wie Landrechten, illegalem Holzeinschlag und Tropenökologie. FSC-Betriebe sind keine isolierten Inseln und perfekte Forstwirtschaft kann nicht gelingen, wenn der Betrieb von illegalen Holzfällern belagert ist. Ein reformierter FSC müsste den Einfluss der Wirtschaftslobby beschränken und die Glaubwürdigkeit des Siegels über die Expansion setzen. Grundsatzdiskussionen über eine Reform finden derzeit im FSC statt, Teilreformen sind in die Wege geleitet. Derzeit kann niemand mit Sicherheit sagen, ob der FSC in seiner jetzigen Form überleben wird oder nicht.
Bei allem muss beachtet werden, dass freiwillige Handelssiegel nur einen beschränkten Wirkungsgrad haben. Sie fördern Export und Industrie, sie benachteiligen in der Regel die lokale Bevölkerung und deren Subsistenzwirtschaft. Und sie ersetzen nicht die Anstrengungen um gute Gesetze und deren Umsetzung (Governance). Im Gegenteil: Sie setzen sie praktisch voraus, da .Handelssiegel alleine keine Legalität verbreiten können. Inwieweit sich die Anstrengungen für solche Handelssiegel lohnen, muss im Einzelfall gut geprüft werden. Ein Allheilmittel sind solche Handelssiegel jedenfalls nicht.