Einfluss der Agrarfraktion wächst
Ein Beispiel dafür ist der Beschluss, die Kompetenz zur Abgrenzung von Indigenen- und Quilombolagebieten von der Exekutive auf die Legislative zu übertragen. Der Entwurf wurde diese Woche verabschiedet.
Der Entwurf beinhaltet zusätzlich Gesetzesänderungen beim Einsatz von Pestiziden, beim Erwerb von Land durch AusländerInnen und bei bestehenden Einheiten von Schutzgebieten. Geschickt nutzte die „bancada ruralista“ genannte Fraktion die aktuelle Koalitionskrise, um den Entwurf durchzubringen.
Im Fall der Indigenengebiete wächst der Druck. Die großen Schutzgebiete bestehen zu großen Teilen aus zurückerstattetem Land, häufig zuvor vom Agrobusiness genutzt. Die aktuellen Rückerstattungen von Land an Indigene finden hauptsächlich im Süden, Südosten und Mittlerem Westen statt, wo das Agrobusiness stark wächst und Kontrolle über das Land immer wichtiger wird. Jeder Quadratmeter Indigenen zugesprochenen Landes zieht auch eine Reaktion des Agrobusiness nach sich.
Nicht nur der Streit in der Regierungskoalition ermutigt die Agrarfraktion. Ihre Stimme bekommt immer mehr Gewicht angesichts der Tatsache des wachsenden Außenhandelsüberschusses Brasiliens. Der Überschuss wird zum Großteil von der Agrarindustrie erwirtschaftet, und somit wächst auch die Abhägigkeit von der Agrarindustrie. Landwirtschaftliche Exporte machen inzwischen 37 Prozent aller brasilianischen Exporte aus.
In der jüngeren politischen Geschichte des Landes hatte die Agrarlobby selten so viel Macht wie heute. 1988 in den Debatten der verfassungsgebenden Versammlung konzentrierten sich dich Abgeordneten der Agrarlobby auf radikalere Vorschläge zur Agrarreform. Heute, bei praktischem Stillstand der Reform, legen sie weitergehende Vorschläge auf den Tisch.
Inzwischen geht die bancada so weit, offen Erpressungen auszuprechen. Würden keine Änderungen im „Código florestal“ zugunsten der Agroindustrie vorgenommen, werde die Zustimmung zur „Lei geral da Copa“, dem WM-Gesetz, verweigert. Der größte Streitpunkt im neuen Waldgesetz ist Artikel 62, der die Pflicht zur Aufforstung von Flussufern als Kompensation für vorgenommene Abholzung vorsieht.
Bereits in der Vergangenheit sorgte die bancada für Schlagzeilen, beispielsweise als sie im Mai letzten Jahren die Gedenkrede für das ermordete Umweltschützerehepaar Da Silva in Pará durch Piffe und Zwischenrufe störte.
Es bleibt abzuwarten ob sich Dilma die Blamage geben wird und den „Código florestal“ noch vor Rio+20 vom Parlament verabschieden lässt. Aktuelle Tendenzen deuten eher auf eine Verschiebung der Abstimmung ins Jahr 2013, wenn Rio+20 aus der Tagespresse längst verschwunden ist.
Quellen: Folha de São Paulo, Estadão, Lateinamerika Nachrichten