Uranmine verseucht Grundwasser, gesteht staatliche Minenbetreiberin INB erstmals ein

Lateinamerikas einzig in Betrieb befindliche Uranmine im brasilianischen Nordosten, im Bundesstaat Bahia, verseucht das Grundwasser der Anwohner/innen, gesteht die staatliche Minenbetreiberin ein - tut aber nichts.
| von Christian Russau
Uranmine verseucht Grundwasser, gesteht staatliche Minenbetreiberin INB erstmals ein
Der offene Tagebau der Uranmine bei Caetité. Photo: CPT Bahia

Lateinamerikas einzig in Betrieb befindliche Uranmine liegt im brasilianischen Nordosten, im Bundesstaat Bahia. In Caetité, in der Mine Lagoa Real, werden jährlich 400 Tonnen Urankonzentrat gewonnen und von der INB (Indústrias Nukleares do Brasil) zu "Yellow Cake" weiterverarbeitet, der in Kanada und Europa angereichert wird und wieder zurück nach Brasilien gelangt, um dort in Brennstäben in den Atomkraftwerken von Angra dos Reis - RJ eingesetzt zu werden. Die Anwohner/innen der Uranmine wurden von den Behörden nie informiert oder befragt. Nun hat der Betreiber INB erstmals zugegeben, dass das Trinkwasser der Bevölkerung in der Umgebung der Mine durch die Uranmine radioaktiv belastet ist. Dies berichtet die Anti-Atomaktivistin Zoraide Vilasboas auf dem Informationsportal Ecodebate.

INB habe in einer Erklärung im Juli dieses Jahres, die an die Anwohner/innen der Umgebung der im Moment wegen Umweltschäden von den Behörden stillgelegten Mine verteilt wurde, aber erklärt, die Werte der radioaktiven Belastungen des Grundwassers durch die Mine läge unter den Gesundheits gefährdenden Grenzwerten. Die Aktivistin Vilasboas berichtet aber, der Bürgermeister der betroffenen Gemeinde Lagoa Real in Caetité, rund 700 Kilometer von der Landeshauptstadt Bahias, Salvador, entfernt gelegen, habe der Bevölkerung mitgeteilt, die entsprechenden Brunnen seien geschlossen worden, dies auf Basis der Fachanalyse der INB selbst, da das Brunnentrinkwasser "für den menschlichen Gebrauch ungeeignet" sei. Jedoch, so Vilasboas, die entsprechenden Brunnen seien nie geschlossen worden von den Behörden. Auch jetzt noch, drei Monate nach der Ankündigung des Bürgermeisters und der Verlautbarung der INB, sei kein Brunnen von den Behörden versiegelt worden.

Indessen ist diese Erkenntnis nicht neu. Bereits 2008 hatte eine von Greenpeace Brasilien in der Nähe der brasilianischen Uranmine Lagoa Real durchgeführte Studie ergeben, dass das Trinkwasser bis zu siebenfach über den zulässigen Grenzwerten mit Uran belastet war.

Wie die Anwohner/innen das Leben mit der Mine von nebenan sehen, berichtet der Dokumentarfilm von Thomas Bauer:

 

Indessen hat die INB offenkundig eine Lösung für ihr Problem der noch per gerichtlichem Beschluss geschlossenen Mine Lagoa Real bei Caetité gefunden. Denn die INB teilte unlängst mit, in der Nähe der bestehenden Mine Lagoa Real, in zwei Kilometern Entfernung, werde demnächst eine neue Uranmine im offenen Tagebau eröffnet werden. Die Umweltbehörde Ibama habe vor kurzem die diesbezügliche Genehmigung erteilt. Indessen setzt die INB ihre Haupthoffnung noch immer auf die neue Uranmine Santa Quitéria im Bundesstaat Ceará, die Ende 2018 eröffnet werden soll. Dort, in der gemischten Uran- und Phosphatmine bei Santa Quitéria soll Uran und Phosphat gleichzeitig abgebaut werden. Dann lohnt sich die Ausbeutung dort gleich doppelt: Das Privatunternehmen Galvani Mineração soll die geschätzten nahezu neun Millionen Tonnen Phosphat bei einem anfänglichen Produktionsvolumen von jährlich 120.000 Tonnen abbauen, um den boomenden Agrarsektor Brasiliens - so der explizite Wunsch der Regierung - mit einheimischen Rohstoffen für die Düngemittelproduktion zu bedienen. Zur Zeit importiert Brasilien 75 Prozent seines jährlichen Düngemittelbedarfs. Gleichzeitig wird die staatliche Atomfirma Indústrias Nucleares do Brasil (INB) in der Uranmine Itataia bei Santa Quitéria jährlich zunächst 800 Tonnen Uranoxid abbauen. Angestrebt wird die doppelte Produktion. Das gesamte Uranvorkommen der Mine soll sich - so äußerte sich bereits 2009 der Präsident Atomfirma INB, Alfredo Tranjan Filho - auf 142 Tausend Tonnen Uranoxid (U3O8) belaufen.

