Umweltlizenzverfahren für Staudamm am Tapajós gestoppt

Am 4. August hat die brasilianische Umweltbehörde IBAMA das Genehmigungsverfahren für den Staudamm São Luiz de Tapajós gestoppt und offiziell zu den Akten gelegt.
| von jan.erler@kooperation-brasilien.org
Umweltlizenzverfahren für Staudamm am Tapajós gestoppt
Bleiben dem Tapajós Staudämme wie Belo Monte erspart? (Foto: Christian Russau)

Der Staudamm São Luiz de Tapajós mit einer vorgesehenen jährlichen Kapazität von 8.040 MW sollte der größte eines Komplexes mit mehr als 40 geplanten Wasserkraftwerken am Tapajós und seinen Nebenflüssen werden. Als Begründung für die Einstellung des Genehmigungsverfahrens nennt das technische Gutachten der Behörde die mit dem Dammbau erfolgende Überflutung des Indigenen Territoriums Sawré Muybu, das zum traditionellen Gebiet der Munduruku gehört. Für die Anlegung des Stausees wäre die erzwungene Umsiedlung dreier indigener Gemeinschaften erforderlich, was gegen die Verfassung verstößt. Als weiterer Grund für die Einstellung des Genehmigungsverfahrens wurde die mangelhafte Prüfung der Umweltauswirkungen des Staudamms angegeben.

Die Einstellung des Genehmigungsverfahrens für den Staudamm kann als wichtiger Erfolg im Kampf gegen den Bau von Großstaudämmen an Amazonasflüssen gewertet werden. Dieser Erfolg ist nicht zuletzt dem Engagement der Indigenen Munduruku, die erbitterten Widerstand gegen das Projekt leisteten, und ihren Unterstützer*innen zu verdanken.

Organisationen, die sich gegen die Staudammpläne einsetzen, äußerten jedoch Befürchtungen, dass der Baustopp nicht von Dauer sein wird. So fehlen laut MISEREOR-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel noch entscheidende Schritte zu einem endgültigen Aus für den Staudamm[1]. Erinnert sei an der Stelle an den Megastaudamm Belo Monte am Fluss Xingú, dessen Baupläne aufgrund massiver Proteste und dem Rückzug internationaler Geldgeber wie der Weltbank Ende der 80er Jahre vorübergehend auf Eis gelegt wurden. Unter der Regierung von Lula da Silva wurde die Planung des Projektes im Rahmen des „Programms für beschleunigtes Wachstum“ (PAC) wiederaufgenommen und 2011 eine partielle Baugenehmigung durch die IBAMA erteilt. Nach jahrelangem Widerstand von Umweltaktivist*innen und betroffenen traditionellen Bevölkerungsgruppen sowie mehrfach gerichtlich verhängten Baustopps befindet sich das Projekt im Prozess der Fertigstellung. Die ersten Turbinen wurden im Mai 2016 in Anwesenheit der gegenwärtig vom Amt suspendierten Präsidentin Dilma Rousseff offiziell in Betrieb genommen.

Im Fall des Staudammprojektes São Luiz de Tapajós könnte das für den Bau zuständige staatliche Energie-Unternehmen Eletrobrás erneut ein Genehmigungsverfahren einleiten. Die aktuelle Entscheidung für den Genehmigungsstopp nimmt zudem keinen Bezug auf den Verlauf der weiteren geplanten Staudammprojekte des Tapajós-Komplexes. So sollen am Tapajós die Großstaudämme Jatobá and Chacorão entstehen. Am Nebenfluss Jamanxim sind vier Staudämme geplant: Cachoeira do Caí, Jamanxim, Cachoeira dos Patos and Jardim do Ouro. Mit dem Bau von vier Staudämmen am Nebenfluss Teles Pires wurde bereits begonnen: Sinop, Colider, Teles Pires and São Manoel. Für den kürzlich fertiggestellten Teles Pires Damm wurden die Sete Quedas Wasserfälle, eine heilige Stätte der Munduruku und anderer indigener Völker, geflutet.

Mit der Errichtung des Tapajós-Komplexes ist auch der Ausbau des Tapajósflusses als industrielle Wasserstraße (hidrovia) vorgesehen. Diese soll mit Verbindung zur Bundestraße BR 230 (Transamazonica) als Teil eines Korridors zum Transport von Export-Gütern aus Agrobusiness und Bergbau dienen. Der Ausbau des Tapajós zum hidrovia würde u.a. Ausbaggern des Flussbettes, Flutung durch Dämme an Flussabschnitten, die bisher nicht von großen Schiffen befahrbar sind, und Anlegen von Schiffsschleusen an den Staudämmen bedeuten.

Die Umsetzung des Tapajós-Staudamm-Komplexes könnte weitreichende soziale und ökologische Folgen für die Amazonasregion haben. Für die etwa 12.000 Munduruku ist der Fluss Tapajós die Lebensader. Die geplanten Dämme würden große Teile ihres Territoriums überschwemmen. Veränderte Wasserkreisläufe und Auswirkungen auf die umliegenden Landschaften hätten negative Auswirkungen auf die Lebensformen der Munduruku und anderer traditioneller Bevölkerungen, u.a. auf Wasserversorgung und Nahrungsquellen. In den Planungsprozess der Staudammprojekte wurden diese Bevölkerungen nicht entsprechend internationaler Vorgaben zum Recht auf freie, vorherige und informierte Zustimmung einbezogen.


[1] https://www.misereor.de/presse/pressemeldungen/staudammbau-am-tapajos-gestoppt/