Brasilien: Das Recht, den Folterer Folterer zu nennen
Letztere war aber auch nicht Absicht der Zivilklage.Anfang Oktober wurde im Prozess über den ehemaligen Chef des in den 1970er Jahren berüchtigten Folterzentrums DOI-CODI (Sonderkommando für Informationsoperationen -- Zentrum für Untersuchungen der inneren Verteidigung), Coronel Carlos Alberto Brilhante Ustra, von der Justiz in São Paulo in erster Instanz ein Urteil gesprochen. Damit steht den Mitgliedern der Familie Teles das Recht zu, Ustra als Folterer zu bezeichnen. Ustra hatte Mitglieder der Familie Ende 1972 im DOI-CODI gefoltert.
Da das brasilianische Amnestiegesetz von 1979 nach wie vor die strafrechtliche Anklage brasilianischer Militärs wegen Taten aus der Zeit der Militärdiktatur verhindert, hatten die fünf Mitglieder der Familie Teles 2006 eine zivilrechtliche Feststellungsklage gegen Ustra angestrengt. Vor Gericht ging es ausschließlich um das Recht, den Folterer als Folterer bezeichnen zu dürfen. Eine Bestrafung Ustras oder eine Entschädigung der Familie war in der Klage nie vorgesehen. Das nun getroffene Urteil fiel in erster Instanz. Es wird vermutet, dass der Folterer in Revision gehen wird.
Im September war der zweite zivilrechtliche Prozess gegen Ustra gescheitert. Zwei der drei Richter hatten für die Einstellung der Klage der Mitglieder der Familie Merlino gegen Ustra votiert. Die zwei Richter argumentierten, dass "Feststellungsklagen" nur bei angestrebter Verurteilung verfolgt werden. Da es in der Klage der Familie Merlino gegen Ustra "nur" um das Recht gehe, den Mörder als Mörder zu bezeichnen, jedoch in zivilrechtlichen Feststellungsklagen ein auszusprechendes Strafmaß im zivilrechtlichen Sinne Ziel eines solchen Prozesses zu sein habe, fiele diese Klage nicht unter den Rechtsbereich der Feststellungsklagen.
Der Journalist Luiz Eduardo Merlino war 1971 im DOI-CODI, dessen Chef Carlos Alberto Brilhante Ustra war, zu Tode gefoltert worden. Die Familie Merlino geht in Revision.