Acampamento Terra Livre: Die Antwort sind wir!

Unter diesem Motto fand zwischen dem 7. und 11. April das größte indigene Protestcamp im Kampf für freies Land (ATL) statt, an dem rund 8.000 Indigene in Brasilia teilnahmen. Die indigene Bewegung erklärte die indigenen Völker und die Abgrenzung indigener Territorien als wesentlich für den Kampf gegen die Klimakrise. Das ATL wird von der Vereinigung der indigenen Völker Brasiliens (APIB) und ihren sieben regionalen Basisorganisationen organisiert: Apoinme, ArpinSudeste, ArpinSul, Aty Guasu, Conselho Terena, Coaib und Comissão Guarani Yvyrupa.
| von Biancka Arruda Miranda
Acampamento Terra Livre: Die Antwort sind wir!
Foto: Biancka Arruda Miranda "Respektiert die Verfassung. Demarkiert unsere Territorien"

Seit 21 Jahren treffen sich indigene Völker aus verschiedenen Regionen Brasiliens in der Bundeshauptstadt. Eine Mobilisierung, die mit etwa 50 Personen begann und heute mehr als 8.000 Teilnehmende aus verschiedenen Völkern zählt. Sie kommen aus allen fünf Biomen und bringen ihre Forderungen und Ansprüche vor die drei Regierungsinstanzen sowie vor die internationalen Vertretungen anderer Länder. Neben den Parlamentarier*innen nahmen auch zahlreiche Ministerinnen (Umweltministerium, Ministerium für indigene Völker) und Minister (Gesundheitsministerium, MDS, Generalsekretariat des Präsidenten der Republik) an den Plenarsitzungen des ATL teil. Außerdem fand ein Treffen mit Botschaften statt: „Die Antwort sind wir – Visionen Indigener Völker für die internationalen Klimaverhandlungen  COP-30", an dem Vertreter aus europäischen Ländern sowie aus Australien, Kanada und Peru teilnahmen.

Das ATL ist auch ein Raum für die Verbindung der Völker untereinander und mit ihren Unterstützer*innen, die die intensive Lobbyarbeit begleiten. Mehrere Treffen finden parallel statt. In diesem Jahr feierte das ATL das 20-jährige Bestehen der APIB. Sie wurde 2005, während des zweiten ATL, als nationale Organisation und Bezugspunkt für die indigene Bewegung gegründet. Seitdem sind APIB und ATL zu lebendigen Ausdrucksformen der Mobilisierung und des Widerstands im Kampf für die in der Bundesverfassung von 1988 verankerten Grundrechte geworden: das indigene Recht auf Territorium, Selbstbestimmung, Identität und Kultur sowie spezifische und differenzierte staatliche Politik. Diese muss Themen wie indigene Gesundheit und Bildung abdecken und den wirksamen Schutz indigener Territorien sichern, um alle vorgenannten Grundrechte zu gewährleisten. All diese Themen wurden während der ATL in Plenarsitzungen, Versammlungen und zwei Märschen zum Nationalkongress erörtert.

Zu den Verstößen gegen den staatlichen Schutz indigener Völker und Territorien wird das Gesetz Marco Temporal 14.701/2023 gezählt. Es legt einen zeitlichen Rahmen fest. Mit dem Gesetz werden nur die Territorien anerkannt, die zum Stichtag der Verfassungslegung 1988 von Indigenen besiedelt wurden. Es wird von der indigenen Bewegung als Völkermordgesetz betrachtet. Auch die sogenannte Schlichtungskammer des Obersten Gerichtshofs STF beteiligt sich an diesen Verstößen gegen Verfassungsrechte. Laut Dinaman Tuxá, dem Exekutivkoordinator der APIB, "stellt die Schlichtungskammer der STF, die ohne Beteiligung der APIB eingerichtet wurde, den größten institutionellen Angriff seit der Verkündung der Verfassung von 1988 dar. Anstatt das Gesetz 14.701/2023 für verfassungswidrig zu erklären, hat Richter Gilmar Mendes einen neuen Gesetzesentwurf vorgeschlagen, der das Recht auf freie, vorherige und informierte Konsultation schwächt, Enteignungen kriminalisiert, Eindringlinge entschädigt und das Demarkationsverfahren tiefgreifend verändert."

