Zum Staudamm Teles Pires müssen Indigene Zustimmung geben
Foto: Governo. CC BY ND 3.0 BR
Ein brasilianisches Bundesgericht, zuständig für die Großregion Amazonien, hat Anfang Dezember in einem von der Bundesstaatsanwaltschaft angestrengten Prozess in zweiter Instanz entschieden, dass das seit Ende 2015 in Betrieb befindliche Wasserkraftwerk Teles Pires am gleichnamigen Fluss die Rechte der vom Staudamm betroffenen Indigenen Kayabi, Munduruku und Apiaká verletzt. Das Gericht der 5ª Turma do Tribunal Regional Federal da 1ª Região (TRF1) ordnete an, dass die Indigenen gemäß der freien, vorherigen und informierten Zustimmung (Free Prior and Informed Consent, FPIC) nach der Definition der ILO Konvention Nr.169 befragt und um Zustimmung gebeten werden müssten. Eine solche Befragung und das Einholen der erforderlichen Zustimmung sei weder durch die brasilianische Regierung noch durch den Betreiber des Wasserkraftwerks eingeholt worden, so das Gericht nun in zweiter Instanz, nachdem zuvor Brasiliens Bundesregierung und die Staudamm-Betreiberin gegen die gleichausgefallene, erstinstanzliche Verurteilung Widerspruch bei Gericht eingelegt hatten.
Das Gericht erklärte zudem die durch die Umweltbehörde Ibama erteilte Baugenehmigung für rechtswidrig und folgte darin der Staatsanwältin Eliana Torelly, die in ihrem Plädoyer in der Gerichtsverhandlung der zweiten Instanz erklärt hatte, dass das Wasserkraftwerk Teles Pires "die Verringerung der Fischarten, die Verseuchung des Flusswassers, Abholzung [von Regenwald zur Folge gehabt] und die natürlichen Ressourcen in Mitleidenschaft gezogen" habe.
Das Gericht führte in seiner Urteilsbegründung zudem an, dass durch den Staudammbau und die Flutung von 150 Quadratkilometer Landschaft die Wasserfälle Sete Quedas zerstört wurden. Diese Wasserfälle aber, so das Gericht, seien für die indigenen Munduruku heilige Orte. Daher sei eine Befragung und Zustimmung nach den Regeln der ILO-Konvention 169 zur freien, vorherigen und informierten Zuistimmung (FPIC) unablässlich.
Das Urteil ist zwar nun rechtskräftig, gleichwohl kann es nicht vollstreckt werden. Dies hängt mit der sogenannten "suspensão de segurança" zusammen. Diese steht für den Verweis auf vermeintlich höherwertige, nationale Interessen. Die "suspensão de segurança" basiert auf einem Gesetz noch aus der Zeit der brasilianischen Militärdiktatur. Das Gesetz aus dem Jahre 1964 definiert, dass das Außerkraftsetzen eigentlich verfassungsrechtlich vorgesehener Prinzipien mit dem Verweis auf höherwertige nationale Interessen durch die Regierung durchgesetzt werden kann. Dazu muss nur ein Mitglied des Obersten Gerichtshof eine diesbezügliche Eingabe machen, so dass der Bau des betreffenden Projekts vorerst durch keine Gerichtsurteile behindert werden darf. Dennoch muss auch diese Rechtseingabe seitens des Obersten Gerichtshofs irgendwann rechtskräftig und abschließend entschieden werden. Doch wann, das regelt das Gesetz nicht. So wies der Bundesstaatsanwalt Felício Pontes in seinem Plädoyer vor Gericht darauf hin, dass "wir in allen Instanzen gewonnen haben, dass der Staudamm nicht ohne die vorherige Konsultation der Indigenen gebaut werden darf. Aber das Bauvorhaben wurde dennoch zum Abschluss gebracht. Die Indigenen leiden unter Krankheiten, die sie zuvor nicht hatten. Und das alles infolge einer politischen Entscheidung im Sinne der suspensão de segurança, einem Rechtskonstrukt aus der Militärdiktatur, einem Rechtskonstrukt, das es in einem demokratischen Land nicht geben dürfte."
Die Staudammbetreiberfirma Companhia Hidrelétrica Teles Pires S/A gehört jeweils zu 24,5 Prozent den staatlichen Firmen Eletrobras-Eletrosul und Eletrobras-Furnas, zu 0,9 Prozent der privaten Firma Odebrecht Energia und 50,1 Prozent der Firma Neoenergia. Neoenergia wiederum gehört zu 49,01 Prozent dem Pensionsfonds der Banco do Brasil, der Caixa de Previdência dos Funcionários do Banco do Brasil (Previ), der Banco do Brasil zu 11,99 Prozent und zu 39 Prozent der spanischen Iberdrola.
Den Bau des umstrittenen Staudamms Teles Pires hat die deutsche Münchener Rückversicherungsgesellschaft gegen Schäden rückversichert. Eine Vertreterin der brasilianischen Widerstandsbewegung Movimento Xingu Vivo para Sempre war deshalb 2015 eigens zur Hauptversammlung der Münchener Rück nach München gereist, um die Konzernvorstände auf die Verstrickung der Munich Re beim Staudamm Teles Pires am gleichnamigen Fluss anzusprechen. Ihr war es vorbehalten, die entscheidende Frage zu stellen: "Am Teles Pires haben die Baufirmen einen riesigen Wasserfall gesprengt: Dieser Wasserfall heißt Sete Quedas. Für die Indigenen Kayabi, Apyaka und Munduruku ist Sete Quedas ihr heiligster Ort. Wie würden Sie reagieren, wenn eine Baufirma daherkommt und die Münchener Frauenkirche mit Bulldozern einreißt?" Der Vorstandsvorsitzende von Bomhard hatte darauf keine Antwort. Manchmal spricht Sprachlosigkeit dann doch Bände.