Präsidialdekret: Militarisierung der Umweltüberwachung in Amazonien schreitet voran
Die Kontrolle, Überwachung und Bekämpfung von Umweltdelikten in Amazonien teilen sich normalerweise das Chico-Mendes-Institut für Biodiversitätserhalt ICMBio, das zuständig ist in allen Naturschutzgebieten, während die Umweltbehörde Ibama für die Überwachung der Umweltauflagen in Indigenen Territorien, den grenznahen sowie den anderen dem Bund gehörenden Flächen in Amazonien zuständig ist. Normalerweise können die Aktionen der beiden staatlichen Institutionen von Mitgliedern der Streitkräfte oder der Bundespolizei bei den Vor-Ort-Einsätzen begleitet werden.
Das nun von Jair Bolsonaro verabschiedete Dekret Decreto Nº 10.341 vom 6. Mai 2020 dreht die Weisungsbefugnis aber um und unterstellt ICMBio und Ibama direkt der Entscheidungsgewalt der Streitkräfte. Konkret obliegt es nun laut Artikel 3 des Dekrets dem Verteidigungsminister, über mögliche Einsätze und deren Durchführung zu entscheiden. Kommt es zu einem Einsatz, so müssen sich die Mitarbeiter von Ibama und ICMBio den Anordnungen der Vertreter der Streikräfte unterordnen, Planung, Durchführung und Nachbearbeitung unterliegen dem Militär. Dies gilt für alle in Amazonien befindlichen Naturschutzgebiete, alle dortigen Indigene Territorien, den grenznahen sowie den anderen dem Bund dort gehörenden Flächen. Bei allen anderen Gebieten in Amazonien obliegt die Entscheidung über Einsatz der Streitkräfte zur Bekämpfung von Umweltdelikten dem Gouverneur des jeweiligen Bundesstaates, der eine entsprechende Anfrage an das Verteidigungsministerium in Brasília zu schicken hat.
Kritiker:innen sehen in dem Dekret einen weiteren Schritt der Bolsonaro-Regierung, die zur Einhaltung und Überwachung des Schutzes der Umwelt zuständigen Bundesbehörden wie Ibama und ICMBio gezielt zu schwächen und gleichzeitig eine fortschreitende Militarisierung des Staatsapparats durch Besetzung der Schlüsselstellen mit Militärs beziehungsweise, wie in diesem nun vorliegenden Fall, die Arbeit ganzer Behörden unter eine letztlich militarisierte Aufsicht zu stellen.
Hinzu kommt der direkte Verdacht, dass das Dekret in direktem Zusammenhang mit einem Vorfall von vor wenigen Wochen im Zusammenhang steht. Im März unternahmen die Spezialeinheiten zur Umweltüberwachung der Behörde Ibama in den Indigenen Territorien Araweté, wo sich auch in freiwilliger Isolation lebende Indigene im Gebiet des Igarapé Bom Jardim befinden, im Indigenen Territorium Trincheira Bacajá, wo Kayapós und Xikrin leben, sowie im Indigenen Territorium Apyterewa des Volkes der Parakanã eine Vorortaktion gegen illegale Schürfgebiete, bei der erhebliche Mengen an teilweise schwerem Gerät zur illegalen Rodung, Ausbaggerung und Verarbeitung der Bodenressourcen sichergestellt wurde und dann, wie vom Gesetz vorgeschrieben, aus Gründen der Unzugänglichkeit der abgelegenen Region von den Umweltbeamten vorschriftsgemäß in Brand gesteckt wurden, da ein Abtransport nicht möglich war und sicher gestellt werden musste, dass es zu keiner erneuten Inbetriebnahme der illegalen Aktionen mittels der Gerätschaften komme. Dieses gesetzeskonforme Vorgehen wurde von einem Fernsehteam von Globo gefilmt und am 12. April dieses Jahres im quotenträchtigen Sonntagabendprogramm "Fantástico" landesweit ausgestrahlt. Eine Woche darauf wurden der Abteilungsleiter im Umweltministerium, der zuständig ist für alle operativen Vor-Ort-Überwachungseinsätze, Hugo Loss, sowie der Koordinator der Umweltüberwachung im Ibama, Renê Luiz de Oliveira, vom Umweltminister Ricardo Salles direkt entlassen. Hugo Loss war in dem "Fantástico"-Fernsehbericht, dessen Bilder auch vom deutschen ZDF übernommen und ausgestrahlt wurden, einer der Interviewten.
Brasiliens rechtsradikaler Präsident Jair Bolsonaro und sein ihm politisch gleichgesinnter Umweltminister Ricardo Salles, hatten nie einen Hehl aus ihrer Sympathie für Goldschürferei jeder Art, ob legal oder illegal, gemacht und bereits im ersten Jahr der Präsidentschaft Bolsonaros mehrmals öffentlich das eigentlich gesetzeskonforme Vorgehen der Ibama gegen illegale Brandrodungen und Goldschürferei auf das Schärfste kritisiert und Anordnungen erlassen, das Privateigentum der (illegal und kriminell operierenden) Goldschürfer dürfe nicht länger von dem Beamten des Ibama zerstört werden. Umweltminister Salles traf sich während seiner nun knapp anderthalb Jahre währenden Amtszeit zudem wiederholt mit erklärt illegal oprierenden Goldschürfern und illegal Tropenholz rodenden Akteuren, ließ sich bereitwillig händeschüttelnd und in die Kameras grinsend mit diesen ablichten und versprach ihnen eine "neue" Umweltpolitik im Land. Dies setzen Bolsonaro und Salles nun schrittweise um.