Historischer Rückschritt im Umweltbereich

Der um seine Funktion als Präsident bangende Michel Temer bringt unter dem Drängen der Agrarlobby einen der größten Rückschritte im Umweltbereich in der Geschichte des Landes voran. Die Verabschiedung unpopulärer Maßnahmen ohne gesellschaftliche Partizipation ist mittlerweile zur Regel geworden.
| von jan.erler@kooperation-brasilien.org
Historischer Rückschritt im Umweltbereich
Entwaldung an der Grenze zum Parque Indígena do Xingu | Pedro Martinelli - ISA

Binnen zwei Monaten wurden Maßnahmen in Rekordgeschwindigkeit zur Abstimmung gegeben, die Schutzgebiete verkleinern, Umweltorgane schwächen, Demarkation von Territorien paralysieren und die Agrarreform ihres Charakters berauben sollen.

Beispielhaft dafür sind die Übergangsmaßnahmen (port. Medídas Provisórias) MP756/2016 und MP758/2016, die Schutzgebiete im Bundesstaat Pará um eine Fläche von insgesamt 598.000 Hektar reduzieren soll und denen der Senat am 23.Mai in blitzartiger Abstimmung zustimmte. MP 756 sieht vor, 37 % (486 ha) des Schutzgebietes Floresta Nacional (Flona) do Jamanxim in Pára in eine Área de Proteção Ambiental - eine permissive Schutzkategorie, die ökonomische Erschließung erlaubt – umzuwandeln. Außerdem soll der Nationalpark São Joaquim, der den stark bedrohten Araukarienwald in Santa Catarina schützt, um 20 % seiner Gesamtfläche reduziert werden. MP 758/2016 nutzt dieselbe Strategie der Flexibilisierung des Schutzes, indem 101.000 Hektar (11,75% der Originalfläche) von Schutzgebieten in die Área de Proteção Ambiental Rio Branco umgewandelt werden sollen. Beide Maßnahmen sind Teile eines Paketes, dass die Konstruktion der geplanten Eisenbahnstrecke 170 zum Transport von Soja, die sog. Ferrogrão, in den Bundesstaaten Pará und Mato Grosso ermöglichen soll[1]. Expert*innen des Instituto Socioambiental (ISA) zufolge bieten die bedrohten Schutzgebiete im Bundesstaat Pará einen effektiven Widerstand gegen die Entwaldung und helfen zusammen mit weiteren Schutzgebieten der Region, die letzten Verbindungspunkte zwischen den Einzugsgebieten des Xingú und des Tapajós zu erhalten[2].

Ob die Übergangsmaßnahmen in Kraft treten, hängt nun von der Zustimmung Temers ab. Dieser durchlebt gerade eine politische Krise. Um seine Macht erhalten zu können, ist er auf die Unterstützung der Agrarlobby angewiesen, die die größte Vertretung im Kongress besitzt. Die Agrarlobby hat bereits über die Parlamentarische Fraktion für Land- und Viehwirtschaft (FPA) angekündigt, den Präsidenten weiterhin zu unterstützen. Diese Unterstützung bekommt er jedoch nicht umsonst: dafür musste sich Temer eines Abkommens mit dem Umweltministerium entledigen und mehreren Änderungen im Allgemeinen Lizensierungsgesetz (Lei Geral de Licenciamento) durch den Kongress zustimmen [2].

Weiterlesen im Schwerpunkt "Historischer Rückschritt im Umweltbereich" des KoBra-Dossiers Indigene und Landrechte - Mai 2017


[1] http://www.oeco.org.br/noticias/senado-aprova-medidas-provisorias-que-recortam-ucs-na-amazonia/.

[2] https://www.socioambiental.org/pt-br/noticias-socioambientais/governo-temer-altera-unidades-de-conservacao-e-fragiliza-protecao-a-floresta-no-para .