266/267 | Nach der Wahl ist vor der Wahl - Brasiliens Kampf um einen Neustart

Der erste Wahlgang der brasilianischen Präsidentschaftswahlen ist durch. Ex-Präsident Lula holte zwar die meisten Stimmen, doch Bolsonaro schnitt deutlich besser ab, als die Umfragen vorraussagten. Noch ist nicht klar, wie der zweite Wahlgang ausgeht. Dieses Heft ist eine Kompilation von Artikeln, die die Wichtigkeit dieser Wahlen aus unterschiedlichen Perspektiven beschreiben. Das Heft dient als Vorbereitung für die Fachtagung Runder Tisch Brasilien 2022 "Brasilien: Neustart 2023 - Soziale Bewegungen nach der Wahl", die vom 25.-27.11. in Hofgeismar (Kassel) stattfinden wird.
| von Hannah
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Inhalt:

Ticktack Ticktack - Brasilien zählt die Stunden, bis das Land zur nachhaltigen Entwicklung zurückkehrt
von Alessandra Nilo

Wahlen in Brasilien 2022 - Was steht auf dem Spiel?
von Carlos Humberto Campos

Demokratie auf dem Prüfstand
von João Feres Júnior

Was denken junge Brasilianer*innen über die Wahl? Interview mit Vertreter*innen von brasilianischen Jugendorgansiationen
von Aileen Böckmann und Julia Wasmeier

Geschlechtsspezifische Gewalt und die Wahlen 2022 - Wie die "Logik der Gefälligkeiten" das Sicherheitsnetz für Frauen untergräbt
von Willadino et al.

Geschlechtsspezifische Gewalt und die Wahlen 2022 - Haben die Kandidat*inenn Vorschläge zur Bekämpfung von (politischer) geschlechtsspezifischer Gewalt?
von Willadino et al.

Vor den Wahlen 2022 einigen sich Gewerkschaften auf eine gemeinsame Liste von Vorschlägen für Arbeitnehmer*innen
von CONCLAT

Vom Neoliberalismus zum Neofaschismus in Brasilien
von Luciana Cristina Furquim Pivato und Naiara Andreoli Bittencourt

X FOSPA 2022 - Territorialrechte sind elementar für den Erhalt des Amazonasraums
von Uta Grunert

Deutsche Kooperation mit Brasilien - Chancen und Herausfordrungen für eine Zeit nach Bolsonaro
von Thomas Fatheuer

Auszug aus dem Editorial:
Ganz aufatmen können die Verteidiger*innen der brasilianischen Demokratie noch nicht. Der erste Wahlgang ist durch und die Ergebnisse sind deutlich knapper ausgefallen als durch die Umfragen zuvor erwartet. Luiz Inácio „Lula“ da Silva erhielt zwar mit 48,4% der gültigen Stimmen ca. sechs Millionen Stimmen mehr als der aktuelle Präsident Jair Bolsonaro, konnte jedoch nicht die 50% Marke überschreiten, die für einen Wahlsieg in der ersten Runde nötig gewesen wären. Jair Bolsonaro schnitt mit 43,2% der Stimmen statt der prognostizierten 31% deutlich besser ab als vorhergesagt. Seine Anhänger*innen sehen dieses Scheitern der Umfrageinstitute als Beweis für ihre ständige Behauptung, die schlechten Umfragewerte für Bolsonaro seien gefälscht.
[...]
Ob Brasilien den in diesem Heft von Alessandra Nilo betitelten „schlechtesten Präsidenten seit der Rückkehr zur Demokratie" abwählt, bleibt offen. Lula hat zwar gute Chancen, die Wahl zu gewinnen, doch gewiss ist es nicht. Sollte er gewinnen, gilt es, Verbündete und Lösungen für die drängenden Probleme zu finden. Das wird schwierig. Unter Bolsonaro wurden keine indigenen Gebiete demarkiert, Gelder für Bildung und Ernährungssicherheit wurden gekürzt, die Arbeitslosenrate ist gestiegen, sowie die Anzahl der Waffen, der Femizide und die Abholzung. Die Ziele der nachhaltigen Entwicklung sind rückläufig und müssen dringend wieder verfolgt werden – nicht nur für Brasilien, sondern für die ganze Welt. Doch dass sich Lula und die PT gegen die oppositionelle Mehrheit im Parlament durchsetzen könnten, ist unwahrscheinlich. Auch ohne Bolsonaro als Präsident wird der Bolsonarismus einflussreich bleiben, das zeigen die Ergebnisse des ersten Wahlgangs.

Zukunftsweisend ist jedoch das steigende Engagement der jüngeren brasilianischen Bevölkerung, die neben dem politischen Interesse auch einen gewissen Sinn für Umweltfragen und Chancengleichheit mitbringt. Ihnen ist es wichtig, dass sich der kommende Präsident zum Beispiel für Minderheiten, Feminismus und LGBTQ+‑Rechte einsetzt.
In dieser Ausgabe geben wir Einblicke in die Ursachen der vielen Probleme, die Brasilien überwinden muss und wo dringend Handlungsbedarf besteht. Noch sind die demokratischen Institutionen stark genug, um Bolsonaro Einhalt in
seinen offensichtlich autoritären Motivationen zu gebieten, doch werden sie noch weitere vier Jahre Bestand halten? Es geht also ums Ganze – um die Demokratie selbst.

die Redaktion