Indigene und katholische Bischöfe in Brasilien auf den Barrikaden
Mit Booten und Schiffen sind sie den Tapajos hinaufgefahren. Einen der großen Nebenflüsse des Amazonas. Indigene, Flußbauern und Fischer. In einer beeindruckenden „Karawane des Widerstandes“. Bis zum Ort Sao Luiz do Tapajos, wo die brasilianische Regierung den ersten von sieben Großstaudämmen am Tapajos errichten will. Gemeinsam mit drei katholischen Bischöfen der Region und zahlreichen NGOs, darunter Greenpeace Brasil, haben Hunderte Indigene vom Stamm der Munduruku am 27.11.2014 in einer großen Manifestation feierlich erklärt, dass sie weiter gemeinsam gegen die Zerstörung indigenen Lebensraumes und des Amazonasurwaldes durch immer neue Großstaudämme kämpfen werden.
Bereits im letzten Jahr haben die Munduruku ihr Gebiet erfolgreich gegen Militär, Polizei und Landvermesser verteidigt. In diesem Jahr haben sie den Versteigerungstermin für die Lizenzvergabe für den ersten Staudamm am Tapajos gekippt. Ist die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff zurück gerudert, kurz vor den Wahlen. Doch jetzt, nach der Wiederwahl der Präsidentin, fürchten die Munduruku und die katholischen Bischöfe, dass die Regierung ernst macht. So wie am Amazonasfluss Xingu.
„Nur der gemeinsame Widerstand im gesamten Amazonasgebiet kann die monströsen Pläne der Regierung stoppen. Dass ist das Signal dieser Karawane!“, sagt Dom Erwin Kräutler, katholischer Bischof von Altamira. Der Stadt am Xingu, wo bereits 25 000 Bauarbeiter den drittgrößten Staudamm der Welt, Belo Monte, zur Hälfte fertig gebaut haben. „Riesige Urwaldgebiete werden vernichtet, die Indigenen vertrieben, Zehntausende umgesiedelt, eine einmalige Tier – und Pflanzenwelt zerstört“, erklärt der Bischof, Träger des alternativen Nobelpreis und gebürtiger Österreicher. „Das alles läuft unter tatkräftiger Mitwirkung europäischer Firmen wie Andritz , Siemens, Alstom, dem Allianzkonzerns, der Münchener Rückversicherung, Mercedes Benz.“
Deswegen ist auch Christian Poirier vom der NGO „Amazonwatch“ von Paris an den Tapajos gereist. Stellvertretend für zahlreiche europäische NGOs, die die „Karawane des Widerstandes“ unterstützen. Schließlich sind es europäische Firmen, die am Staudammboom im Amazonasgebiet kräftig mit verdienen. Nicht nur indem sie Turbinen liefern, sondern auch am Amazonas riesige Aluminiumwerke betreiben und von dort aus das begehrte Metall in alle Welt exportieren, wie der norwegische Multi Norsk Hydro. Vor allem dafür braucht man immer mehr Strom und immer neue Staudämme. Obwohl das Gefälle des Amazonas so gering ist, dass man riesige Urwaldflächen fluten muss, um ausreichend elektrische Energie zu erzeugen.
Trotzdem will die Regierung über Hundert neue Staudämme im Amazonasgebiet errichten. Obwohl Brasilien schon jetzt zu 85 % von Energie aus Wasserkraft abhängig ist. Obwohl bereits heute viele Staudämme nur noch notdürftig mit Wasser gefüllt sind. Denn immer öfter bleibt der Regen aus. Eine Folge der fortschreitenden Zerstörung des Amazonasurwaldes.
„Das ist wider alle Vernunft“, beklagt Bischof Kräutler. Und verweist darauf, dass die Regierung vor allem den großen brasilianischen Baukonzernen wie Odebrecht verpflichtet ist, die Milliarden am Bau der Großstaudämme verdienen. Und die die größten „Spender“ der politischen Parteien in Brasilien sind. „Das ist der wahre Grund für den ungebremsten Staudammbau“, sagt der Bischof. Die europäischen Konzerne setzten sich einfach drauf, auf diese korrupte Struktur. Um ihre Geschäfte zu machen. Bis heute habe keine dieser Firmen mit den Indigenen oder ihm gesprochen. „Die machen einfach weiter, wie bisher.“
Doch das wollen europäische NGOs wie „Amazonwatch“, „Gegenströmung“, „Gesellschaft für bedrohte Völker“ oder „Rettet den Regenwald“ nicht einfach durchgehen lassen. „Wenn die europäischen Firmen aus den desaströsen Folgen von Belo Monte nichts gelernt haben und sich auch an den geplanten Staudämmen am Tapajos beteiligen“, sagt Christian Russau von „Gegenströmung“, „dann werden wir sie auch in Europa zur Verantwortung ziehen. Dann werden wir sie mit einer Kampagne konfrontieren, die für ihr Image nicht ohne Folgen bleibt!“.
