Versuchskaninchen: nach bestem Wissen und Gewissen?
(Quelle)
Stell Dir vor, es ist Freitag, eine arbeitsreiche Woche neigt sich seinem Ende zu und nach mehreren Tagen unterwegs in den Dörfern steuerst Du Dein zuhause an. Dein Rucksack ist voller Schmutzwäsche und das Auto staubbedeckt von den rumpligen und ausgetrockneten Erdstrassen. Je näher Du kommst, umso mehr freust Du Dich auf das Wiedersehen mit Deiner Familie. In dem Moment wo Du die Tür aufmachst kommen Dir Deine Kinder und Deine Frau entgegen und umarmen Dich. Dann werden Neuigkeiten ausgetauscht und man erfährt dass man ungefragt zum Gentechnikversuchskaninchen geworden ist.
Unglaublich? Nein, denn genau das ist mir vor gut einem Jahr widerfahren. Während ich eine Woche unterwegs war, haben die lokalen Verantwortlichen tausende von genmanipulierten Mücken hinter unserem Haus ausgesetzt. Klar nach bestem Wissen und Gewissen, wie Du später erfährst, denn es soll nicht wieder zu neuen Dengue-Fieber-Epidemien in der Stadt kommen.
Soweit so gut, denkst Du Dir, denn wer selbst einmal Dengue-Fieber wie ich hatte, wünscht dies niemanden. Du wirst von Fieberattacken gebeutelt, alle Lider tun Dir weh und der Kopf scheint auseinander zu schellen. Im schlimmsten Fall kann es gar bis zum Tod führen.
Seit diesem Ereignis ist mittlerweile ein gutes Jahr vergangen. Damals wie heute, produziert die Firma OXITEC, mit Sitz in London, seine mutierten Mücken im Labor. Die produzierten Männchenmücken sollen die Reproduktion der AEDES AEGYPTI (Dengue-Fieber-Überträger) unterbinden und die eklodierten Eier bereits im Larvenstadium abtöten. Diese Mücken wurden zuerst auf den Kaimanischen Inseln – dem Steuerparadies – sowie in Malaysien ausgesetzt. Anschliessend kamen sie dann für die ersten Tests auch nach Brasilien.
Im Vorfeld wurde die Bevölkerung kaum von diesem Vorhaben informiert. Auch ein Jahr danach findet man kaum öffentliche Studien und Berichte, die nachweislich die Effizienz der Labormücken hinterlegen. Laut einem der wenigen Berichte von Margareth Capurro, Professorin an der Universität in São Paulo, die seit Beginn diese Versuche sehr kritisch verfolgt, kam es allerdings zu keiner Verbesserung oder Verringerung der Anzahl von Dengue-Erkrankungen und Epidemien in den letzten Monaten.
Die Realität belegt sogar, das die Fälle von Dengue-Fieber während der letzten Monate, trotz den Tausenden von der Gemeinde teuer bezahlten Mücken die monatlich – auch immer noch hinter unserem Haus – ausgesetzt wurden stark zugenommen haben. Dies erklärt warum genau in Jacobina im März diesen Jahres, vom Bürgermeister der Ausnahmezustand wegen einer neuen Epidemie ausgehängt wurde.
Was mich dabei aber nun wirklich wütend macht und auf mein totales Unverständniss stosst ist, dass trotz dieser ernüchternden Ergebnisse, der Konzern OXITEC von der Nationalen technischen Kommission für Biosicherheit (=CTNBio) nach der Testperiode die offizielle Verkaufsberechtigung erhalten hat. Es kann doch nicht sein, das obwohl noch keineswegs klar ist welche Auswirkungen – im schlimmsten Fall kann es zu noch aggressiveren Dengue-Erkrankungen kommen – dieses Produkt einfach freigegeben wird. Dabei möchte ich hier die unzähligen bereits bekannten negativen Beispiele und Auswirkungen der genmanipulierten Samen und immer resistenter werdenden Schädlinge in der Landwirtschaft gar nicht anführen.
Nur fürs Protokoll: Es gibt eine sehr wirksame und billigere vorbeugende Massnahme gegen Dengue: sanitäre Grundversorgung sowie ein funktionierendes Klär- und Abwassersystem.