Illegale Goldgräberei noch immer im Yanomami-Territorium
Eine Reportage des Online-Magazins G1 zeigt, dass nach einem Jahr Amtszeit des brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva trotz der vor einem Jahr begonnenen, auch mit temporären Einsätzen von Militärstreitkräften geführten versuchten Vertreibung des ilegalen Goldbergbaus im Yanomami-Territorium im Norden Brasiliens, der sogenannte "garimpo" in der Region noch immer sehr aktiv ist. "Unterernährte Kinder, denen man die Knochen ansieht. Eine Explosion von Malaria- und Viruserkrankungen. Hunderte von Todesfällen. Verschmutzte Flüsse, die vom Schlamm überschwemmt werden. Der illegale Bergbau, der nie ganz aufgegeben wurde, ist im Inneren des Amazonas-Regenwaldes wieder voll im Gange. Dies ist das Bild des Yanomami-Landes im Januar 2024, ein Jahr nachdem die Regierung Lula den Gesundheitsnotstand in der Region ausgerufen hatte", so das Portal G1. Laut Dario Kopenawa, dem Vizepräsidenten der Hutukara-Yanomami-Vereinigung, agieren die Goldgräber weiterhin "ungestraft in dem Gebiet", so G1.
Mit dieser Einschätzung stehen Medien in Brasilien nicht allein. Auch die Regierung selbst gesteht öffentlich ein, dass der garimpo vor allem Im Yanomami-Territorium noch im vollen Gange ist. Erst gestern fand deshalb in Brasília ein Treffen zwischen Präsident Lula und 12 Ministern und Behörden zum Thema der Bekämpfung und Vertreibung des illegalen Goldbergbaus aus dem Yanomami-Territorium statt. Dies berichten Zeitungen wie die Folha und Brasil de fato übereinstimmend. Dabei kündigte die brasilianische Bundesregierung an, was sie nun aber wirklich als "Wendepunkt" im Kampf gegen den illegalen Bergbau und die humanitäre Krise im indigenen Land der Yanomami in Roraima betrachtet: Der Ankündigung zufolge werden die Streitkräfte und die Bundespolizei PF nicht mehr wie zuvor nur sporadisch, lokal und temporär begrenzte Vor-Ort-Einsätze unternehmen, sondern eine dauerhafte Anwesenheit in der gesamten Region seitens der Streitkräfte und der Bundespolizei durchführen. Darüber hinaus wird für die verschiedenen dann in Roraima gemeinsam agierenden Bundesbehörden ein neues operatives Zentrum eingerichtet, das sich genau dieser Frage der Sicherung der Integrität des Yanomami-Territoriums widmen soll. Für das Jahr 2024 veranschlagt die Regierung in Brasília dafür insgesamt 1,2 Milliarden Reais (derzeit umgerechnet etwa 220 Millionen Euro), die in diese Initiativen investiert werden.
"Wir müssen die Frage von Roraima, den Indigenen und der Yanomami [im Besonderen] als eine Frage des Staates auffassen", so Präsident Lula gegenüber Medien. "Wir müssen uns noch mehr anstrengen und die ganze Macht des öffentlichen Apparats nutzen, denn es kann nicht sein, einen Krieg gegen den illegalen Bergbau zu verlieren", sagte Lula.
Die erste Operation zur Räumung des indigenen Landes begann im Januar 2023, kurz nach dem Ende der vierjährigen Amtszeit des rechtsextremen Präsidenten Jair Bolsonaro und nur wenige Tage nach Amtsantritt von Lula. Lula war nach Roraima gereist und die Regierung hatte einen Gesundheitsnotstand in der Region, vor allem in Bezug auf die erschreckende gesundheitliche Situation der Yanomami ausgerufen. Bei den Vor-Ort-Untersuchungen stellte das Gesundheitsministerium eine schwere Unterernährung bei den Yanomami fest. Berichte des Sekretariats für indigene Gesundheit Sesai zeigten, dass die Gesundheitsposten von der Regierung Jair Bolsonaro in einem prekären Zustand gehalten wurden, mit abgelaufenen Medikamenten, unsachgemäß wiederverwendeten oralen Spritzen und Fäkalien, die in den Stationen verstreut waren, sowie mit der illegalen Abzweigung von Lebensmitteln und Medikamenten, die eigentlich zur Behandlung von Malaria gedacht waren. Dieser Gesundheitsnotstand unter den Yanomami hing vor allem mit der gezielten Vernachlässigung durch die Bolsonaro-Regierung als auch mit verschärfenden Faktoren wie der Covid-19-Epidemie als auch der schleichenden Vergiftung der Indigenen durch das im illegalen Goldbergbau verwendete Quecksilber zu tun, das sich in den Flüssen und dort in der Nahrungskette anreichert.
Die Verpflichtung, die Eindringlinge und illegalen Minenarbeiter aus dem Gebiet zu vertreiben, wurde von Richter Luís Roberto Barroso, dem heutigen Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, während der Regierung Bolsonaro angeordnet - der die Anordnung jedoch nie umgesetzt hatte. So starteten ab Anfang 2023 die ersten ernsthafteren Versuche in der Post-Bolsonaro-Zeit, den illegalen Goldbergbau aus dem Yanomami-Territorium zu vertreiben (KoBra berichtete u.a. hier. Der ursprüngliche Plan der Regierung Lula sah vor, die Goldschürfer:innen binnen 180 Tagen zu vertreiben. Da dies nicht geschah, wies der Oberste Richter am STF, Barroso, die Regierung an, eine neue Strategie vorzulegen.
Dies ist der Hintergrund der gestrigen Entscheidung, rund 1,2 Milliarden Reais einzusetzen und das Militär dauerhaft in die Region zu entsenden. Die brasilianische Regierung hat außerdem beschlossen, dass die Lieferung von Lebensmittelpaketen per Flugzeug an die indigene Bevölkerung nur noch bis März vom Militär durchgeführt wird. Danach werde das zuständige Ministerium die Aufgaben per Auftragsvergabe an private Unternehmen ausschreiben. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums wurden seit Anfang 2023 bereits 36.600 Lebensmittelkörbe mit Grundnahrungsmitteln an die Yanomami geliefert. Auf einer Pressekonferenz im Anschluss an das interministerielle Treffen erklärte Präsidialamtsminister Rui Costa, dass gemeinsame Aktionen der Ministerien für landwirtschaftliche Entwicklung (MDA), Umwelt (MDMA) und indigene Völker (MPI) nach seinen Worten die "Wiederaufnahme der indigenen Lebensweise" in der Region fördern sollen. "Mit anderen Worten: Fischfang, Landwirtschaft und damit die Gewährleistung einer Ernährungssicherheit, die nicht von der Ankunft des Grundnahrungsmittels abhängt."
Kritiker:innen bemängeln, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung des illegalen Goldbergbaus noch umfassender ansetzen müssten. Bereits im vergangenen Jahr hatte Repórter Brasil 9 konkrete Vorschläge gemacht, von denen aber bislang seitens Regierung und Justiz noch nicht einmal die Hälfte in die Wege geleitet wurde.