Aktuelle Urwaldschutz-Gesetzesvorschläge in Brasilien, Deutschland und international
Brasilien
Im Februar wurde kurz nach dem Mord an Dorothy Stang ein Paket von Umweltmaßnahmen im Parlament eingebracht, das schon seit längerem in verschiedenen Gremien diskutiert, aber durch den Anlass früher als geplant vorgelegt wurde. Neben der Ausweisung neuer Schutzgebiete und dem Einsatz von Militär in Pará beinhaltet das Paket einen umstrittenen Gesetzesvorschlag, der die Waldnutzung in Amazonien völlig neu regeln soll. Danach sollen zwei neue Behörden, nämlich der Brasilianische Forstdienst (SFB) und die Nationalstiftung für Forstliche Entwicklung (FNDF) gegründet werden, welche die Konzessionsvergabe zur Nutzung öffentlicher Wälder an die Privatwirtschaft regeln sollen. Dies soll keine Privatisierung von öffentlichen Wäldern bedeuten, sondern im Gegenteil die derzeitige Nutzung in geregelte und weniger zerstörerische Bahnen lenken und bis zu 95% des Einschlags legal machen. Illegale Landnahme, die derzeit allgegenwärtig ist, soll durch Überprüfung der Managementpläne rückgängig gemacht werden, indem schlechte Bewirtschafter keine Konzession bekommen. Mit dem Gesetzesvorschlag sind noch viele Unklarheiten verbunden, z.B. ob die neuen Behörden nun die Umweltbehörde IBAMA schwächen oder stärken und deren Kompetenzen beschränken, ob die neuen Strukturen mehr bewirken, als die unterfinanzierte IBAMA bislang schaffen konnte, ob die hohe Dringlichkeitsstufe des Gesetzes gut oder schlecht ist (eine Kommission muss innerhalb von 45 Tagen über das Gesetz entscheiden) und ob das Problem der illegalen Landnahme durch das Konzessionssystem wirklich in den Griff zu bekommen ist. Die Arbeitsgruppe der NGOs in Amazonien (GTA) erkennt den Konsultationsprozess als demokratisch an. Umweltschützer sehen gute Ansätze im Gesetzesvorschlag, deren Unterstützung hängt aber auch von der geplanten Umsetzung ab, in der IBAMA und die neuen Behörden mehr Einfluss auf die reale Politik in Amazonien haben müssen als bisher.
International
Vom 8. bis 10. März fand in Hong Kong ein internationales Treffen von 120 Vertretern der Regierungen, der Wirtschaft und von Umwelt- und Sozialverbänden statt, um Lösungen für das Problem „illegaler Holzhandel“ zu diskutieren. Das Treffen war das erste dieser Größenordnung und deshalb von besonderer Bedeutung. Eingeladen hatte „The Forest Dialogue“, eine internationale Koalition von Vertretern aus all diesen Bereichen, u.a. von der Weltbank, dem WWF, dem World Resources Institute, dem Forstinstitut an der Universität Yale und Wirtschaftsvertretern.
Konkrete erste Ergebnisse waren ein Aufruf an die G8, ihre Verantwortung als Verbraucher von illegalen Holzprodukten bewusst zu werden und den Herkunftsländern durch erhöhte Entwicklungshilfe bei der Bekämpfung des illegalen Holzhandels zu helfen. Eine Delegation von „The Forest Dialogue“ wird global mit Regierungen über ein koordiniertes Vorgehen reden. Bisherige Diskussionsforen zu dem Thema werden vernetzt.
Einen Monat später, vermutlich als Folge dieser Konferenz, veröffentlichte eine Koalition aus Umwelt- und Wirtschaftsverbänden eine Erklärung, in der ein EU-Waldschutzgesetz gefordert wird, das die Einfuhr von Holz und Holzprodukten aus illegalen Quellen verbietet. Zu den Unterzeichnern zählen neben Greenpeace, WWF und FERN auch 70 Unternehmen, darunter so gewichtige wie IKEA und Obi. Nach Ansicht der Unternehmen kann nur eine klare EU-Gesetzgebung den Rahmen für einen fairen, nachhaltigen Holzhandel in Europa schaffen. Der bisher von der EU verfolgte Aktionsplan gegen illegalen Holzhandel (FLEGT) reicht nach Ansicht der Unterzeichner nicht aus, um das Problem des illegalen Holzhandels in den Griff zu bekommen. FLEGT setzt auf freiwillige bilaterale Vereinbarungen mit einzelnen Herkunftsländern wie z.B. Indonesien. Die EU-Kommission lud eine Woche darauf die Vertreter von Umwelt- und Wirtschaftsverbänden zur Diskussion nach Brüssel ein, um mit ihnen den FLEGT-Aktionsplan zu besprechen. Dabei wurden auch Fallbeispiele präsentiert, u.a. aus Amazonien. WWF und Greenpeace betonten, dass es auch legalen Raubbau an den Wäldern gebe, der durch diese Maßnahmen nicht verhindert würde. „Friends of the Earth“ (FoE) Amazonien wies auf das noch nicht aufgegriffene Problem der illegalen Landnahme hin.
