Falsches Signal: Freiheit für den Mörder von Dorothy Stang

Nach acht Jahren kommt der Mord an Dorothy Stand erneut in die Öffentlichkeit.
| von Uta Grunert
Falsches Signal: Freiheit für den Mörder von Dorothy Stang
Dorothy Stang (Photo: Terra de Direitos)

Rayfran das Neves Sales hatte die 73-jährige Ordensfrau und Umweltaktivistin im Jahr 2005 in Anapu im Bundesstaat Pará mit mehreren Schüssen getötet. Sie hatte sich gegen illegale Abholzung und die mächtigen Großgrundbesitzer aufgelehnt und sich für die Rechte der kleinbäuerlichen Bevölkerung stark gemacht. Dorothy Stang wurde nach Chico Mendes zu einer weiteren mutigen Kämpferin für die Rechte der Landbevölkerung, die ihren Einsatz mit dem Leben bezahlen musste. Zwar konnte zwei Jahre nach dem Mord nachgewiesen werden, dass Großgrundbesitzer und Sägewerksbesitzer Vitalmiro Bastos de Moura, genannt Bida, Auftraggeber der Tat war. Beide Männer wurden nach Jahre langem juristischen Ringen zu Strafen von 27 bzw. 30 Jahren verurteilt. Damals schienen die Extraktivist_innen und Kautschukzapfer_innen der Region Recht von Seiten der Gerichte zu bekommen. Doch seither wird immer wieder am Strafvollzug gerüttelt - zuletzt Anfang Juli 2013.
Nachdem die Haftstrafe des Mörders bereits in den halboffenen Vollzug (mit einer Arbeit außerhalb des Gefängnisses) umgewandelt worden war, entschied Anfang Juli 2013 der Richter Cláudio Henrique Lopes Rendeiro des ersten Bezirksgerichts von Pará, den Mann wegen guter Führung nach acht Jahren und acht Monaten in den Hausarrest zu entlassen[1]. Die einzige verbleibende Auflage besteht darin, sich monatlich bei der Justiz zu melden, innerhalb von 60 Tagen eine Arbeit nachzuweisen und abends um 22 Uhr zuhause zu sein. Der Besuch von Nachtclubs ist verboten[2].
Auch die Anwälte des Drahtziehers Bida hoffen nun auf ähnlich mildernde Umstände für ihren Mandanten. Dieser war im Lauf der Jahre mehrfach verurteilt worden, hatte sich dem Verbüßen seiner Strafe hinter Gittern jedoch immer wieder weitestgehend entziehen können.
Natürlich sieht auch die brasilianische Rechtsprechung vor, dass es Strafminderungen wegen guter Führung gibt. Dennoch ist der Urteilsspruch für die lokale Landbevölkerung im Amazonasgebiet ein alarmierendes Signal. Im brasilianischen Amazonasraum leben über zwei Millionen Menschen traditionell von den Früchten und Gütern des Regenwaldes, ohne diesen dabei zu zerstören. Die nachhaltige kombinierte Wald-Landwirtschaft wird Extraktivismus genannt und schützt die Biodiversität, sowie den Erhalt des Ökosystems. Sie ist in vielerlei Hinsicht bedroht, sei es durch kommerzielle Waldnutzung oder die Rodung des Waldes z.B. für den Anbau von Soja, Mais oder für Viehzucht.
Im Bundesstaat Pará gibt es zwanzig ausgewiesene Reservas Extraktivistas[3] (RESEX; Sammler_innen-Schutzgebiete). Die Bewohner_innen der RESEXs Ipaú-Anilzinho, Arióca-Pruanã, Tapajós-Arapiuns, Verde para Sempre und Gurupá-Melgaço sehen sich trotz des Schutzstatus in Gefahr. Landkonflikte mit illegalen Holzfällern oder Großgrundbesitzern kommen dort häufig vor. Der deklarierte Schutzstatus der Flächen wird von Seiten der Regierung nicht begleitet und für dessen Einhaltung nichts unternommen.
Die Landpastorale CPT hat daher die richterliche Entscheidung aufs Schärfste kritisiert. Nach ihrer Einschätzung steigt mit der Freilassung des geständigen Mörders die Lebensgefahr für Umwelt- und Menschenrechtsaktivist_innen der Region erneut an. Die abschreckende Wirkung von Gefängnisstrafen und der Strafverfolgung bei Gewalttaten durch das Gesetz ginge auf diese Weise verloren. Nach Angaben der CPT wurden in den vergangenen 40 Jahren 800 Landarbeiter_innen und Gewerkschaftsführer_innen aus der Landlosenbewegung in Brasilien umgebracht. In lediglich 10% der Fälle kam es zu Gerichtsverhandlungen, verurteilt wurde noch ein geringerer Prozentsatz

Endnoten:
[1] http://www.folha.uol.com.br/fsp/poder/117261-assassino-confesso-de-dorothy-stang-deixa-prisao-apos-oito-anos.shtml
[2] http://www.ebc.com.br/english/2013/07/dorothy-stangs-murderer-is-moved-from-prison-to-house-arrest
[3] http://www.socioambiental.org/banco_imagens/pdfs/Conselho%20Nacional%20das%20Populacoes%20Extrativistas.pdf