Indigene Bewegung erzwingt den Stopp von REDD+ Projekt in Pará
13. August 2015 in Santarém, Pará: Im Anschluss an eine Demonstration der Indigenen Bewegung des Rio Tapajós besetzen rund 200 Demonstrant*innen das Gebäude der Umweltbehörde ICMBio Ihr Protest richtet sich unter anderem gegen das von der Behörde initiierte REDD+ Projekt in der Resex Tapajós-Arapiuns. Dieses Schutzgebiet soll die Kultur und Wirtschaftsweise (Sammler- und subsistenzorientierte Landwirtschaft) der ansässigen Bevölkerung ermöglichen und die nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen garantieren. Es existiert seit 1998 und nimmt eine Fläche von knapp 6 500 km2 ein, auf der heute mehr als 18 000 Personen in über 70 Gemeinden leben. Vor zwei Jahren, im Winter 2013, hat das Verwaltungsgremium der Resex Tapajós-Arapiuns ein Dokument verabschiedet, in dem Nutzung und Schutz der natürlichen Ressourcen geregelt sind. Wie nun Ende Mai bekannt wurde, soll die Umsetzung der vorgesehen Aktivitäten aus diesem Plan über Gelder aus CO² Krediten im Rahmen von REDD+ finanziert werden – ein Vorhaben, dem viele Akteur*innen sehr kritisch gegenüberstehen.
Seit der UN-Klimakonferenz 2005 COP 11 in Montreal hat Waldschutz einen neuen Stellenwert in den internationalen Klimaverhandlungen eingenommen. Da Wälder große Mengen an CO² speichern und dadurch stabilisierend auf unser Klima wirken wird ihr Schutz für den Menschen zunehmend interessanter. Zudem machen CO² Emissionen aus der Forstwirtschaft über 17% aller anthropogen verursachten Ausstöße aus. Um hier anzusetzen wurde ein Finanzierungsmechanismus entwickelt, der REDD, bzw. in seiner heutigen Weiterentwicklung REDD+ genannt wird (Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation). Durch die Umrechnung der im Wald enthaltenen CO² Bestände in monetäre Beträge soll es möglich sein, walderhaltende Maßnahmen durch finanzielle Ausgleichszahlungen zu honorieren und so – kurz gesagt – den Schutz von Wald finanziell attraktiver zu machen als dessen Abholzung. Eine extrem umstrittene Logik. Befürworter*innen preisen REDD+ als innovativen Mechanismus der Green Economy, der durch seine marktwirtschaftliche Orientierung zu langfristigem Schutz von Regenwald beitragen kann ohne Wirtschaftswachstum zu gefährden. Kritiker*innen weisen indes auf die mangelnde Einbindung der lokalen Bevölkerungen hin, auf Fälle von Landraub und auf die Aufhebung des nicht emittierten Kohlenstoffs, der durch Zertifikatehandel nun anderorts (zumeist in Ländern des globalen Nordens) den Ausstoß von CO² legitimiert.
Für das REDD+ Projekt in der Resex Tapajós-Arapiuns setzt sich vor allem die Umweltbehörde ICMBio ein. Gemeinsam mit weiteren brasilianischen Partnerorganisationen (Funbio und Biofílica) möchte sie möglichst schnell ein Pilotprojekt umsetzen. Die niederländische Entwicklungsorganisation ICCO Cooperation finanziert das Vorhaben. Als durch die Bundesregierung im Mai per Dekret eine Arbeitsgruppe für die Implementierung des Projektes geschaffen wurde, begann sich auch die Öffentlichkeit für das Thema zu interessieren.
Um die Einbindung der lokalen Bevölkerung zu garantieren, begann die beteiligte Organisation Biofílica kurz darauf Informationsveranstaltungen in Gemeinden des Schutzgebietes durchzuführen. Das geht dem Ministério Público Federal jedoch nicht weit genug. In einem Treffen am 4. August kritisiert es die mangelnden Partizipationsmöglichkeiten für die Bewohner*innen, die im Vorfeld nicht in die Planungen mit eingebunden waren und nun ohne ausreichende Hintergrundinformationen über bereits ausgehandelte Pläne entscheiden sollen. Dies widerspricht der ILO Konvention 196, welche die Mitwirkung lokaler Bevölkerungsgruppen an solchen Prozessen fordert und ist demnach nicht rechtmäßig. So musste die Arbeitsgruppe die Implementierung unterbrechen. Erst nachdem ein Arbeitsplan gemeinsam mit den Gemeinden ausgearbeitet ist, sollen die Umsetzungen weitergeführt werden.
Auch von Seiten der Zivilgesellschaft wird der Prozess kritisch gesehen. Die Landarbeiter*innengewerkschaft STTR kündigte Proteste gegen diese Politik „von oben“ an und organisierte bereits im Juni gemeinsam mit den Organisationen Terra de Direitos und FASE sowie Professorin Marcela Vecchione der Gruppe „Carta de Belém“ eine eigene Informationsveranstaltung für die Bewohner*innen der Resex Tapajós-Arapiuns. Hier wurde gemeinsam über mögliche Konsequenzen des REDD+ Projektes gesprochen – und damit über Themen, die, wie die Organisator*innen befürchten, in den Infoveranstaltungen von Biofílica zu kurz kommen, da diese Organisation an der effektiven Umsetzung des Projektes sehr interessiert ist.
Insgesamt ist vor allem die Frage wichtig, wer welches Interesse an diesem Projekt hat, betont auch Padre Edilberto Sena, Radiomoderator und Aktivist aus Santarém. Aus dem Schutzgebiet selbst kommen eher zweifelnde Stimmen, befürwortet wird das Projekt momentan vor allem von externen Akteur*innen. Aber welche Vorteile bringt es für die Bevölkerung selbst?
Ausschlaggebend für die jetzige Situation war schließlich die Demonstration und anschließende Besetzung der Umweltbehörde ICMBio durch die Indigene Bewegung Mitte August. Auch sie kritisieren die mangelnde Informationspolitik von Seiten der Arbeitsgruppe sowie ICMBio und fordern einen offenen Dialog. In ähnlichen Fällen hat sich bereits gezeigt, dass REDD+ Projekte die lokale Bevölkerung in ihrem Lebensalltag und ihrer Autonomie einschränken können. Dies befürchten die Demonstrant*innen auch in der Resex Tapajós-Arapiuns. Und dieses Mal hat ihr Protest Erfolg. Im Zuge der Besetzung gibt ICMBio bekannt, den Forderungen nachzugeben und die Vorbereitungen für das REDD+ Projekt erst einmal auf Eis zu legen.