Seit der Verabschiedung dieses Gesetzes wurde noch kein indigenes Territorium demarkiert. Während der ATL traf APIB mit dem Richter des Obersten Gerichtshofs Gilmar Mendes zusammen, um dieses Gesetz zu diskutieren. Das Camp stellte einerseits den Ort dar, um Verstöße und Gewalt gegen indigene Völker anzuprangern. Daneben wurde die 30. UN-Klimakonferenz (COP 30), die im November 2025 in Belém (PA) stattfinden wird, auch in mehreren Plenarsitzungen thematisiert.

Beim diesjährigen ATL wurde die Internationale Indigenen-Kommission ins Leben gerufen, die Teil des Kreises der Völker, einem der vier thematischen Kreise der Klimakonferenz, sein wird. Der Präsident der COP 30, Botschafter André Corrêa do Lago, war bei der Eröffnung anwesend. Die Kommission, die in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung eingerichtet wurde, hat vor allem die Aufgabe, eine Methode zu entwickeln, mit der die Akkreditierung indigener Völker für die Vertragsstaatenkonferenz sichergestellt werden kann, mit dem Ziel, diese Praxis zu einer Norm für künftige COPs zu machen. Darüber hinaus setzt sich die Kommission dafür ein, dass die Prioritäten der indigenen Völker gebührend berücksichtigt werden. Sie führt regionale Treffen durch und plant Veranstaltungen und Treffen mit den Vertragsstaaten, UN-Organisationen und Verbündeten, um die Forderungen dieser Völker zu stärken und zu erweitern.

„Brasilien, das die COP 30 in unserem indigenen Amazonasgebiet ausrichten wird, nimmt eine zentrale Rolle in der globalen Klimaagenda ein. Das Jahr 2024 war das wärmste in der Geschichte, und Extremereignisse werden zur Routine. Wir haben keine Zeit mehr! Die Ausbeutung fossiler Brennstoffe hat direkte Auswirkungen auf unsere indigenen Völker, Quilombolas, traditionellen Gemeinschaften und Mutter Erde selbst. Die Antwort auf die Klimakrise erfordert eine gerechte und nachhaltige Energiewende. Wir warnen weiterhin vor den Auswirkungen von Öl, Gas, Kernenergie und sogar den so genannten erneuerbaren Energien - Wind und Sonne - wenn sie unsere Territorien missachten„, heißt es in dem Brief “Wir sind die Antwort: Zwanzig Jahre APIB und der Klimanotstand".

Die letzte Plenarsitzung des ATL hatte einen bitteren Beigeschmack. Am 10. April warfen ein Teil der Polizeieinheiten des Regierungsbezirks sowie die Militärpolizei Tränengasbomben und griffen Teilnehmende des Marsches „Wir sind die Antwort“ vor dem Nationalkongress mit Pfefferspray an. Vor allem Frauen, Kinder, Älteste und traditionelle lideranças wurden brutal angegriffen. Sie erhielten auch keine sofortige Hilfe von der Feuerwehr.

Die Bundesabgeordnete Célia Xakriabá (PSOL-MG) war eines der Opfer von Polizeigewalt und das Ziel von Rassismus und politischer Gewalt. „Die Sicherheitskräfte, die die indigenen Völker schützen sollen, sind dieselben, die uns in unseren Gebieten ermorden und sich immer noch nicht vorstellen können, dass indigene Menschen in den Nationalkongress gewählt werden“, heißt es in ihrem Schreiben. Am Freitag (11.) reichte der Abgeordnete beim Bundesgerichtshof (STF) eine Strafanzeige gegen die Regierung des Bundesdistrikts und die öffentlichen Sicherheitsorgane ein.

Biancka Arruda Miranda, Politikwissenschaftlerin (M.A.) von der USP, Aktivistin für indigene Rechte, Mitarbeiterin des Nachrichtenportals Amerika 21, Mitglied des Vorstands von KoBra (Kooperation Brasilien e.V.).

Der Artikel erschien zunächst auf Portugiesisch bei focus Brasil. Übersetzung: Uta Grunert