Was aber sind denn die Wege brasilianischen Urans?

Laut der staatlichen Atomfirma Brasiliens, INB, liefert Brasilien sein Uran seit einigen Jahren „exklusiv“ nach Frankreich. Zuvor wurde das Yellowcake aus Caetité zur Verarbeitung zu Uranhexafluorid (UF6) zur Cameco nach Kanada gesandt, von dort zu weiteren Weiterverarbeitung zu gasförmigen Urandioxid (UO2) nach Europa zur britisch-niederländisch-deutschen Urenco geschickt, bevor es dann wieder nach Brasilien geht, um bei Angra 1 und 2 und bald auch Nummer 3 zur Stromgewinnung eingesetzt zu werden. Mit dem Verweis auf den „Exklusivvertrag“ zwischen INB und Areva (im Rahmen des Baupakets Angra 3) versucht der brasilianische Atomstaat den sich zusammenschliessenden Kritiker aus Brasilien und Deutschland den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Betriebswirtschaftlich argumentativer Unfug
Die Argumentation der INB ist aber brüchig – und letztlich eine Mogelpackung: Selbst wenn es stimmen würde, dass alles Yellowcake aus Brasilien nur noch nach Frankreich ginge (warum hat man diesbezüglich nichts von der kanadischen Cameco über den Wegbruch eines großen Rohstofflieferanten gehört?), selbst dann heißt der Argumentationsbruch der INB-Areva-Exklusivgeschichte: Lingen. Die dortige Brennelementefabrik gehört der Areva-Tochter Advanced Nuclear Fuels GmbH (ANF). Es ist stark zu zweifeln, dass Areva in der Lage wäre zu beweisen, dass sie keinerlei ihrer in Deutschland gelegenen Brennelementefabriken mit Uran, das auch aus Brasilien kommt, beliefern. Betriebswirtschaftlich wäre so etwas schlicht Unsinn. Hinzu kommt die Bedeutung des Stabndorts Lingen für Areva. Der Spiegel schrieb: „Die Stadt Lingen im Emsland taucht in der BfS-Tabelle am häufigsten als Start- und Zielort von Transporten auf. Dort hat Advanced Nuclear Fuels (ANF) seinen Sitz, eine Tochterfirma des französischen Areva-Konzerns, des größten Nuklearunternehmens der Welt. Areva versorgt Atomkraftwerke in Deutschland, Frankreich und anderen Ländern mit Brennelementen.“

Verschleierung mit System
Die Verschleierung der Herkunft und Ziele der Urantransporte hat dabei System. Die Berichte und Protokollierung der Urantransporte, für die das Bundesamt für Strahlenschutz zuständig ist, reichen immer nur bis zu den Grenzen. „Hier endet unsere Zuständigkeit“, heißt es dann lapidar von Behördenseite. Berechnet man die Herkunft des aus dem Ausland nach Deutschland transportierten Urans nur auf Basis der BfS-Tabelle, so scheint das Hauptherkunftsland von Uran Frankreich zu sein. Und der Hauptabnehmer des in Deutschland angereicherten und aufbereiteten Urans? Ebenfalls Frankreich.

Wenn also beispielsweise die Urenco im westfälischen Gronau Urandioxid produziert hat und das Material nach Frankreich geht, kann es sowohl in Frankreichs Meilern eingesetzt werden – oder aber andernorts, in Brasilien beispielsweise. Wenn der Brennstab bei ANF in Lingen hergestellt wird, weiss (fast) niemand, ob das über Frankreich gelieferte Material im Ursprung aus Brasilien oder aus Niger kommt, in Kanada oder in Frankreich angereichert wurde und dann erst bei der Urenco landete.

Aufschluss darüber könnte nur eine weltweite Analyse aller (jeweils bis zu Staatsgrenze) dokumentierten (und zusammengerechneten) Uran- und Uranverbindungentransporte geben.