DAS ENDE EINES QUILOMBOS

Megahafen und Eisenbahn werden 87 Prozent eines Quilombo-Gebiets in Maranhão einnehmen. Doch die Bewohner*innen vor Ort wissen das nicht.
| von Felipe Sabrina
DAS ENDE EINES QUILOMBOS

Diese Reportage wurde im Original auf Portugiesisch am 29. April 2024 bei Intercept Brasil veröffentlicht: https://www.intercept.com.br/2024/04/29/megaporto-e-ferrovia-ocuparao-87-de-territorio-quilombola-no-maranhao-mas-moradores-nao-sabem

Von Felipe Sabrina

Das Landschaftsbild der Insel Cajual im brasilianischen Bundesstaat Maranhão verändert sich bald. Der Laubwald und die Babassu-Palmen werden durch bis zu 350 Meter lange Frachtschiffe ersetzt, die tausende Tonnen Eisen, Kupfer, Soja, Mais und andere Rohstoffe nach China, in die Vereinigten Staaten und nach Europa transportieren. Bis 2027 sollen die kilometerlangen Strände und Mangroven einem Hafenkomplex mit Eisenbahnlinien, Energie-Umspannwerken und Lagerhallen weichen, in denen 1.800 Arbeiter*innen Tag und Nacht auf der Insel im Gemeindebezirk Alcântara arbeiten werden.

Dafür verantwortlich sind die in Brasilien eingebürgerten Portugiesen Paulo Salvador, Nuno da Mota und Silva und Nuno Martins von der Firma Grão-Pará Maranhão (GPM). Die Idee ist, fast 90 Prozent des Quilombos Vila Nova auf der Insel Cajual mit dem Hafenterminal Alcântara und der Eisenbahnlinie EF-317 zu einzunehmen.

"Ein Vorhaben von diesem Ausmaß löscht das Quilombola-Gebiet praktisch aus. Es macht den Schutz des Gebietes völlig unmöglich", erklärte Yuri Costa, der öffentliche Verteidiger in Maranhão. Im vergangenen Jahr reichte Costas Büro eine öffentliche Zivilklage ein, welche die Anerkennung des Quilombos fordert.

Das Projekt ist für den Transport von Soja und anderen Agrar- und Bergbauprodukten nach China, in die Vereinigten Staaten und in europäische Länder vorgesehen. In der von der GPM in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie wird jedoch als Haupttransportgut Eisenerz genannt, das vom brasilianischen Bergbaukonzern Vale S.A. in der Serra dos Carajás in Pará abgebaut wird. Heute wird das Erz über die Carajás-Eisenbahn zum Hafenterminal Ponta da Madeira in São Luís transportiert. Beide werden von Vale betrieben. Laut GPM ist das Projekt eine "Reaktion auf die Notwendigkeit, die künftige Nachfrage nach Eisenerzexporten über einen Tiefwasserhafen zu befriedigen".

Die Insel Cajual ist Teil der „Reentrâncias Maranhenses“, einem Naturschutzgebiet von internationaler Bedeutung. Laut einem IBAMA-Bericht aus dem Jahr 2018 handelt es sich um "gut erhaltene" und sensible Natur, welche noch Fossilien von Dinosauriern beherbergt, die vor rund 95 Millionen Jahren in der Region lebten. Es ist außerdem ein Quilombola-Gebiet, in dem 51 Familien mit etwa 92 Personen vom Fischfang, Ackerbau und Kleintierzucht leben - eine Lebensweise, die sie von ihren Vorfahren geerbt haben, die vor mindestens drei Jahrhunderten versklavt wurden. Das Verfahren zur Anerkennung des Gebiets als Quilombo[2] durch das Nationale Institut für Kolonisierung und Agrarreform (INCRA) und das Sekretariat für die Koordinierung und Verwaltung von Bundesvermögen in Maranhão zieht sich seit 2007 hin. Das Verfahren ist die einzige Möglichkeit um den Familien die endgültige Regulierung des Gebietes zu übergeben.

