Amazonas-Allianz fehlt ein konkreter Handlungsplan, kritisieren Expert*innen
„Wir müssen die Tatsache feiern, dass die acht Länder beschlossen haben, in die gleiche Richtung zu schauen, jedoch können wir nicht ignorieren, dass die Abschlusserklärung kein konkretes Ziel hervorgebracht hat, wie wir es erwartet hatten“. So bewertet Kamila Camilo, Umweltaktivistin, Leiterin des Davos Lab Brazil des Weltwirtschaftsforums und Gründerin der Creators Academy gegenüber Integridade ESG die Gründung der Amazonas-Allianz für den Kampf gegen Entwaldung am letzten Tag des Amazonasgipfels in Belém, den 09. August.
Kamila und andere Umweltaktivist*innen drücken ihre Frustration aus, dass Brasilien keinerlei ehrgeizige Ziele im Kampf gegen die Abholzung gesetzt hat. Auch Márcio Astrini, Geschäftsführer des Observatório do Clima, zeigte sich der Presse gegenüber enttäuscht: „Es ist doch nicht möglich, dass in einem Szenario wie diesem, acht Amazonas-Länder es nicht schaffen in einer Erklärung in Großbuchstaben einzufügen, dass Abholzung gleich null sein muss und Erdöl mitten im Regenwald abzubauen keine gute Idee ist“.
Die Erwartung von Kamila Camilo war, dass das Land den Gipfel auf konsequente Art führen würde, mit der Vorstellung einer Strategie, oder wenigstens eine strategische Arbeitsgruppe aufstellen würde, um diesen Kamp [gegen Entwaldung] zu dirigieren. „Es fehlte die Präsentation einer Strategie“, fasste sie im Interview mit Integridade ESG zusammen.
Dia Amazonas-Allianz an sich, die sich aus den acht Ländern (Brasilien, Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Guiana, Peru, Suriname und Venezuela) des Abkommens für Amazonische Kooperation (OTCA) zusammensetzt, wurde von Kamila Camilo als ein Fortschritt gewertet. Es ist eine Verbesserung in dem Sinne, dass alle sich einig sind, dass [der Kampf gegen] Abholzung notwendig und eine geteilte Verantwortung ist. Ihrer Meinung nach ist das große Problem, dass die Herausforderung anerkannt wird, aber keinerlei Lösung vorgestellt wird.
„Dies führt dazu, dass wir in die üblichen internationalen Diskussionen verfallen, bei denen es zwar schöne Worte, aber kaum einen Aktionsplan gibt. Jetzt, da wir uns auf eine gemeinsame Agenda geeinigt haben, stellt sich die Frage, wie der Aktionsplan aussieht", betonte sie.
Bemühungen zur Bekämpfung der Entwaldung müssen Vereinbarungen mit Pan-Amazonien-Ländern umfassen
Die Leiterin des brasilianischen Davos Lab ist der Ansicht, dass die Entwaldung nur dann wirksam bekämpft werden kann, wenn die Pan-Amazonas-Länder mit Hilfe anderer internationaler Organisationen eine koordinierte Politik betreiben. Sie betonte die Notwendigkeit der folgenden Punkte:
Die Länder, die sich dem Pariser Abkommen inklusive des green climate funds verpflichtet haben, müssen in Sachen Intelligenz und Überwachungsgeräten zusammenarbeiten und mehr Satelliten einsetzen, und Überwachungsstellen wie das INPE in Brasilien stärken, um unsere Daten zu qualifizieren".
Darüber hinaus ist es nach Ansicht der Umweltaktivistin notwendig, die militärischen Kräfte aller Länder zu koordinieren, um bei der Überwachung des Amazonasgebiets präsent zu sein und einen aufmerksamen, genauen Blick und eine auffällige Präsenz bei der Überwachung zu zeigen.
„Es ist fundamental, die Bevölkerung zu schützen, die tatsächlich den Schutz der amazonischen Wälder und Städte übernimmt. 80% der mehr als 40 Millionen Menschen in Pan Amazonien leben in Städten. Ich halte es auch für wichtig, den städtische Struktur zu fördern, damit die Menschen, die dort leben, sich für die Erhaltung von Gebieten einsetzen können, die nicht städtisch sind“, sagte sie.
Kamila betonte auch die Bedeutung von Hilfen für Familien, vor allem für Bergbauarbeiter*innen, damit sie ihr Land nicht an Viehzüchter*innen verkaufen, und von einer öffentlichen Einkommenstransferpolitik, die es den Menschen ermöglicht, sich um den "stehenden Wald" zu kümmern. Das Land muss auch mehr Schutzgebiete schaffen, mehr indigenes Land abgrenzen, Land zurückgeben, Land aus den Händen von grileiros nehmen und das Landregister überarbeiten, und zwar auf koordinierte Weise und im Rahmen eines Aktionsplans zur kontinuierlichen Überwachung und Kontrolle.
„Wir können uns nicht einfach darüber freuen, dass die Zahlen [bzgl. Abholzung] in diesem Monat gut waren, und dann z.B. die Präsenz der Kontrollorgane schmälern", schloss Kamila Camilo.
Indigenist kritisiert Regierungsprojekt zur Erdölförderung im Amazonasgebiet
Marco Antônio Mota, genannt Marquinho Mota, Indigenist und Projektkoordinator für das Forum des östlichen Amazonasgebiets (FAOR), hofft, dass die Amazonas-Allianz zur Bekämpfung der Entwaldung etwas bewirken wird, dass sie funktioniert, doch er glaubt, dass es in der Praxis sehr schwierig wird.
Ich ziehe meinen Hut vor der Regierung Lula, die alle Anstrengungen unternommen hat, um die Abholzung der Wälder und den illegalen Bergbau zu bekämpfen, aber in der Praxis ist das sehr schwierig, wenn man ein Bündnis mit der Agrarindustrie hat, wie es die Regierung tut, also für alles von der Landfraktion abhängig ist“, erklärte er gegenüber Integridade ESG.
Laut dem Indigenisten war der Amazonas-Gipfel ein „großes Theater“:
„Es war ein Ort, damit die Präsidenten ihr Theater abspielen können und sagen können, dass sie sich um Amazonien kümmern“, kritisierte er.
Er kritisierte auch Präsident Lula für seine Haltung gegenüber der Erdölforderung im Amazonasgebiet. Für ihn übernimmt das brasilianische Staatsoberhaupt nicht die "Verantwortung dafür, dass durch den Verbrauch fossiler Brennstoffe nicht mehr Kohlendioxid ausgestoßen wird".
„Genau im Gegenteil hat der Präsident eine Haltung eingenommen, sich für die Förderung von Erdöl in der Mündung des Amazonas auszusprechen, während die ganze Welt nach einer Energiewende ruft“, betonte Marquinho Mota.
// Valéria Rehder | Integridade ESG
übersetzt von Hannah Dora
Originaltext: https://integridadeesg.insightnet.com.br/ambientalistas-criticam-falta-de-plano-de-acao-na-alianca-amazonica/