261 | Was bleibt, außer Hoffnung?
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Inhalt:
Covid-19 und die Rückkehr des Hungers
Julia Wasmeier und Monica Ottermann
Hunger und Pandemie: Es geht nicht um Solidarität, es geht um Politik
Luciana Brito
Die Marcha das Margaridas und politische Aktion in Zeiten der Pandemie
Eryka Galindo
Die Hauptstadt des Widerstands im Amazonasgebiet
Claudia Horn
Das Event-WSF ist tot – auf zum WSF 2022?!
Judith Dellheim
Soziale Teilhabe und Klimagerechtigkeit
Fabian Kern und Thais Lamoza
Traditionelle Völker im Aufstand
Felisa Anaya und Carlinhos Dayrell
Die aktuellen Beziehungen Brasiliens zu den USA
Paulo Roberto Almeida
Wer profitiert vom Rechtsruck in Brasilien?
Sergio Costa
Manifest der brasilianischen Zivilgesellschaft
Julia Castro et al
Editorial
Positive Entwicklungen sind rar, stattdessen wird in Brasilien aktuell unendlich viel Leid verursacht. Leid, das vermeidbar wäre. Leid, das nicht vermieden wird, weil es politisch gewollt ist.
Während in Deutschland langsam die Zahlen der Corona-Infizierten sinken, läuft die Covid-19 Pandemie in Brasilien ungebremst weiter. Kürzlich erreichte die Zahl der an Corona Verstorben 400.000 und nähert sich bereits rasant der halben Million. Die Impfkampagne läuft nur schleppend voran und verliert bei gleichbleibender Geschwindigkeit den Kampf gegen die Zeit und damit die Entstehung neuer Mutationen. Diese ohnehin schon schwer zu ertragene Nachricht, wird umso bitterer mit der Klarheit, dass die hohe Sterberate größtenteils auf politisches Versagen der Bolsonaro Regierung zurückzuführen ist. Ein aktuell laufender parlamentarischer Untersuchungsausschuss zum Corona-Krisenmanagement der Regierung hat unter anderem ergeben, dass Brasilien bereits im August 2020 vom Konzern Pfizer ein Angebot über 70 Millionen Impfdosen erhielt. Die Regierung ignorierte dieses, sowie zwei folgende Angebote. Wie viele Menschen hätten durch einen früheren Impfstart und ein effizientes Krisenmanagement gerettet werden können?
Eine weitere Konsequenz der (Un)politik Bolsonaros ist, dass aktuell die Mehrheit der brasilianischen Bevölkerung unter Ernährungsunsicherheit leidet. Ein kürzlich veröffentliche Studie zeigt, dass 15 Prozent der brasilianischen Haushalte an Hunger leiden. In 59 Prozent der Haushalte leben die Menschen in einem gewissen Grad von Ernährungsunsicherheit. Frauen, Schwarze Menschen, LGBTIQIA sind dabei besonders schwer betroffen. Die erfolgreiche Bekämpfung von Hunger und absoluter Armut in den Jahren 2003 bis 2013 wird aktuell in atemberaubendem Tempo zunichtegemacht. Als drittgrößter Lebensmittelexporteur der Welt wäre auch dieses Leiden vermeidbar.
Ein weiteres Thema, mit dem sich Seiten füllen ließen und was uns alle betrifft, ist die desaströse brasilianische Umweltpolitik: Jeden Monat werden neue Abholzungsrekorde verzeichnet, die brasilianischen Umweltbehörden Ibama und ICMBio werden durch Ressourcenkürzungen nahezu handlungsunfähig gemacht, Indigene Völker leiden zunehmend an Gewalt durch Goldgräber*innen und Umweltminister Ricardo Salles steht in Verdacht, illegale Holzexporte zu ermöglichen. Man fragt sich, wie viel des Amazons im einstigen Umweltschutz-Vorreiterland Brasilien am Ende der Präsidentschaft Bolsonaros noch übrigbleibt.
Es tut weh, diese Sätze zu schreiben. Dabei handelt es sich nur um einen kleinen Ausschnitt in die aktuelle Lage Brasiliens. Und trotz alldem, oder eben genau aus diesem Grund wird weitergekämpft. Am 29.05. haben im ganzen Land zehntausende Menschen ihre Kräfte gesammelt und sind auf die Straße gegangen, um sich gegen die erwähnten Missstände zu währen. Zu den Forderungen der Protestierenden gehören Impfungen für alle, die Erhöhung von Sozialhilfen und nicht zuletzt die Amtsenthebung Jair Bolsonaros - der aktuell die schlechtesten Zustimmungswerte seit Beginn seiner Amtszeit im Januar 2019 verzeichnet. Bei dem Anblick der coronakonfrom protestierenden Menschenmassen ist neben Wut und Empörung noch etwas anderes wahrzunehmen: Ein Funken Hoffnung. Zu spüren, dass wir mit unserer Wut nicht alleine sind, gibt Hoffnung. Der Widerstand vereint uns.
Lasst uns an diesem Gefühl festhalten - was bleibt uns auch anderes übrig?
Die Redaktion