Gensoja in Brasilien
Die Sojaernte lag im letzten Jahr bei 49,2 Millionen Tonnen, die auf 21,5 Millionen Hektar angebaut wurden. Im Vergleich zum Jahr davor war die Gesamtproduktion 2004 erstmalig zurück gegangen, vor allem aufgrund der Sojarost, von der vor allem Zentralbrasilien betroffen war. Für die diesjährige Ernte geht man davon aus, dass die Produktionsmenge wieder zunimmt und rechnet mit einer Gesamternte von gut 63 Millionen Tonnen auf 22,9 Millionen Hektar.
Dabei sieht es auf dem Soja-Markt derzeit gar nicht gut aus: Die Preise für Soja sind in den letzten zwölf Monaten um 35 % gefallen, da der Weltmarkt zunehmend gesättigt ist. Gleichzeitig stiegen die Produktionskosten durch teurere agrochemische Inputs. Die durch Sojarost betroffenen Produzenten hatten weitere, um bis zu 15 % höhere Kosten. In Goiás gingen aufgrund der schlechten Situation bereits die Bodenpreise zurück, und in Mato Grosso verzeichnen die Produzenten große Verluste. Bei Gensoja drohen Patentgebühren als zusätzliche Kosten hinzu zu kommen, ferner zeigte sich bereits, dass die gentechnisch veränderte Soja um 25 % weniger produktiv ist als die konventionelle: Gensoja in Rio Grande do Sul erbrachte im Schnitt nur etwa 90 Sack pro Alqueire, wohingegen in Paraná 121 Sack konventionelle Soja pro Alqueire geerntet wurden.
Nichts desto trotz wird für 2005 eine Ernte von 12 Millionen Tonnen Gensoja erwartet. Das sind drei Mal so viel wie im letzten Jahr und entspricht knapp 20 % der erwarteten Gesamternte. Von der letzten Ernte waren nur etwa 8 % bzw. 4 Millionen Tonnen Gensoja. Die erwartete Zahl der Gensojaproduzenten liegt knapp 44 % höher als im Vorjahr, d.h. die Gensojaflächen pro Produzent nehmen deutlich zu. Bislang führten die geringere Produktivität und die drohenden Patentkosten also noch zu keinem Umdenken bei den Gensojaproduzenten. Im Gegenteil, viele steigen jetzt erst wirklich ein, nachdem sie im Vorjahr auf einer kleinen Fläche mit Gensoja experimentiert haben.
Weitere Legalisierung von Gensoja
Mit der Abstimmung über das Gesetz zur Biologischen Sicherheit im Senat Anfang Oktober 2004 war die Möglichkeit eines rechtlichen Schutzes vor Genmanipulationen in weite Ferne gerückt. Am 14. Oktober 2004, eine Woche nach der Abstimmung im Senat, erliess Lula eine einstweilige Verfügung (MP 223/04) zum Anbau gentechnisch veränderter Soja. Mit ihr legalisierte Lula ein weiteres Mal die Produktion und Vermarktung von Gensoja. Am 12. Januar 2005 ging die MP 223/04 in das Gesetz Nr. 11.092 über, und mit der jüngsten Abstimmung über das Gesetz zur Biologischen (Un-)Sicherheit ist der Anbau von Gensoja endgültig erlaubt.
Exkurs: CTNBio bekommt umfassende Rechte
Am 02. März 2005 stimmte der brasilianische Kongress über das Gesetz zur Biologischen Sicherheit (Lei Nacional de Biossegurança) ab. Das damit verabschiedete Gesetz überlässt der CTNBio, einer technischen Kommission von Wissenschaftlern, die Entscheidungsmacht über die Zulassung von gentechnisch veränderten Produkten und erlaubt definitiv den Anbau von gentechnisch veränderter Soja in Brasilien.
Der ursprüngliche, 2003 von der Umweltministerin Marina Silva eingebrachte Gesetzesentwurf sollte die Entscheidungsmacht über genmanipulierte Produkte aus dem rein technisch-wissenschaftlichen Bereich zurück auf die politische Ebene von Umwelt- und Gesundheitsministerium heben. Der Kongress hatte dem Entwurf im Februar 2004 zugestimmt und der Entwurf durchlief danach mehrere gesetzgeberische Instanzen. Im September 2004 wurde er in wesentlichen Teilen verändert (siehe Brasilicum Nr. 127 vom Oktober 2004). Die Änderungen wurden Anfang November in der Abgeordnetenkammer diskutiert. Eine Spezialkommission analysierte die neue Version des Gesetzesentwurfs und stimmte ihr im November 2004 zu. Das Plenum der Kammer verabschiedete nun am 02. März das neue Gesetz. Greenpeace teilte mit, dass sie gegen das neue Gesetz mobilisieren würden; ebenso will der Abgeordnete Edson Duarte vom Partido Verde die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes überprüfen lassen.