Allerdings unterzeichnete die Vereinigung der Bewohner*innen des Quilombos von Vila Nova im Jahr 2017 einen Vertrag, der die Nutzung und das Nutzungsrecht von mehr als 14 Millionen Quadratmetern auf dem Gebiet - das entspricht 1.400 Fußballfeldern - für die Errichtung und den Betrieb des Hafens vorsieht. Der Vertrag, der im Namen der gesamten Gemeinde geschlossen wurde, gilt für einen unbestimmten Zeitraum.

Das Milliarden-Projekt von GPM, für das bereits zwei Bundesgenehmigungen erteilt wurden, beabsichtigt eine Partnerschaft mit der Deutschen Bahn und wird von der brasilianischen Bundesregierung und der Regierung von Maranhão kräftig unterstützt.

Der Hafen nimmt 87 Prozent des Gebiets der Quilombola ein

Nun steht die Gemeinde kurz vor dem Baubeginn, ohne dass die erforderlichen rechtlichen Konsultationen vorliegen. Am 2. Januar erklärte das brasilianische Umweltinstitut IBAMA, dass GPM noch nicht alle Unterlagen in denen die sozialen und ökologischen Auswirkungen des Bauvorhabens im Einzelnen dargelegt sind, vorgelegt hat.

Das Quilombola-Territorium der Ilha do Cajual nimmt nach Angaben des Umweltregisters (CAR) eine Fläche von etwas mehr als 1.630 Hektar ein, was 1.630 Fußballfeldern entspricht. Vergleicht man die Koordinaten der Fläche des künftigen Hafens mit denen des Quilombola-Gebiets zeigt sich, dass die Bewohner*innen-Vereinigung die Zerstörung von mehr als 87 Prozent des Gebiets für die Errichtung des Hafenterminals von Alcântara genehmigt hat.

Zu dem Gebiet, das zerstört werden soll, gehören Häuser, Äcker, ein Naturschutzgebiet und eine Grundschule. Für Danilo Serejo, Politikwissenschaftler und Mitglied der Bewegung der von der Raumfahrtbasis Alcântara betroffenen Menschen (Mabe), ist die Insel zu klein für ein Projekt dieser Größenordnung. "Auch wenn der Hafen anfangs nur eine kleine Arbeitsstruktur benötigt, ist bei einem solchen Projekt zu erwarten, dass mit steigender Nachfrage mehr Fläche benötigt wird. Die Gemeinde wird unweigerlich gehen müssen", sagt er.

Auf Nachfrage von The Intercept Brasil erklärte der Generaldirektor von Grão-Pará Maranhão, Paulo Salvador, dass das Projekt "nur 20 Prozent der Gesamtfläche der Ilha do Cajual" einnehmen werde. Bis zum Baubeginn und Betrieb des Projekts würde es, abhängig von den behördlichen Genehmigungs- und Zulassungsverfahren, zwei bis drei Jahre dauern.

Wir fragten den Unternehmer, wohin die Familien umgesiedelt werden, da das Projekt in einem großen Teil des Quilombo-Gebiets durchgeführt werden soll. Er meinte daraufhin, dass die Entscheidungen über die Gestaltung des Projekts und seine Auswirkungen auf die Gemeinde "gemeinsam getroffen werden, wobei versucht wird, die Bedürfnisse des Terminals mit der Lage der verschiedenen bestehenden Wohnsiedlungen in Einklang zu bringen".

Eisenbahn durchquert die Gemeinde - Bewohner*innen wissen nichts davon

Aus dem Streckenverlauf, welchen GPM den Behörden vorlegte, geht hervor, dass die zum Projekt gehörende Bahnstrecke von 520 Kilometern mindestens 22 Gemeinden in Maranhão durchquert. Sie verläuft außerdem an einigen Stellen nur knapp über 10 Kilometer entfernt von indigenem Land. Zudem ist in einer der von GPM erstellten Karten über die Auswirkungen der Quilombo Tanque de Valença in der Gemeinde Matinha nicht verzeichnet, obwohl er von der Bahnlinie in zwei Hälften geteilt wird. Im August letzten Jahres besuchten wir die Gemeinschaft und keine*r der mehr als Bewohner*innen, mit denen wir sprachen, wusste vom Bauvorhaben.

