ISA-Studie: Belo Monte erfüllt nicht die Anforderungen für die Betriebslizenz
Das sozioökologische Institut ISA veröffentlicht ein neues Dossier über den Megastaudamm Belo Monte, das sich im Detail den Auflagen widmet, zu denen sich das Betreiberkonsortium Norte Energia im Laufe des Bewilligungsvorgangs verpflichtet hat. Anfang Juli präsentierte ISA die Studie vor 100 Zuhörer*innen in Altamira am Rio Xingu. Letztendlich muss die staatliche Umweltbehörde IBAMA (Instituto Brasileiro do Meio Ambiente e dos Recursos Naturais Renováveis) Belo Monte noch die Betriebserlaubnis erteilen.
Belo Monte – Não há condições para a Licença de Operação nimmt unter die Lupe, was aus den Selbstverpflichtungen des Betreiberkonsortiums in Bezug auf infrastrukturelle Verbesserungen im Gesundheitswesen, im Bildungsbereich sowie im Abwassermanagement geworden ist und wie es um die Voraussetzungen für eine Betriebslizenz steht:
„Der Bau des allgemeinen Krankenhauses von Altamira wurde erst im März 2015 beendet, bis zur Herausgabe des Dossiers war es noch nicht in Betrieb genommen worden. Die Zahl der Opfer von Verkehrsunfällen nahm in den vergangenen vier Jahren um 144% zu (von 456 auf 1.168). Allein 2014 stieg die Zahl der Opfer von Verkehrsunfällen, die im Regionalkrankenhaus von Altamira landeten, im Vergleich zum Vorjahr um 213% an.
Daten des brasilianischen Forschungsinstituts für Bildungsfragen INEP belegen, dass mit Beginn der Bauphase des Staudamms die Nachfrage nach Grundschulangeboten im ländlichen Raum stark angestiegen ist, was zu stark überfüllten Klassen geführt hat. In den fünf betroffenen Munizipien stieg die Zahl der schulischen Misserfolge deutlich an. Im Grundschulbereich mussten 40,5% wiederholen, in der weiterführenden Schule 73,5%. 57% haben zwischen 2011 und 2013 die Grundschule abgebrochen. Mit einer Aufwertung des Bildungssektors hat diese Entwicklung sicher nichts zu tun.
Mit der Genehmigung, den Rio Xingu aufzustauen, geht man bewusst die Gefahr ein, dass die Wasserqualität in den gestauten Abschnitten sinken wird. Dies würde sich auch auf die Nebenflüsse Ambé und Panelas sowie die Grundwasserversorgung von Altamira auswirken. Die Abwässer der gewachsenen Stadt Altamira landen nach wie vor im Fluss, geplante Kläranlagen für die neuen Siedlungen wurden bisher nicht funktionstüchtig eingerichtet.“
Was wurde für die Öffentliche Sicherheit unternommen, die durch das unkontrollierte Anwachsen der Kleinstadt Altamira durch die Zuwanderung von Bauarbeitern mit erhöhter Kriminalität und sexuelle Übergriffen konfrontiert ist?
„Mit 57 Tötungsdelikten auf 100.000 Einwohner*innen erreicht der Stadtbezirk aktuell einen fünf Mal höheren Wert als ihn die Weltgesundheitsorganisation als nicht epidemisch einschätzt. Die Mordrate ist in den letzten drei Jahren um 80% angestiegen.“
Wie steht es um die Umsiedlungsmaßnahmen für städtische und ländliche Bevölkerungsgruppen, die wegen des Staudammbaus ihre bisherigen Wohnungen aufgeben mussten?
“Nach Daten vom Januar 2015 haben 1.798 Familien den Entschädigungsangeboten von Norte Energie zugestimmt: 28 Familien haben sich entschieden, in eines der von Norte Energia gebauten Häuser in einer Neubausiedlung zu ziehen. 75% haben sich für eine finanzielle Entschädigung entschieden, die allerdings nicht ausreichend war, um sich eines der teuren Grundstücke am Flussufer zu kaufen. 21% wählten das Kreditangebot, mit dem sie ein eigenes Grundstück aussuchen, das Norte Energia für sie auf Kreditbasis erwirbt. Dieses Angebot ist für den Großteil der Bevölkerung, die eine hohe Analphabeten-Rate hat, nicht praktikabel. 33 Familien haben sich für einen individuellen Umzug entschieden. Die neuen Grundstücke haben jedoch keinen Zugang zum Fluss.“
Wie wurde mit indigenem Territorien und Schutzgebieten (Unidades de Conservação) umgegangen, wie mit den betroffenen indigenen Völkern selbst?
„Im April 2015 war die Hälfte der 31 Bedingungen, die gegenüber Indigenen hätten erfüllt werden müssen, nicht erfüllt oder noch Anlass rechtlicher Auseinandersetzungen. Grundsätzlich hat der Nutzungsdruck auf den Wald in der Region stark zugenommen. Indigene Gruppen sehen sich einem extremen Anstieg des illegalen Holzeinschlags in ihren Gebieten gegenüber.“
Was ist aus den traditionellen Gemeinschaften der Flussanwohner*innen (Rhibeirinhos) und Fischer geworden?
„Die Daten belegen, dass die traditionelle Gemeinschaft der Rhibeirinhos keine Alternativen zu ihrer bisherigen Wirtschafts- und Produktionsweise am Flussufer sieht. Wegen ungenügender Analyse ihrer Lebensweise und fehlender Anerkennung als schützenswerte traditionelle Bevölkerung wurden Rhibeirinhos und Pescadores im Entschädigungsraster der Betreiber nicht berücksichtigt. Ob sie ein Auskommen im urbanen Raum oder in der Landwirtschaft finden, ist noch ungewiss.“
ISA fordert, dass die Fertigstellung und Inbetriebnahme des Wasserkraftwerks Belo Monte erst erfolgen darf, wenn grundlegende Punkte umgesetzt sind: Eine Abwasserregulierung für Altamira; Regelung des Verbleibs aller umzusiedelnden Familien sowie die Erarbeitung eines Managementplans für Terras Indígenas und Unidades de Conservação, der die territorialen Rechte der Indigenen integriert.