Brasiliens Agrobusiness und ihre internationalen Connections
Ein neuer Bericht, der heute in Kalifornien vorgestellt wird, legt die Rolle politischer Akteure in Brasilien offen, die hinter dem fortgesetzten Angriff auf Amazoniens Regenwald und dessen Bewohner*innen stehen, und enthüllt dabei die Zusammenhänge mit global agierenden Firmen und Finanzinstituten. Der von der US-amerikanischen NGO Amazon Watch zusammengestellte Bericht zeigt unter anderem, wie die Zuliefererketten von Konzernen wie bspw. Coca Cola oder die Portfolio-Zusammensetzung von Fondsgesellschaften wie Black Rock die Politagenda der einflussreichen Großfarmerfraktion im brasilianischen Nationalkongress befördern und dabei billigend die Zerstörung des weltgrößten Regenwaldgebietes, Amazonien, in Kauf nehmen, wodurch oft auch die Rechte der traditionell dort lebenden Menschen verletzt werden.
Der ganze Bericht “Complicity in Destruction: How Northern Consumers and Financiers Sustain the Assault on the Brazilian Amazon and its Peoples” kann frei auf der Internetseite von Amazon Watch [auf Englisch] heruntergeladen werden:
Der Bericht fokussiert auf die politischen und wirtschaftlichen Interessenskonflikte von sechs ruralistas, also Vertreter*innen der extrem konservativen, informellen politischen Fraktion der Großfarmer im brasilianischen Nationalkongress, die den politischen Machtarm von Brasiliens Agrobusiness repräsentieren.
Alle sechs Politiker stehen derzeit bei den für Oktober angesetzten Wahlen in Brasilien zur Wiederwahl an oder haben gezielt ihnen entsprechende Nachfolgekandidat*innen nominieren können. Alle sechs Politiker stehen hinter der knallharten ruralista-Linie, die darauf abzielt, Amazoniens Entwaldung voranzutreiben, die Umweltgesetzgebung zu schleifen und die Rechte der indigenen Bevölkerung auszuhöhlen, all dies im Sinne und zum Zweck des eigenen Familienbusiness‘.
Amazon Watchs neuer Bericht “Complicity in Destruction: How Northern Consumers and Financiers Sustain the Assault on the Brazilian Amazon and its Peoples” zeigt auf, wie diese zerstörerische ruralista-Agenda durch globale Rohstoffmärkte befeuert wird, und legt dar, welchen Reputationsrisiken sich die Firmen und Finanzakteure des Globalen Nordens durch ihre fortwährende Verbindung mit den ruralistas aussetzen.
“Wir haben diese innovative Forschungsstudie durchgeführt, um die zerstörerische Agenda der ruralistas ins Rampenlicht zu rücken“, so Christian Poirier von Amazon Watch. Dies diene auch dazu, Druck auf die Akteure aufzubauen, um diese zerstörerischen Strukturen künftig besser zu verhindern. “Während unsere brasilianischen Partner täglich dem brutalen Angriff der ruralistas auf Amazonien ausgesetzt sind und seine Bewohner*innen Widerstand leisten, stehen wir ihnen in Solidarität bei, indem wir tools anbieten, mit denen ihren unerlässlichen Bemühungen Unterstützung bekommen“, so Poirier.
Die heute vorgestellte Veröffentlichung diene, so Amazon Watch, sowohl als Aufruf an die Finanzinstitute, die Unternehmen und die Konsument*innen weltweit, die unwissentlich die von den ruralistas beförderten gefährlichen roll backs in Amazonien mittragen, als auch als sichtbares Zeichen der Solidarität mit den Indigenen Brasiliens, die tagtäglich gegen diese repressive Politagenda und deren Konsequenzen vor Ort ankämpfen.
“Wir indigenen Völker wissen seit Langem, dass große multinationale Banken und Unternehmen die ruralistas in ihrem Unterfangen unterstützen, die indigenen und traditionellen Communities sowie unsere Wälder und Flüsse zu zerstören“, erklärt Alessandra Korap Munduruku, Koordinatorin des Zusammenschlusses Pariri der indigenen Munduruku. “Sie sehen die Bäume und das Wasser als Geld, aber es ist unsere Heimat – und wir haben eine andere Art zu leben. Wir, ebenso wie die ganze Menschheit, hängen von Amazonien ab und haben daher eine Verantwortung, es zu schützen.“
“Die indigene Bewegung Brasiliens sieht, wie die Finanz- und politische Macht der großen Finanzinstitute und Unternehmen negative Auswirkungen auf indigene Landrechte in Brasilien haben“, erklärt Luiz Eloy Terena, ein Rechtsanwalt des Nationalen Zusammenschlusses der Indigenen Völker APIB. “Wir haben dies bereits dem Europäischen Parlament mitgeteilt, um dort den Boykott von Rohstoffimporten aus der Region zu fordern, die auf indigenen Land produziert wurden. Diese neuen Daten helfen uns, solide und zusammenhängende Informationen über die Verantwortlichen zusammen zu tragen, was eine der zentralen Forderungen unserer Bewegung ist“, so Luiz Eloy Terena
Unter den in dem Bericht vorgestellten ruralistas befindet sich unter anderem der Abgeordnete des Bundesstaats Mato Grosso und derzeitige Kandidat auf den Senatssitz des Bundesstaates, Adilton Sachetti, der sich für die Streichung indigener Landrechte aus der Verfassung einsetzt und dessen Soja- und Baumwollproduktion zu großen Teilen auf den guten Beziehungen zur Familie des Soja-Königs und gegenwärtigen Landwirtschaftsministers Blairo Maggi beruht. Auch der Politiker aus dem Bundesstaat São Paulo und Orangensaftproduzent Nelson Marquezelli hat sich für den Abbau des Waldschutzes eingesetzt und wird im Amazon Watch-Bericht in Verbindung mit sklavenarbeitsähnlicher Praxis gebracht, während er gleichzeitig indirekt auch Getränke-Multis wie Coca-Cola (United States), Schweppes (Schweiz) und Eckes Granini (Deutschland) beliefert.
Der Bericht “Complicity in Destruction: How Northern Consumers and Financiers Sustain the Assault on the Brazilian Amazon and its Peoples” zeigt auch die Zusammenhänge steigender Gewaltraten gegen Umwelt- und Menschenrechtsaktivist*innen mit den ruralistas auf und klärt über die damit im Zusammenhang stehende Straffreiheit sowie über diverse Korruptionsfälle auf.
Brasiliens Agrarsektor steht für 23,5% des Bruttoinlandsprodukts, aber gleichzeitig für 44,1% aller brasilianischen Exporte, was zu einer starken finanziellen und politischen Machtposition im Lande führt. Der Report legt weiterhin dar, wie diese politische und finanzielle Macht des Agrobusiness‘ im Inland zwar immun gegen Reformbestrebungen ist, gleichzeitig aber in starker Abhängigkeit des Images im Ausland steht. Der nun vorgestellte neue Bericht kann Aufklärung liefern und dergestalt dazu beitragen, dass die Praxis des Agrobusiness‘ in Brasilien sich entweder ändert – oder deren Verantwortliche schwere Imageschäden erleiden – und in Folge vielleicht auch die wirtschaftlichen Folgen ihres Handelns zu spüren bekommen.