Für Danilo Serejo sind die sozio-ökologischen Auswirkungen der Eisenbahn noch schlimmer als die des Hafens. "Da haben wir eine Bevölkerung, die Eisenerzstaub ausgesetzt wird, der eine Reihe von Atemwegs-, Haut- und Gesundheitsproblemen auslöst. Hinzu kommt das Problem der Lärmbelästigung, der freien Bewegung und des Verkehrs im Gebiet“.

„Die Anwohner*innen wurden kaum über den richtigen Standort und die Auswirkungen des Projekts informiert", erklärt IBAMA.

Als Gegenleistung für die Nutzung und Aneignung der Ressourcen des Gebiets bieten die portugiesischen Geschäftsleute 51 Häuser mit sanitärer Grundversorgung, Wasser, Energie, eine Grundschule, einen Fußballplatz, Raum für Religionsausübung und ein Gesundheitszentrum. Sie geben jedoch nicht an, wo diese Strukturen installiert werden. Der Vertrag besagt auch, dass die Partnervereinigung "für sechs Prozent der Unternehmensgewinne verantwortlich sein wird, mit all ihren dazugehörigen Vorteilen". Es gibt jedoch weder Informationen über die Bedingungen für die Gewinnbeteiligung, noch über die "dazugehörigen Vorteile".

Im März 2018, nur wenige Tage vor dem einjährigen Jubiläum der Unterzeichnung der Vereinbarung zwischen dem Unternehmen und der Quilombola-Vereinigung, führten sechs IBAMA-Analysten eine technische Inspektion auf der Insel Cajual durch und sprachen mit den Bewohner*innen.

In ihrem Bericht wiesen die Beamten darauf hin, dass "bei der Befragung über das Projekt durch IBAMA festgestellt wurde, dass die Anwohner*innen im Allgemeinen wenig Informationen über den richtigen Standort und die Auswirkungen, die es verursachen würde, hatten".

Anfang Februar fragten wir Josilene Pereira Penha, die stellvertretende Vorsitzende der Quilombola-Vereinigung, ob sie wisse, dass fast das gesamte Land für die Erschließung in Anspruch genommen werden würde.

"Wir die hier leben, sehen und hören die Dinge, aber manchmal wissen wir nicht, wie wir klinische Analysen dessen, auf was wir da schauen, machen sollen.", antwortete Penha, die eine der drei Personen aus der Vereinigung war, die 2017 den Vertrag mit GPM unterzeichneten. Damals war sie die Generalsekretärin der Organisation. Penha sagte, dass die derzeitige Präsidentin, Vanda Almeida Pereira - die 2017 Vizepräsidentin war - angewiesen wurde, kein Interview über das Projekt zu geben.

Paulo Salvador, Geschäftsführer von Grão-Pará Maranhão, erklärt, dass sich die Arbeiten noch in der Phase der Umweltgenehmigung befinden. Die "Quilombola-Vereinigung von Ilha do Cajual hat per Gesetz das Recht auf die Nutzung des Territoriums der Insel, was von allen vor dem Genehmigungsverfahren konsultierten Stellen anerkannt wurde", sagt er.

"Menschen, die auf diesem Land leben, sehen und hören die Dinge, aber wissen manchmal nicht, wie man sie analysieren soll.“

Salvador sagte auch, dass die Gemeinschaft ein Partner in dem Projekt ist und dass die Vereinigung sich ihrer Rolle bewusst sei, "wie wir in unseren monatlichen Treffen seit 2017 immer wieder festgestellt haben". Auch die im Vertrag vorgesehene Ausschüttung von sechs Prozent des Gewinns an die Quilombola-Vereinigung erfolge "wie bei jedem Aktionär, ohne Verfallsdatum, solange das Hafenterminal positive Ergebnisse erzielt". 

