Genetisch veränderter Eukalyptus als Energiepflanze – Zukunftsmusik der Green Economy in Brasilien

Brasilien ist eines der aktivsten Länder in der Entwicklung von genetisch veränderten Baumarten, um sie im Sektor Agrartreibstoffe nutzen zu können. Ein Forschungsschwerpunkt widmet sich der Baumart Eukalyptus, die auf schnelleres Wachstum und Veränderungen der Holzqualität gezüchtet wird. Über genetische Veränderungen ist eine Zunahme des Zellulosegehalts (Zellulose ist energetisch nutzbar) bei gleichzeitiger Reduktion des Ligninanteils (Lignin dient der Stabilität) möglich. Damit wird Eukalyptus noch interessanter für die holzbasierte Agrarenergieproduktion. In Brasilien wird Eukalyptus derzeit auf sieben Millionen Hektar angebaut, wobei die Regierung plant, in den nächsten zehn Jahren die Flächengröße des Eukalyptusanbaus zu verdoppeln. Es gibt sogar Bestrebungen, den Amazonas-Regenwald mit Eukalyptus „wiederaufzuforsten“, gerade der neue Código Florestal beinhaltet solche Vorstöße. Herkömmlich benötigte eine Eukalyptus-Plantage sieben Jahre bis zur Ernte, durch die neuen Züchtungen wird eine Verkürzung der Umtriebszeit auf drei bis vier Jahre angestrebt[1].  Daran arbeiten Firmen wie AraCruz und ArborGen in Brasilien.
| von Uta Grunert