Gentechnisch veränderte Soja darf auch jetzt nicht als Saatgut gehandelt werden; ebensowenig darf sie in einem Bundesstaat ausgesäät werden, aus dem sie nicht stammt. Diejenigen Produzenten, die im Erntezyklus 2004/2005 gentechnisch veränderte Soja anbauen, sollten zunächst bis zum 31. Dezember 2004, dann verlängert bis zum 31. Januar 2005, einen „Termo de Compromisso, Responsabilidade e Ajustamento de Conduta“ (TRAC, Verpflichtungserklärung) unterzeichnen, in dem sie sich verpflichteten:
- die Gensoja lediglich als Getreide, und nicht als Saatgut zu vermarkten,
- Gensoja zu vernichten, die bis zum 31. Januar 2006 nicht vermarktet ist,
- für die Aussaat im Erntezyklus 2006 nur zertifizierte Samen zu kaufen und
- mögliche Schadensersatzforderungen für Kontaminierungen zu übernehmen.
Bei Nichtunterzeichnung trotz Gensojaanbaus drohen mindestens 16.000 R$ Strafe sowie der Ausschluss von Krediten aus dem Sistema Nacional de Crédito Rural SNCR und aus Umschuldungsprogrammen der Regierung. Mittels eines Verfahrens, das augenblicklich Auskunft über gentechnische Veränderungen gibt, werden seit Ende Februar stichprobenartig Felder auf undeklarierte Gensoja überprüft.
Die Verpflichtung der Produzenten zum Schadensersatz dürfte ein Grund dafür sein, dass die Verpflichtungserklärungen zunächst nur sehr zögerlich eingingen – gleichzeitig ein Indiz, dass die Verpflichtung zumindest halbwegs ernst genommen wird. Bis zum 18. Januar waren erst knapp 34.500 der erwarteten 120.000 Erklärungen eingegangen. Am 22. Februar hatten die Behörden immerhin 110.000 Verpflichtungserklärungen registriert. Die entgültige Zahl der Eingänge steht auch jetzt noch nicht fest. Der Löwenanteil der Erklärungen, gut 92 %, kam erwartungsgemäß von Produzenten aus Rio Grande do Sul. Aus Santa Catarina stammten knapp 3 % der Produzenten, aus Paraná 2,4 %. Die wenigsten Gensojaproduzenten sind aus Mato Grosso do Sul (1,6 %) und Mato Grosso (0,07 %). Dies könnte sich schnell ändern: Der Anbau von Gensoja verzeichnet in diesen beiden Bundesstaaten mit Abstand die größten Wachstumsraten. Während bspw. in Mato Grosso in der letzten Ernteperiode nur 1.716 Hektar mit Gensoja bebaut wurden, geht man in dieser Ernteperiode von 40.000 Hektar aus. Der Anbau von Gensoja dehnt sich also rasant nach Norden aus.
Das Gesetz, mit dem der Anbau von Gensoja nun ein weiteres Mal legalisiert ist, asphaltiert weiter den Weg zur Ausbreitung der Gensoja in Brasilien. Paraná kann sich mit diesem Gesetz selbst nicht mehr als gentechnikfreier Bundeststaat deklarieren. Das Verbot, über den Hafen von Paranaguá zu exportieren, kann der Bundesstaat allerdings weiter aufrecht erhalten, und tut dies auch. Gleichzeitig stärkt das Gesetz mit dem Verbot, Gensoja als Saatgut zu verwenden bzw. zu vermarkten, den internationalen Saatgutherstellern weiter den Rücken. Möglicherweise ist deren Saatgut bis zur Aussaat im Erntezyklus 2005/2006 zertifiziert; und aufbauend auf dem Verbot zur Wiederaussaat kann der Verkauf dann losgehen.
Eine Regelung des Gesetzes stellt jedoch auch den Versuch dar, die illegalen Praktiken der Saatguthersteller, die den Schmuggel von Gensoja aus Argentinien in den vergangenen Jahren massiv vorangetrieben haben, nicht schon jetzt wieder zu belohnen: Derzeit dürfen die Saatgutherstellter laut Gesetz nur dann Lizenzgebühren von den Produzenten verlangen, wenn sie diesen nachweislich das Saatgut verkauft haben. Da der Verkauf genmanipulierten Saatguts in Brasilien bislang verboten war, Monsanto also nicht legal verkauft hat, dürfte der Konzern gegenüber den Produzenten demnach auch keine Lizenzgebühren erheben. Inzwischen jedoch hat Monsanto längst Möglichkeiten gefunden, das Gesetz zu umgehen. Im letzten Jahr hatte das Unternehmen mit Farsul und Fetag bereits ein Übereinkommen erzielt, und Gebühren eingezogen. Dies könnte es nun nutzen, um eine neue Übereinkunft zu erzielen und dann auch für dieses Jahr die Erhebung der Gebühren durchzusetzen. Sollte dies nicht möglich sein, so kündigte Monsanto bereits an, das Geld von den Importeuren im Ausland einzufordern. Diese wären dann gezwungen, bei Löschung der Schiffe im Zielhafen Lizenzgebühren zu zahlen, und würden bei den Produzenten in Brasilien dementsprechend die Abnahmepreise drücken. Inzwischen scheint Montsanto aber einen noch eleganteren Ausweg gefunden zu haben: Der Konzern verlangt von den Produzenten eine „Entschädigung für unerlaubten Einsatz seiner Technologie“. Eine „Entschädigung für offensichtliche Umkehrung von Tatsachen“ für die Bevölkerung ist bislang leider noch nicht in Sicht.