Insgesamt scheint sich global endlich ein effektiver Dialog zwischen Vertretern aus Regierungen, Wirtschafts- und Umweltverbänden gebildet zu haben. Insbesondere die gemeinsamen Veröffentlichungen von Wirtschafts- und Umweltverbänden zumindest im internationalen Bereich machen Hoffnung auf konkrete Fortschritte, auch wenn deutsche Wirtschaftsverbände anscheinend noch nicht zum Dialog bereit sind. Internationale Wirtschaftsverbände erkennen jetzt an, dass der illegale Holzhandel auch aus wirtschaftlichen Gründen bekämpft werden muss, um einen nachhaltigen und fairen Holzhandel zu gewährleisten. Dies ist eine neue Entwicklung, die KoBra begrüßt.
Deutschland
Die Bundesregierung beteiligt sich am Prozess für ein EU-weites Vorgehen gegen illegalen Holzhandel, will aber auf Bundesebene weiter voran gehen. In einer Anhörung mit Umwelt- und Wirtschaftsverbänden am 19. April stellte Umweltminister Trittin seinen Entwurf für ein deutsches Urwaldschutzgesetz vor, dass den Besitz und die Vermarktung von illegal geschlagenem Holz verbieten soll. Trittin betonte die dramatische Lage, in der jährlich ca. 15 Mio. ha Wald illegal gerodet werden, den Erzeugerländern 10-15 Mrd. US-$ entgehen und z.B. in Brasilien ca. 80% des geschlagenen Holzes illegal ist. Der Handel in Deutschland soll durch das Gesetz verpflichtet werden, die Herkunft und Legalität seiner Hölzer vom Einschlag bis zum Endprodukt nachzuweisen, aber dem Handel bei der Einführung des Nachweissystems gewisse Freiheiten lassen. Der Gesetzesentwurf bezieht sich nur auf Betriebe mit mehr als 100.000 € Jahresumsatz sowie nur auf Holz, das nach dem 1.1.2007 geschlagen wird. Bei Nichtbeachtung wird voraussichtlich ein Bußgeld von bis zu 50.000 € drohen. Der EU-Prozess verlaufe laut Trittin zu schleppend und nur nach bilateralen Abkommen mit den Herkunftsländern. Auch freiwillige Selbstverpflichtungen reichten nicht mehr aus. Da die Gesetzesinitiative von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ausging, wird mit einem schnellen Gesetzgebungsverfahren gerechnet. Das Gesetz muss dann noch von EU-Kommission und WTO abgesegnet werden.
Die Umweltverbände begrüßten durchweg den Gesetzesentwurf. Laut WWF übernimmt Deutschland damit EU-weit und global die Vorreiterrolle im Urwaldschutz. Allerdings könnten die Beschränkung auf Urwaldholz und auf Großbetriebe sowie möglicherweise parteiische Prüfstellen für kriminelle Praktiken ausgenutzt werden. Greenpeace sieht in dem Gesetzesentwurf „eine reale Chance, die Kettensägen in den Urwäldern zu stoppen“, zumal die bisherigen Bemühungen auf internationaler und EU-Ebene sich in den letzten acht Jahren als unzureichend erwiesen haben. Der NABU mahnt bei aller Zustimmung zur Achtsamkeit bei Plantagenholz, das im Gesetz nicht berücksichtigt wird. Robin Wood mahnt zur Vorsicht bei Herkunftszertifikaten, da sie derzeit in großem Maßstab gefälscht werden oder wertlos sind. Auch Pro Regenwald unterstützt das Urwaldgesetz und kritisiert die Haltung des Gesamtverbands Deutscher Holzhandel, der das Gesetz ablehnt, aber nicht einmal eine freiwillige Selbstverpflichtung hinbekommt. Die Deutsche Forst- und Holzindustrie ist zwar ebenfalls gegen illegalen Holzhandel, lehnt aber einen nationalen Alleingang ab und befürchtet ein negatives Image für Holzprodukte und gar Nutzungsbeschränkungen für heimische Hölzer. Der Holzhandel befürchtet hohe Kosten und zu viel Bürokratie durch das neue Nachweissystem.
KoBra sieht in dem Gesetzesentwurf eine gute Chance, den international stockenden Prozess zur Bekämpfung des illegalen Holzhandels wieder in Gang zu bekommen. Der EU-Aktionsplan mit seinen bilateralen Vereinbarungen ist zu schwach und zu langsam, um eine Trendwende einzuleiten. Da auch internationale Wirtschaftsvertreter mittlerweile harte Gesetze gegen illegale Holzimporte fordern, sollte das deutsche Urwaldgesetz in dieser Form durchsetzbar, effektiv und international beispielhaft sein.