"Staudamm-Terrorismus in Conceição do Mato Dentro, Minas Gerais - Brasilien"

ÖFFENTLICHE ERKLÄRUNG der Studiengruppe für Umweltfragen der Staatlichen Universität von Minas Gerias GESTA-UFMG über die Situation der von dem Minas-Rio-Projekt der Firma Anglo American in Conceição do Mato Dentro-MG Betroffenen.
| von GESTA
"Staudamm-Terrorismus in Conceição do Mato Dentro, Minas Gerais - Brasilien"

Die Studiengruppe für Umweltfragen der Staatlichen Universität von Minas Gerias GESTA-UFMG bringt ihre tiefe Besorgnis und Solidarität mit den Bewohnern der Gemeinden São José do Jassém und Água Quente zum Ausdruck, die von dem Minas-Rio-Projekt der Firma Anglo American in Conceição do Mato Dentro-MG betroffen sind. Am Freitagnachmmittag (3. Januar 2020), wurden die anliegenden Bewohner durch die Warnsirene für einen möglichen Bruch eines Dammes für Bergbaurückstände (Tailingsdamm) terrorisiert, dessen Genehmigung zur Erhöhung erst kurz vor Weihnachten, am 20. Dezember 2019, von der Kammer für Bergbauaktivitäten (CMI) des Rates für Umweltpolitik des Staates Minas Gerais (COPAM) ohne angemessene technische und soziale Analyse erteilt wurde und im Widerspruch zu den Prinzipien, die im Staatsgesetz 23291/2019, genannt "Mar de Lama Nunca Mais" (“Nie mehr ein Schlammmeer” -  ein Verweis auf die jüngsten Staudamm-Katastrophen in Brumadinho (2019) und Mariana (2015), bei denen Hunderte von Menschen getötet und zwei wichtige Flussbecken im Südosten Brasiliens zerstört wurden), festgelegt wurden.  

Während das Jahr 2019 mit schweren Menschenrechtsverletzungen der Firma zu Ende ging, die von den Bewohnern und Forschern der GESTA-UFMG bei den zuständigen Stellen der Landesregierung von Minas Gerais angeprangert wurden, beginnt das neue Jahr nun mit der Verzweiflung der Gemeinden, die sich im Einflussbereich dieses ruchlosen Unternehmens befinden. Die GESTA-UFMG, eine Forschungsgruppe, die seit 10 Jahren in der Region arbeitet, hat bereits umfangreiches technisch-wissenschaftliches Material über das Leiden der Bewohner und die Verletzung ihrer Rechte durch den Bergbau produziert. Unter den verschiedenen seit 2013 erhobenen Problemfällen befinden sich das mehrfache Ausfließen von giftigen Substanzen aus dem Tailingsdamm und der zum Projekt gehörenden Erzpipeline, die den Tod von Fischen und Haustieren, die Verunreinigung von Bächen und Flüssen, die Beeinträchtigung der Wasserversorgung der Bevölkerung und anderen Faktoren nach sich zog und das Leben an diesen Orten unmöglich machen. Siehe Link: https://conflitosambientaismg.lcc.ufmg.br/conflito/?id=582
Neben der historischen Vernachlässigung der Lebensweisen der Gemeinden streitet das Bergbauunternehmen die Legitimität dieser Gruppen als Betroffene ab, und schlägt verschiedene "optionale" Vereinbarungen zur Umsiedlung vor, die keine wirkliche Lösungen für die von der Bevölkerung aufgezeigten Probleme erlauben. Die Installation von Sirenen in den unterhalb des Dammes gelegenen Gemeinden war eine Maßnahme, die Anglo American der Bevölkerung gegen ihren Willen auferlegt hat, die klar zum Ausdruck brachte, dass sie nicht mehr in diesem Risikogebiet, bzw. in dieser “Selbstrettungszone” leben will.
Es handelt sich um eine Art neuen Kolonialismus, der von den Bergbauunternehmen in aktiver Zusammenarbeit mit dem Staat ausgeübt wird.  Die Errichtung und der Betrieb der Bergbauaktivitäten geschieht in einem Klima von Terror im Rahmen "verwalteter Unsicherheit und geplanter Vernachlässigung" (Scott, 2009). Ein solcher Prozess zerbricht diejenigen Gruppen, die bereits durch den historischen Prozess des brasilianischen Nationalstaatsbildung am verwundbarsten wurden. Auch heute noch ist er durch eine Entwicklungsideologie charakterisiert, der von Beginn an arme, farbige und indigene Menschen ausschließt und nur einem sehr kleinen Teil der nationalen und internationalen Eliten zugute kommt.

Deshalb wenden wir uns gegen:
-  die Verletzung der Rechte in Conceição do Mato Dentro
- die Verweigerung eines menschenwürdigen Lebens der betroffenen Bewohner
- die lächerlichen Vorschläge zur Umsiedlung der Menschen, die die Fortführung und Rekonstruktion ihrer Lebensweise nicht erlauben.
- jegliche versteckten Strategien der Enteignung der Gemeinden, Landnahme sowie die "optionale" Umsiedlung von Menschen
- den Staudamm-Terrorismus.

Studiengruppe für Umweltfragen - GESTA/UFMG
Belo Horizonte, 4. Januar 2020

 

Redaktionelle Anmerkung: Die gegen die zerstörerischen Folgen von Bergbau in Brasilien kämpfenden sozialen Bewegungen haben den Terminus "Terrorismo de barragem" ("eigentlich "Damm-Terrorismus") geschaffen. Dieser wäre im Falle von Dämmen im  Bergbau eigentlich als "Rückhaltebecken-Terrorismus" oder "Tailing-Terrorismus" zu übersetzen, was allerdings sprachlich sich nicht gleich jeder/m erschließt. Da es den "Staudamm-Terrorismus" auch bei Wasserkraftwerken gibt, wird also hier der allgemeinere Begriff "Staudamm-Terrorismus" verwendet. /CR