Die Allianz AG belässt es bei leeren Worten
„Die Allianz muss ihren Worten von Nachhaltigkeit auch endlich Taten folgen lassen“, forderte David Vollrath von GegenStrömung vom Vorstand der Allianz AG auf der Hauptversammlung (HV) des Versicherungskonzerns in München am 6. Mai 2015. Der Projektkoordinator von GegenStrömung bezieht sich in seiner Forderung an die Allianz auf das menschenrechtlich und ökologisch problematische Engagement des Versicherungskonzerns bei den Wasserkraftwerken Belo Monte in Brasilien und Hidrosogamoso in Kolumbien. Bei beiden Projekten versichert die Allianz die Bauphase und erwägt nun scheinbar eine Versicherung der Betriebsphase – trotz erheblicher Proteste der lokalen Bevölkerung und fortdauernder Kritik von Menschenrechtsorganisationen.
In seiner Rede zitierte David Vollrath den austro-brasilianischen Bischof Erwin Kräutler, der in einem Brief an GegenStrömung schrieb: „Das Wahsinnsprojekt Belo Monte wird vor meiner Haustür gebaut (…) und ich weiß wovon ich rede, wenn ich erkläre, Belo Monte hat nichts mit „sauberer Energie“ zu tun“, so der Bischof der größten brasilianischen Diozöse Xingu. Von dem Projekt sind bis zu 40.000 Menschen betroffen. Die Umsiedlungen von 9000 Familien, darunter 600 indigene Familien, laufen chaotisch und die brasilianische Staatsanwaltschaft musste im April 2015 ein Notfallteam einrichten, das innerhalb einer Woche mehr als 1000 Beschwerden der Bevölkerung wegen Regelverstößen des Betreiberkonsortiums Norte Energia registrierte. Zudem wird gegen sechs der zehn Firmen, die das Belo-Monte-Baukonsortium bilden, aktuell wegen der Verstrickung in einen der größen Korruptionsskandale ermittelt. Aussagen bei der Staatsanwaltschaft von führenden Managern der Baufirmen legen nahe, dass der Bau des Staudamms mit systematischer Korruption einherging. Obwohl diese Informationen der Allianz bekannt sind, stellte sie in einer Stellungnahme zu den Gegenreden auf der HV lapidar fest, dass „diesen Beeinträchtigungen“ ein „erheblicher und dauerhafter Nutzen“ gegenüber stehe. Diese Meinung besitzt die Allianz exklusiv, da eigene Recherchen von GegenStrömung, aber auch neue Studien von der Oxford University und dem Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei das Gegenteil belegen: große Staudammprojekte – vor allem in sensiblen Regionen wie dem Amazonasgebiet – sind nicht nur ökologisch und sozial unverträglich, sondern machen auch wirtschaftlich keinen Sinn. Solche Projekte nutzen Wenigen und schaden Vielen, so das Fazit der Wissenschaftler/innen.
Mit der Versicherung für die Bauphase des Hidrosogamoso-Damms in Kolumbien unterstützt die Allianz ein weiteres Projekt unter dem vor allem die lokale Bevölkerung zu leiden hat. Von den im Umweltgutachten erwähnten 30.000 betroffenen Menschen wurden bisher lediglich 289 Familien für den Verlust ihrer Häuser und Lebensgrundlagen entschädigt. Hunderte Fischerfamilien die unterhalb der Staumauer am Fluss Sogamoso leben, sind nicht einmal als betroffen anerkannt, obwohl die Wasserquantität und -qualität dort erheblich abgenommen hat und Fischfang als wirtschaftliche Grundlage nicht mehr möglich ist. Bisher sind sechs Wortführer des Widerstandes gegen den Hidrosogamoso ermordet wurden, elf weitere gelten als vermisst. Dass das größte Wasserkraftwerk Kolumbiens kein sauberes Energieprojekt ist, stellten sogar die kolumbianischen Umweltbehörden fest, die dem Hidrosogamoso-Damm eine Zertifizierung als CDM-Projekt verweigerten, weil dessen negative soziale und ökologische Folgen zu gravierend seien. Trotz dieser katastrophalen Auswirkungen von großen Staudammprojekten hält die Allianz an seiner Konzernpolitik fest und hat allein im Jahr 2014 Versicherungen für 89 neue Staudammprojekte genehmigt, wie der Vorstand auf der HV bestätigte.
Dass bei der Allianz Rendite scheinbar vor Menschenrechten und Umweltschutz geht, verdeutlichte eine Szene bei der HV. Nachdem die Vertreter/innen des Dachverbandes der Kritischen Aktionäre, von urgewald e.V. und GegenStrömung ihre Reden gehalten hatten, in denen sie von der Allianz mehr Engagement beim Menschenrechts- und Umweltschutz einforderten und dies von den anwesenden 6000 Aktionär/innen mit Applaus honoriert wurde, ermahnte der scheidende Vorstandsvorsitzende Michael Diekmann die Aktionär/innen. Diejenigen die applaudieren, müssten sich bewusst sein, dass eine nachhaltige Unternehmenspolitik nicht umsonst zu haben sei und Kosten verursache, so Diekmann. Ein klarer Hinweis an die Aktionär/innen, dass verantwortliches Unternehmenshandeln angeblich nur mit Renditeverlusten zu machen sei und dies die Anleger/innen teuer zu stehen käme. Dass eine klima- und umweltschädliche Konzernpolitik, die Menschenrechtsverletzungen billigend in Kauf nimmt, langfristig mehr Schaden anrichtet, als ein rechtzeitiges Umsteuern zu einem tatsächlich nachhaltigen Unternehmenshandels, schien Diekmann nicht in den Sinn zu kommen.
Die Widersprüche der Konzernpolitik in Sachen Nachhaltigkeit brachte der Vertreter des Dachverbands der kritischen Aktionäre, Christian Russau, in seiner Rede auf dem Punkt: „Hierzulande, wo man ja selbst die schönen Flüsse und Seen genießen will, da setzt sich die Allianz-Stiftung für Renaturierung ein – in Brasilien, in Amazonien allemal, da hilft die Allianz kräftig mit, die Flüsse plattzumachen.“
Auf die Frage, ob der Vorstand glaube, dass die Allianz-Stiftung dem eigenen Konzern ihren Umweltpreis verleihen würde, antworte Diekmann: „Nein, ich glaube eher nicht.“ In Bezug auf die eigene Nachhaltigkeitsagenda war das einer der wenigen glaubhaften Einschätzungen der Allianz an diesem Tag.
Quelle: GegenStrömung