GPM hat die Stiftung Palmares nicht konsultiert aber bekam grünes Licht von der Bundesbehörde

Das unterzeichnete Abkommen zwischen GPM und der Quilombola-Vereinigung war entscheidend für das Unternehmen: So konnten sie zwei Verträge mit der Bundesregierung abschließen und das Verfahren der Baugenehmigung einleiten. Das Dokument über den Landbesitz, die Besetzung oder das Nutzungs- und Verwertungsrecht ist eine Anforderung der Bundesregierung an Unternehmen, um eine Hafen-Infrastruktur zu planen und zu bauen. Ohne dieses Dokument kann das Projekt nicht voranschreiten.

Die ILO-Konvention 169 schreibt in einem solchen Falle jedoch Konsultationen mit auf dem betroffenen Gebiet lebenden Quilombolas vor und zwar im Voraus eines Vertragsabschlusses. Yuri Costa, argumentiert, dass der direkt von GPM geschlossene Vertrag gegen diese nationalen und internationalen Richtlinien verstößt, "was theoretisch die gesamte Projektgenehmigungskette null und nichtig macht".

Im Dezember 2018, noch unter der Regierung von Präsident Michel Temer, unterzeichnete die Nationale Agentur für Wassertransport (ANTAQ) den Vertrag, mit dem GPM ermächtigt wurde, die Hafenanlage für eine private Nutzung für 25 Jahre zu bauen und zu betreiben, mit samt der Möglichkeit einer Verlängerung.

Allerdings zweifelte die Staatsanwaltschaft an der Gültigkeit des Landnutzungsvertrags. Sie äußerte auch Bedenken daran, dass die "Quilombola-Vereinigung die Legitimität besitzt, den Vertrag im Namen der Quilombola-Gemeinschaft zu unterzeichnen". Sie empfahl ANTAQ also, sich an die Palmares-Stiftung zu wenden. Diese befasst sich mit der öffentlichen Politik im Zusammenhang mit den Quilombola-Gemeinschaften. ANTAQ folgte der Empfehlung nicht und der damalige Generaldirektor der Behörde, Mário Povia, unterzeichnete einen Tag danach die Baugenehmigung.

Auf die Frage, warum die Palmares-Stiftung nicht konsultiert wurde, antwortete der derzeitige Direktor von ANTAQ, Alber Furtado de Vasconcelos Neto, dass die Behörde hierfür nicht zuständig sei.

„Wenn er [der Unternehmer] ein Dokument einreicht, müssen wir diesem vertrauen. Ob das Dokument gültig ist, ist eine andere Diskussion. Der Unternehmer darf nicht in einem Gebiet, das ihm nicht gehört, anfangen, zu bauen. Meine Rolle bei ANTAQ ist nicht, beim Notar nachzufragen ob das Dokument korrekt ist, wenn der Urkundsbeamte geschrieben hat, es sei in Ordnung. Jede Person ist für ihr Handeln verantwortlich.“

Für Danilo Serejo von der Bewegung der von der Raumfahrtbasis Alcântara betroffenen Menschen hat der Vertrag zwischen dem Unternehmen und der Vereinigung nur eine Auswirkung: Er bestätigt die Darstellung des Unternehmens, dass GPM und die Gemeinde im Einvernehmen vorgehen. "Der Vertrag verstößt gegen die ILO-Konvention und damit gegen die Verfassung. Das Problem ist, dass er das Narrativ des Unternehmens bestätigt. Das schwächt die Argumentation".

"Wenn er [der Unternehmer] ein Dokument einreicht, müssen wir diesem vertrauen. Ob das Dokument gültig ist, ist eine andere Diskussion.“

Serejo sagt, dass Mabe 2018 sogar die Bundesstaatsanwaltschaft eingeschaltet hat, diese aber nicht reagierte. "Es ist wichtig zu sagen: Wir haben heute in Maranhão keine Bundesstaatsanwaltschaft, wie in den Jahren zuvor. Das Hafenprojekt in Cajual schreitet nur deshalb auf diese Art voran, weil die Staatsanwaltschaft nicht prägnant gehandelt hat“, sagt er.