Bisher diente Eukalyptusholz aus Plantagenanbau in Brasilien vor allem der Herstellung von Papier und Verpackungsmaterial, in Zukunft sind jedoch auch Energiegewinnung und Weiterverarbeitung zu Agrartreibstoff (Ethanol) interessant für die Zellstofffirmen geworden. Nach Angaben des brasilianischen Zellstoff- und Papierherstellerverbands Bracelpa[2] ist Brasilien derzeit global der viertgrößte Produzent für Zellulose und steht an zehnter Stelle im weltweiten Ranking bei der Papierproduktion. Der weltweit wachsende Energiebedarf hat die Aufmerksamkeit der Produzenten seit längerem auf so genannte Erneuerbare Energie und Nachwachsende Rohstoffe gelenkt. Schnelles Wachstum ist dabei eine wichtige Voraussetzung. Die Gentechnik, die in der Forstpflanzenzüchtung eingesetzt wird, verspricht bei ohnehin schnellwachsenden Baumarten wie Eukalyptus oder Pappel noch mehr Ertrag. In den USA haben beispielsweise Forstgenetiker die Frostempfindlichkeit der Baumart Eukalyptus herabgesetzt. Damit kann Eukalyptus auch in Höhenlagen oder Klimabereichen angebaut werden, wo dies bisher natürlich ausgeschlossen war.
Bei Eukalyptus spricht man von Agrartreibstoffen der zweiten Generation, weil statt der Früchte oder Samen der Zellstoff als Energielieferant genutzt wird. Die Ausbeute ist in diesem Fall deutlich höher. Der Zellstoff des Eukalyptus kann zu Ethanol weiterverarbeitet werden, die Forschung arbeitet bereits an der Fermentierung zu Biogas[3]. Damit winken den Plantagenbetreibern auch noch die Lockmittel der Green Economy, sind doch Investitionen in den Bereich der Erneuerbaren Energien als CDM (Clean Development Mechanism) Projekte am Kohlenstoffmarkt günstig handelbar. Auch die genetische Verbesserung des Kohlenstoffspeichervermögens[4] ist in diesem Zusammenhang interessant. Bindet ein Hektar Wald bisher zehn Tonnen Kohlenstoff pro Jahr, verdoppelt sich diese Leistung, wenn das Baumwachstum genetisch beschleunigt wird. Allerdings muss der Kohlenstoff auch nach der Ernte im Holz oder einem weiterverarbeiteten Produkt erhalten bleiben. So argumentieren die Forscher. Die negativen ökologischen und sozialen Auswirkungen großflächiger transgener Eukalyptus-Plantagen wie z.B. der zeitgleich erhöhte Wasserverbrauch bleiben dabei ausgeblendet. Gerade die Reduktion des Ligninanteils macht die Bäume instabil und anfällig bei Unwettern oder Sturm. Da auch die Folgen, die genetisch manipulierte Bäume durch Verbreitung über Pollenflug auf ihre Umgebung haben, nicht abschätzbar sind, bleibt es bisher bei Verheißungen aus Versuchen auf kleiner Fläche.  Bislang wurden transgene Bäume auf größeren Flächen nur in China gepflanzt, aber Länder wie Brasilien zeigen allein durch ihre Forschung großes Interesse an dieser Möglichkeit.
Die Organisationen World Rainforest Movement (mit Sitz in Uruguay), Global Forest Coalition, Carbon Trade Watch und das Global Justice Ecology Project beteiligen sich gemeinsam mit neun weiteren Organisationen an der Kampagne „Gentechnik STOPP bei  Bäumen“ (STOP GE Trees Campaign). Sie fordern eine weltweite Ächtung der Ausbringung von transgenem Saatgut, weil dies zerstörerische und gefährliche Auswirkungen auf das natürliche Ökosystem habe. Mit dem Einbau von fremder DNA werden u.a. eine bessere Abwehr von Insekten; Widerstandsfähigkeit gegenüber Pflanzengiften; schnelleres Wachstum und veränderte Holzqualitäten erreicht.
Brasiliens nationale Technik-Kommission für Biologische Sicherheit CTN Bio hat im Mai 2012 dem Zellulosehersteller Suzano Papel Celulose die Genehmigung für eine vierte Freiland-Versuchsreihe erteilt und die Firma Futura Gene hat daraufhin mit der Pflanzung begonnen. Die Freilandversuche dienen dem Ziel, die Pflanzen marktgerecht zu züchten, so dass sie den Anforderungen der CTN Bio genügen, die über Marktzulassung des Saatguts entscheidet. In Brasilien ist der Zellstoffriese Suzano Papel Celulose führend bei Freilandversuchen mit Eukalyptus, um über Ertragssteigerungen den Weltmarktbedarf an Biomasse-Energie besser decken zu können. Seit 2006 arbeiten Futura Gene und Suzano zusammen. Ihre Züchtungen besitzen eine veränderte Zellwandstruktur, wodurch der Setzling schneller wächst.
Laut einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung von 2011[5] könnten Energiepflanzen bis zum Jahr 2050 zwanzig Prozent des weltweiten Bedarfs an Energie (Strom, Wärme und Treibstoffe) decken, die Hälfte davon könnte in Biomasse-Plantagen erzeugt werden. Problematisch sind in diesem Zusammenhang jedoch die Flächenkonkurrenz zu landwirtschaftlicher Nutzung für die weltweite Nahrungsmittelproduktion sowie die Festlegung von Ausschlusskriterien, die z.B. im tropischen Regenwald aus Klimaschutzgründen die Anlage von Energieholz-Plantagen verhindern sollen.
Die oben genannten Organisationen der Kampagne kritisieren, dass die Plantagen natürliche Wälder, Savannenlandschaften oder auch kleinbäuerliche Nutzungen  verdrängen und verdrängt haben. Auch indigene Gebiete und Flächen von traditionellen Gemeinschaften, die vom Wald abhängig sind, sind wegen der gewinnträchtigen, schnellwachsende Baumart in Gefahr.  „Grüne Wüsten“, wie die Monokulturen mit Eukalyptus in Brasilien genannt werden, sind gefürchtet wegen ihrer expansiven Ausbreitung, der Desertifikation des Bodens, des hohen Wasserverbrauchs, eines erhöhten Waldbrandrisikos und dem Verlust an Artenvielfalt. Eukalyptus ist eine Baumart, die ursprünglich in Nord- und Südamerika nicht vorkommt und dort das Wachstum ursprünglicher Vegetation verhindert bzw. verdrängt.
Die Förderpolitik der Europäischen Union in Bezug auf Erneuerbare Energien beschleunigt die Nachfrage nach Holz/Zellulose für Energie aus Biomasse. Großbritannien zielt beispielsweise auf den Import von 80 Millionen Tonnen Holzpellets ab, die die USA, Kanada und Brasilien liefern sollen.
In Brasilien kommt es immer wieder zu Besetzungen[6] von Eukalyptus Plantagen. Im März dieses Jahres haben im südlichen Bundesstaat Bahia über eintausend Frauen der Landlosenbewegung MST eine Eukalyptus-Plantage des Zellstoffproduzenten Suzano Papel Celulose besetzt. Der Protest richtete sich gegen die Abholzung von verbliebenen Resten des altlantischen Regenwalds Mata Atlântica und kritisierte fehlende Arbeitsperspektiven auf Monokulturen, was die Landflucht verstärke. Eine konsequente Umsetzung der Enteignung von Großgrundbesitz war den Demonstant_innen ebenfalls ein Anliegen. Die Landlosenbewegung MST fordert, 23.000 Familien in Bahia, die kein Land besitzen, Boden zu übertragen.

[1]  http://www.gen-ethisches-netzwerk.de/gid/201/lorch/k%C3%A4ltetoleranter-eukalyptus
[2]  http://www.portaldoagronegocio.com.br/conteudo.php?id=75775 Indústria de papel quer plantar árvore transgênica
[3]  http://pressemitteilung.ws/node/389382
[4]  http://informeguatemala.org/articulo/%C3%81rboles_transgenicos__No__gracias-1123/?print
[5]  http://www.pik-potsdam.de/aktuelles/pressemitteilungen/archiv/2011/weltweiter-ausbau-von-energie-aus-biomasse-erfordert-schwierige-abwaegungen und http://wissen.dradio.de/ressourcen-energie-aus-biomasse.35.de.html?dram:article_id=8041
[6]  http://www.blickpunkt-lateinamerika.de/nachrichten/msgf/brasilien%3A_landlosenbewegung_besetzt_eukalyptus-plantage.html