Wahlumfrage unter Evangelikalen in Brasilien sieht Bolsonaros Vorsprung gegenüber Lula schmelzen
Brasiliens rechtsextremer Präsident Jair Bolsonaro führt neuesten Wahlumfragen unter der evangelikalen Wählerschaft zufolge für die erste Runde der Wahlen zum Präsidentenpalast, die im Oktober dieses Jahres stattfindet. Aber der Vorsprung Bolsonaros in diesem Wähler:innen-Segment schwindet. Der Umfrage von CNT zufolge, die am gestrigen Montag veröffentlicht wurde, würde Jair Bolsonaro 40 Prozent der Stimmen im evangelikalen Wähler:innen-Segment erzielen und der ehemalige Präsident Luiz Inácio Lula da Silva von der Arbeiterpartei PT käme danach auf 30 Prozent in diesem Wähler:innensegment. Dies berichten Medien unter Berufung auf die CNT-Wahlumfrage. Setzt man diese Zahlen ins Verhältnis zu den Stimmangaben der Stichrunde der letzten Präsidentschaftswahl von 2018, bei der Jair Bolsonaro mit 55,13 Prozent der gesamt abgegebenen gültigen Stimmen (57,8 Millionen Stimmen) rund zehn Millionen Stimmen mehr als der damalige Kandidat der Arbeiterpartei PT (47,0 Millionen Stimmen oder 44,87 Prozent der abgegebenen, gültigen Stimmen) erzielte und diese damaligen Zahlen mit einer damaligen Datafolha-Umfrage im Hinblick auf die Wahlentscheidungen je nach Glaubensrichtung vergleicht, so fällt der prozentuale Rückgang der evangelikalen Unterstützung für Bolsonaro ins Auge.
Während es der damaligen Datafolha-Umfrage zufolge zwischen Bolsonaro und dem PT-Kandidaten Haddad bei den katholischen Wähler:innen nur einen Unterschied von etwas mehr als einer Million Stimmen (29,9 Mio für Bolsonaro gegenüber 28,7 Mio bei Haddad) kam, so lag der Unterschied damals bei den evangelikalen Wähler:innen bei satten 12 Millionen Stimmen (21,7 Mio gegen 9,7 Mio). Umgerechnet ergab dies also damals einen Anteil für Bolsonaro von 69 Prozent der evangelikalen Stimmen gegenüber 31 Prozent für Haddad in diesem Wähler:innen-Segment. Nun läge dieser Unterschied bei 40 Prozent zu 30 Prozent.
Der neuen Umfrage zufolge zeigt sich die Verschiebung der Wahlpräferenzen in der Bevölkerung noch deutlicher: Bei den Katholiken bevorzugen der CNT-Wahlumfrage zufolge 47 Prozent den PT-Kandidaten und 25 Prozent Bolsonaro. Der ehemalige Präsident führt auch in anderen Wählergruppen und kommt in der umfassenden, alle Wähler:innengruppen und -regionen zusammenfassenden CNT-Umfrage auf 42 Prozent der Wahlabsichten, während Bolsonaro derzeit auf 28 Prozent kommt.
Betrachtet man die Regionen des Landes, so zeigt die CNT-Umfrage, dass sich der Unterschied zwischen Lula und Bolsonaro im Südosten verringert, wo die beiden technisch gesehen gleichauf liegen. Unter Berücksichtigung der Fehlermarge von zwei Prozentpunkten kommt Lula dort auf 34 Prozent und Bolsonaro auf 32 Prozent. Im Dezember betrug der Unterschied zwischen den beiden in der Region noch neun Punkte, jetzt sind es nur noch zwei, so CNT. Im Nordosten hingegen hat Lula seinen Vorsprung ausgebaut und liegt 45 Punkte vor Bolsonaro. Der CNT-Wahlumfrage vereint Lula dort demnach 61 Prozent der Wähler:innenstimmen auf sich, während der Präsident Bolsonaro in der Region auf nur 16 Prozent kommt. Im Dezember lag der Unterschied zwischen den beiden im Nordosten noch bei 38 Punkten, so CNT. Lula führt auch im Süden (40 % zu 32 %) und befindet sich in der Summe der Wahlumfragen des Mittleren Westens und des Nordens (35 % zu 34 %) in einer nahezu Patt-Situation mit Bolsonaro. Dennoch vergehen noch einige Monate in Brasilien bis zur Wahl, und der Wahlkampf, von dem nicht wenige befürchten, dass er schmutzig werden könnte, hat noch gar nicht begonnen.