Die Munduruku freuen solch klare Worte. Sie hoffen auf eine Welle internationaler Unterstützung. Wie 1989, als Rockstars wie Sting sich an die Spitze der Proteste stellten. Mit Erfolg. Über 20 Jahre konnte Belo Monte so verhindert werden. Heute wird der Megastaudamm gebaut. Auch weil sich Menschen in Europa mehr für den Erhalt ihres eigenen Wohlstandes interessieren und oft nicht mehr über den Tellerrand ihrer nationalen „Energiewende“ hinaus schauen.
In Brasilien selbst scheint jetzt einiges in Bewegung zu geraten. Wird das Land von einem riesigen Korruptionsskandal erschüttert. Über Jahre hinweg sollen die großen Baukonzerne bei dem staatlich kontrollierten Erdölkonzern Petrobras umgerechnet 3 Milliarden Euro durch überhöhte Rechnungen abkassiert und z.T. in die Taschen korrupter Politiker umgeleitet haben. Ganz vorne mit dabei Unternehmen wie Odebrecht, die sich auch bei Belo Monte und anderen Großstaudämmen eine golden Nase verdienen. Direktoren von Odebrecht sitzen jetzt in Untersuchungshaft – gemeinsam mit zwei Dutzend Unternehmenschefs. Auch für Präsidentin Rousseff selbst wird die Lage zunehmend bedrohlich. Hatte sie als frühere Energieministerin doch die Aufsicht über Petrobras. Laut Aussagen von verhafteten Insidern soll sie von den kriminellen Praktiken gewußt haben. Genauso wie der damalige Präsident Lula.
In Brasilien ist man gespannt, was die verhafteten Baumanager noch so alles ausplaudern werden. Auch über die schon lang vermutete Korruption beim Bau von Belo Monte und den anderen Großstaudämmen im Amazonasgebiet. Das sollte europäischen Spitzenmanagern von Siemens oder Andritz eine Lehre sein. Sie wüssten genau, was in Brasilien laufe, sagt Bischof Kräutler und trügen eine Mitverantwortung. Eines Tages würden auch sie hoffentlich zur Rechenschaft gezogen für Ihre Beteiligung an Belo Monte und den anderen Großstaudämmen – wegen Verbrechen gegen die Umwelt und die Menschenrechte.
Wegen dieser Mitverantwortung hat der brasilianische Staatsanwalt Felicio Pontes die europäischen Firmen bereits vor dem EU - Parlament angeklagt. Bis heute hat keine dieser Firmen darauf reagiert. Doch Staatsanwalt Felicio Pontes und seine Kollegin Fabiana Schneider lassen nicht locker. Sie sind auch vor Ort bei der Karawane des Widerstandes am Tapajos und haben den Munduruku ihre volle Unterstützung zugesichert. Bei der Verteidigung ihrer verfassungsmäßigen Rechte. Gegen das gesetzeswidrige Vorgehen der brasilianischen Regierung, die die Indigene bis heute nicht angehört hat.
Mit unserer dokumentarischen Langzeitbeobachtung „Count Down am Xingu“ begleiten wir seit 2009 die Konflikte um Großstaudämme im Amazonasgebiet. Auch über die „Karawane des Widerstandes“ am Tapajos werden wir berichten und die weitere Entwicklung am Xingu. In aktuellen Videos (demnächst auf www.neuewut.de) und einem weiteren großen Dokumentarfilm „Count Down am Xingu V“, der Ende 2015 oder Frühjahr 2016 erscheint. Kurzfassungen der bisherigen Dokumentarfilme finden Sie unter www.neuewut.de .
Quelle: Pressetext von:
Martin Keßler Filmproduktion
Reuterweg 55, 60323 Frankfurt a. M.
Tel.0049.69.725464, fax 0049.69.71403742
mobil 0049.171.8323502
e-mail: mart.kessler@t-online.de
www.neuewut.de