Weitere Verstrickungen in brasilianische Militärdiktatur
Laut dem am 10. Dezember 2014 in Brasilien veröffentlichten Abschlussbericht der Nationalen Wahrheitskommission Brasiliens waren neben Volkswagen (KoBra berichtete) auch Siemens und Mercedes Benz in die brasilianische Militärdiktatur verstrickt. Laut dem Abschlussbericht (Vol.II, S.320, hier der direkte Link zur entsprechenden Seite) haben Siemens Brasilien und Mercedes Brasilien (neben anderen brasilianischen und transnationalen Konzernen) das Folterzentrum Operação Bandeirantes (Oban) zwischen 1969 und Mitte der 1970er Jahre, dem Höhepunkt des staatlichen Terrors und Folterns in Brasilien, finanziell unterstützt. Der Abschlussbericht der Nationalen Wahrheitskommission zitiert als weitere Finanziers des Folterzentrums Oban die Firmen Ultra, Ford, General Motors, Camargo Corrêa, Objetivo, Folha, Nestlé, General Eletric und Light. Ab 1970 unterstand das berüchtige Folterzentrum OBAN dem Destacamento de Operações Internas/Centro de Operações de Defesa Interna (DOI-CODI) und dergestalt in das landesweite Netzwerk der Folterzentralen des DOI-CODI eingegliedert.
Zudem legt der Abschlussbericht der Nationalen Wahrheitskommission in Band dar, dass bei Volkswagen do Brasil ein Ex-Nazi als Sicherheitschef tätig war (siehe den Hintergrundbericht bei operamundi) und erläutert, wie Mitarbeiter des brasilianischen Geheimdienstes SNI auch in der Bundesrepublik Deutschland an Schulungen teilnahmen. Über die genauen Inhalte der Schulungen in der Bundesrepublik läßt sich der Abschlussbericht nicht aus.
Dabei hegten die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland schon immer enge Beziehungen zu Brasilien.
Am 31. März 1964 hatte die Militärs in Brasilien gegen die Regierung des Präsidenten João Goulart geputscht. 21 Jahre herrschten die Generäle im Land. Die Diktatur hinterließ eine blutige Spur: Bürgerrechte wurden außer Kraft gesetzt, Menschen verhaftet, gefoltert, verschwanden oder wurden ermordet. In Brasilien gibt es seit einer Reihe von Jahren eine Debatte darum, ob die Militärdiktatur nicht eher als eine "zivile-militärische Diktatur" bezeichnet werden müsse, um die Rolle und den Beitrag der behördlichen und institutionellen Unterstützer aus nicht-militärischen Zusammenhängen hervorzuheben. Und hier kommen durch die Erkenntnisse der Nationalen Wahrheitskommission nun auch die deutschen Firmen, allen voran Volkswagen, Siemens und Mercedes Benz ins Spiel. Und die Frage, welche Rolle spielten die in Bonn Regierenden?
Wir erinnern uns: Bonn – vor 39 Jahren: Die Bundesrepubliken der föderativen Staaten Brasiliens und Deutschlands unterzeichnen ein Abkommen über die „Zusammenarbeit auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie“. Bis zu acht Atomkraftwerke, eine Wiederaufbereitungsanlage sowie Urananreicherungsanlagen wollte Deutschland Brasilien verkaufen und ihnen das entsprechende Kow-how zukommen lassen. Das größte deutsche Exportgeschäft aller Zeiten!
Bonn – vor 35 Jahren: Der damals amtierende brasilianische Präsident, General Geisel, stattet der Deutschen Bundesregierung einen offiziellen Besuch ab. Bundeskanzler Schmidt lobte in seiner Tischrede die „Konvergenz der Ziele“ und die „Übereinstimmung der Werte“ der deutschen und der brasilianischen Bundesregierung – in Bonn regierte man „sozialliberal“, in Brasília militärisch. Während im spätgotischen Saalgebäude des Gürzenich in der Kölner Altstadt anlässlich des Geisel-Besuchs ein Staatsbankett der brasilianischen Regierung für „tausend Bestecke“ gegeben wurde, prügelte die deutsche Polizei Atomkritiker und brasilianische Opposition der Militärdiktatur nieder. Auf einem Polizeirevier wurden Festgenommene mit Fäkalien beschmiert. Brasilianische Presse, die diesem Schauspiel als Augenzeugen beiwohnten, erlebten gewöhnliche Szenen aus dem brasilianischen Alltag: in Köln.
Die bundesdeutsche auswärtige Politik war schon immer vorrangig Außenwirtschaftspolitik – Menschenrechte und Umwelt standen seit jeher untergeordnet auf der Tagesordnung. Und für die in Brasilien tätigen deutschen Konzerne ging es um die Teilhabe an dem milagre econômico.