Auf Nachfrage erklärte die Bundesstaatsanwaltschaft, dass GPM bestätigte, bisher noch nicht in das Projektgebiet auf der Insel Cajual eingegriffen zu haben, da sie auf die Genehmigung der IBAMA warteten. Die zivilrechtliche Untersuchung, die durch eine Beschwerde von Mabe eingeleitet wurde, ist eingestellt worden. Die Bundesstaatsanwaltschaft beantwortete weder konkrete Fragen zur Rechtmäßigkeit des zwischen dem Unternehmen und der Quilombola-Vereinigung geschlossenen Vertrags, noch zu den Auswirkungen auf die Gemeinde. 

GPM drängt auf die Vergabe von Landtiteln für das Quilombola-Gebiet

Im Januar 2023 reichte die Staatsanwaltschaft von Maranhão eine öffentliche Zivilklage ein, in der sie die Bundesregierung aufforderte, die Titelvergabe für das Quilombola-Gebiet abzuschließen. GPM versuchte, sich als interessierte Partei in dem Verfahren zu qualifizieren, doch Richterin Bárbara Malta Araújo Gomes lehnte dies ab. In einer Entscheidung vom Dezember 2023 wies sie das Nationale Institut für Kolonisierung und Agrarreform INCRA an, die Titulierung des Gebiets innerhalb von sechs Monaten abzuschließen. Laut Paulo Salvador von GPM besteht das Interesse des Unternehmens an der Teilnahme an dem Verfahren darin, "zusammen mit der Staatsanwaltschaft zur endgültigen Regulierung der auf der Insel Cajual lebenden Quilombola-Gemeinschaft beizutragen".

Im November letzten Jahres gingen die Geschäftsleute von GPM und ihre Rechtsberater*innen zu INCRA, "um für die Titulierung des [Quilombola-]Gebiets zu plädieren", wie der Leiter der Behörde, José Carlos Nunes Júnior, erklärte. Für ihn war das Motiv klar: eine Einigung mit der Quilombola-Vereinigung für die Umsetzung dieses Hafens zu erreichen".

Der im April letzten Jahres vereidigte Leiter hatte die Quilombolas der Insel Cajual bis zu dem Tag, an dem ich mit ihm sprach, noch nie getroffen. Ich fragte ihn, ob die Wiederaufnahme des Landvergabe-Prozesses nur auf die Bitte der portugiesischen Geschäftsleute hin erfolgte. Er verneinte dies. "Unsere Haltung orientiert sich an der Gesellschaft", sagte er. Im Januar dieses Jahres legte INCRA Einspruch gegen die in der öffentlichen Zivilklage von der Richterin festgesetzte Frist und Geldstrafe ein. Das Institut behauptete, dass ihm die Zeit, die Mittel und das Personal fehlten, um seiner Verpflichtung nachzukommen, und das selbst nach fast 20 Jahren seit dem ersten Antrag der Gemeinde. Eine Entscheidung über die Berufung steht noch aus.

Für den Strafverteidiger Yuri Costa macht das Hafenprojekt die Titelvergabe, die Rechtssicherheit für die Gemeinschaft garantieren könnte, unmöglich. In der Zwischenzeit sind seit Januar dieses Jahres Mitarbeiter*innen des Unternehmens Virtú Ambiental auf der Insel Cajual, um die Bewohner*innen zu besuchen und eine Umweltstudie durchzuführen.

