Seit dem kalten Putsch in Brasilien – teils auch schon im spannungsgeladenen Vorfeld, ist die Zahl der Landkonflikte in Brasilien wieder drastisch angestiegen. Vor allem aber werden sie wieder in einer Brutalität ausgetragen, wie sie in den letzten Jahren eher unüblich war. Beinahe wöchentlich erreichen uns Pressemitteilungen der CPT und MST.
Erst letzte Woche kam es zu einem Massaker in Taquaruçu do Norte (Colniza), im entlegenen Norden Mato Grossos, mit 10 Toten (fwd: Artikel deutsch; Notiz der CPT). Nur wenige Tage danach kam es auch im Norden von Minas Gerais, auf der Fazenda América, zu Schüssen durch ‚Privatmilizen‘ und einen weiteren Überfall androhten. Beides sind Regionen in welchen sich aktuell die Agrargrenze verschiebt (u.a. aufgrund anderer Nutzungsmöglichkeiten durchGentechnik und Pestizide). Beide Vorfälle waren vorab angekündigt worden und dienen zur ‚Neuordnung‘ seit längerem bestehender Konflikte angesichst der ‚Untätigkeit‘ der Justiz in solchen Fällen. Sie zielen aber auch auf die Einschüchterung einer ganzen Region und als Botschaft einer neue Atmosphäre der Gewalt.
Zu Beginn der vergangenen Woche, am 17. April (dem int. Tag der Landlosen und 21. Jahre nach dem Massaker von Eldorado de Carajás) hat die CPT ihren jährlichen Bericht zu Landkonflikten für 2016 vorgestellt. Laut dem Berischt sind im vergangenen Jahr 61 Kleinbauern, Indigene und Landlose in Auseinandersetzungen um Land ermordet worden – ein Anstieg von 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und der höchste Wert seit 2003. Ferner sind 2016 die Fälle von Vertreibungen von Kleinbauern um 232 Prozent gestiegen. In 2017 erfasste die Landpastorale vor dem Massaker von Taquarau/Colniza bereits zehn Morde.
Die zunehmenden Landkonflikte sind einerseits ein deutliches Zeichen dafür, dass in dieser unsicheren und veränderten politischen Konstellation auf Bundesebene Großgrundbesitzer, die Agrarlobby oder lokale Autoritäten die Dinge wieder auf ihre Weise ‚regeln‘ – und es auch tatsächlich können. Zum anderen sind es die Auswirkungen der partiell außer Kraft gesetzten Agrarreform und dem sich aktuell vollziehenden Umbau und Autonomieverlust des INCRA (als Verwaltungsbehörde welche nun direkt dem Präsidialamt Temers unterstellt ist). Die neue Regierung strebt eine ‚Neuordnung‘ der zahlreichen ‚ungeklärten‘ Besitzverhältnisse an – aber nicht um diese der Agrarreform zur Verfügung zu stellen, sondern um die vermeintlichen und durch Korruption erkauften Ansprüche der Großgrundbesitzer zu legalisieren.
Die Art und Weise der Austragung der Landkonflikte hatte aufgrund der stärkeren Intervention der Bundesbehörden seit Lulas Amtsantritt demokratischere Züege angenommen (bsp. Justiz auf Bundesebene; bsp: Anti-Sklaverei Behörde. Aber weit davon entfernt, gut zu sein. Jedoch fast nur dort wo es Verschiebungen der Agrargrenzen im Nordosten, im Amazonasgebiet oder bei Staudammkonflikten zu beobachten gab). Die aktuelle Erruption von Gewalt aber zeigt deutlich, dass weder die Konflikte gelöst, ologarchische Strukturen verändert oder die Einstellung der lokalen Großgrundbesitzer sich verändert haben.
Quelle: Amig@s do MST