"Wir werden mehrere Tage vor Ort sein, um den Gemeinden im Einflussbereich des Projekts zuzuhören", schrieb Isabella Pearce, eine der Partnerinnen des Unternehmens, auf Instagram. "Auf dieser Mission führen uns die lokalen Anführerinnen (zufälligerweise alles Frauen) von Haus zu Haus und helfen uns, einen breiten Dialog zu herzustellen, weil sie es wie wir für notwendig halten, die materiellen Lebensbedingungen zu verbessern und gleichzeitig die kulturelle Identität zu bewahren." Der Ehemann von Isabella Pearce, Francesco Cerrato, ist ebenfalls Partner bei Virtú Ambiental und bis 2025 stellvertretendes Mitglied des Umweltrates des Bundesstaates Maranhão, CONSEMA.

Wir haben Isabella Pearce um ein Interview gebeten, aber sie sagte, dass die Direktoren von GPM die treffenderen Ansprechpartner sind. Wir haben auch die Oberaufsichtsbehörde für Bundesvermögen in Maranhão und den Bürgermeister von Alcântara, Nivaldo Araújo, kontaktiert, aber bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Reportage noch keine Antwort erhalten.

Die Regierungen Temer, Bolsonaro und Lula gaben grünes Licht für den Bau des Hafens im Quilombola-Gebiet

Auch ohne die erforderlichen Genehmigungen für den Baubeginn haben die letzten Regierungen wichtige bürokratische Schritte unternommen, um den Bau zu ermöglichen.

Im Dezember 2021, während Bolsonaros Amtszeit, erteilte das Infrastrukturministerium dem Unternehmen die Genehmigung, die 520 Kilometer lange Eisenbahnlinie EF-317 zu bauen und 99 Jahre lang zu betreiben. Sie verbindet den Hafen auf der Insel Cajual mit der Stadt Açailândia in Maranhão.

Im März 2023, zu Beginn der dritten Lula-Regierung, veröffentlichte ANTAQ die erste Änderung des Hafenvertrags, mit der der Zeitplan für die Ausführung des Projekts aktualisiert und die Gesamtinvestitionssumme auf 4,7 Milliarden R$ (umgerechnet circa 850 Millionen Euro) erhöht wurde.

Der Leiter des Sekretariats für wirtschaftliche Entwicklung und strategische Programme von Maranhão, José Reinaldo Tavares, rühmt sich seiner Bemühungen, das Projekt realisierbar zu machen. Er hat das Projekt bereits mit den Ministern für Verkehr, Renan Filho, und für Integration und regionale Entwicklung, Waldez Góes, sowie mit dem Vizepräsidenten der Republik und dem Minister für Industrie, Handel und Dienstleistungen, Geraldo Alckmin, besprochen.

"Wir haben uns auch mit einem der größten staatlichen Transportunternehmen der Welt, der Deutschen Bahn, getroffen und mehrere Gespräche geführt. Das Unternehmen, das für das Projekt verantwortlich ist, arbeitet hart daran, dass die erste Phase des Projekts im Jahr 2024 beginnt", fügte er hinzu.

Die Deutsche Bahn wird den Bahnbetrieb leiten, erklärt Paulo Salvador, Geschäftsführer von Grão-Pará Maranhão. Das Management wird nach einem offenen System arbeiten, das es jedem Betreiber erlaubt, die Bahntrasse zu nutzen.

Das Verkehrsministerium teilte uns mit, dass die Genehmigung für den Bahnbetrieb von der vorherigen Regierung unterzeichnet wurde und dass das Ministerium nach diesem Stadium "nicht mehr über die Verfahren entscheidet". Das Ministerium für Häfen und Flughäfen reagierte nicht auf unsere Bitte um ein Interview. Die Deutsche Bahn erklärte, sie wolle sich nicht zu dem Projekt äußern.

Diese Reportage wurde von der Rosa-Luxemburg-Stiftung und Rettet den Regenwald e.V. unterstützt.

[2] Quilombos sind in Brasilien die Gemeinden der Nachfahren ehemals versklavter Menschen aus Afrika. Ähnlich wie die indigenen Völker genießen sie besondere Rechte in der Verfassung des Landes und haben das Recht auf die gemeinschaftliche Anerkennung ihrer angestammten Landflächen.

Übersetzt von Tilia Götze und Klaus Schenck